Schubertiade Schwarzenberg: Wo Lieder eine Heimat haben!

03. September 2024

Rubrik Oper

©Schubertiade Schwarzenberg

Früher sang man während häuslicher Familienzusammenführungen volkstümliche Weisen in rustikalen Bauernstuben.

 

Damals spielten die Menschen vornehmlich in den alpenländischen Regionen auf Zither, Harfe, Gitarre oder dem Hackbrett und sangen dazu ihr eigenes regionales Liedgut. Mit einer unverkennbaren Identität versehen, hatte das Lied Wurzeln, die sich tief in der Erde verankern konnten, just dort, wo die Menschen ihre Heimat als vertrauten Zufluchtsort der Geborgenheit, nämlich als Zuhause erkannten. 

 

Von Nicole Hacke

 

Die Schubertiade in Schwarzenberg ist genauso ein Ort, an dem das Lied Jahrhunderte später die Gegenwart erreicht hat.

 

Dabei blickt es stolz zurück auf eine Zeit, in der es sich als Kunstlied stilisiert in den Salons herrschaftlicher Anwesen zur allgemeinen Unterhaltung kleinerer Zusammenkünfte großer Beliebtheit erfreute.

 

Schumann, Schubert, Brahms, Strauss, Mahler, Wagner: Sie alle widmeten sich dem Kunstlied und schufen es doch aus regionalen Ursprüngen, vielleicht sogar aus  einer ungestillten Sehnsucht nach Zugehörigkeit heraus. Nur böse Menschen haben keine Lieder!  Wer musste nicht in der Schule Gedichte aufsagen? Wer lernte nicht im Musikunterricht das eine oder andere Lied?

 

In der heutigen Zeit ist genau das keine Selbstverständlichkeit mehr.

 

Vielerorts gilt das Lied in der Wahrnehmung als kaum existent und rangiert unter den musikalischen Vorlieben mehr als Relikt einer antiquierten Epoche. Dabei ist es doch so einfach, ein Lied vor sich hinzusummen, es schon allein wegen seiner würzigen Kürze auf den Lippen parat zu haben.

 

In Schwarzenberg jedenfalls ist es omnipräsent. Dort wird es mit großer Leidenschaft gesungen, gelebt, eingeatmet und gefühlt. Dort spürt man es förmlich an jedem Ort, egal, wo man steht, geht oder um sich blickt.

 

©Schubertiade Schwarzenberg

©Schubertiade Schwarzenberg

Die faszinierende Natur des Bregenzerwaldes, die lauschigen Wälder, die saftig grünen Wiesen, die liebliche Landschaft, die sich einem auf über 1600 Höhenmetern plötzlich als ausufernd gewaltige Gebirgswelt offenbart, übt eine demütige Faszination auf seinen Betrachter aus. 

 

Schnell fühlt man sich geerdet, angekommen und berauscht um das Glück des einfachen , schlichten, unverfälschten Lebens, das so roh, so authentisch und in seiner Schlichtheit von berührender Schönheit ist, dass man nunmehr versteht, wie das Lied seinen Weg aus der Natur in die Kultur gefunden hat.

 

Und so stehe ich eines lauschigen Abends bei mediterranen Temperaturen inmitten einer überschwänglich schwadronierenden Menge begeisterter Schubertiade-Besucher, die bei einem Gläschen Wein die Pause nach dem ersten Programmteil genießen.

 

Neben mir freut sich eine quirlige ältere Dame, die so viel Esprit und Charme versprüht, dass man ihr das gesetztere Alter überhaupt nicht anmerkt. Ihre Augen leuchten hell, sie träumen immer noch von diesen herzerfrischenden Brahmschen Liebeslieder-Walzern.

 

Es sei, als würde sie schweben auf den Gesängen, diesen leichten, duftigen, sphärischen Klängen, die ihr diesen Abend so unendlich versüßen. Auch ich schwebe, staune und sauge den Abend und meine Umgebung wie ein neugieriger Schwamm in mich auf.

 

Es riecht nach Heu, nach Butterblumen und vor allem nach Kühen. Sehen kann man nur noch die schemenhaften Umrisse der umliegenden Bergeshöhen. Die Nacht und die Stille der Natur sind im Begriff Einzug zu halten, als plötzlich aus der Dunkelheit zwei in Bregenzerwälder Tracht gekleidete Hornistinnen einen kleinen Weg zur Terrasse herauflaufen, um bei einem kurzweiligen musikalischen Intermezzo das Ende der Pause anzukündigen.

 

Wie originell. Kein artifizieller Klingelton, der laut scheppernd dazu aufruft, sich wieder schnurstracks in das Auditorium zu begeben, sondern eine sanfte, wohlklingende Aufforderung, den roten Faden der Liebeslieder-Walzer zweiter Teil wieder aufzunehmen.

 

©Schubertiade Schwarzenberg

©Schubertiade Schwarzenberg

Noch während ich im Gehen zielgerichtet auf den Angelika-Kauffmann-Saal zusteuere, kommt mir der Bariton Konstantin Krimmel entgegen. Aus den Augenwinkeln habe ich ihn noch erwischt. An seinen Lippen hängt ein Lied, das er ganz leise, fast beiläufig und ein wenig traumverloren vor sich hin trällert.

 

Auch das passiert einem bei der Schubertiade in Schwarzenberg. Es gibt Künstler, die sowohl die Bühne als auch das Auditorium beehren.

 

Und so sichte ich gleich noch einen weiteren Musiker, der nur ein paar Reihen vor mir ganz besonders enthusiasmiert dem Gesang von Sophie von Otter lauscht. Es ist der Liedbegleiter Daniel Heide, der einen Tag zuvor selbst auf der Bühne den Bariton Andrè Schuen begleitete.

 

Die Welt in Schwarzenberg ist klein. Immer begegnet man irgendwo um die Ecke, im Restaurant, draußen im Biergarten des Hotel Adler oder eben im Publikum einem Künstler. Einander aus dem Weg gehen ist schwer. Doch das will man auch gar nicht. Und ganz offensichtlich wollen das die Künstler eben so wenig.

 

So erlebe ich nach einem Liederabend mit Andrè Schuen und Daniel Heide ein besonderes "Meet & Greet" gleich im Anschluss an das Konzert. Viel Zeit nehmen sich beide Interpreten für die Musikliebhaber, beantworten geduldig und entspannt Fragen, geben Autogramme und fühlen sich scheinbar sehr entspannt.

 

Tatsächlich kann man sich in diesem Kleinod besonders gut erholen, denn außer sehr viel Ruhe, Natur pur und traditioneller Lebensart, die sich gekonnt mit einem lässigen Lifestyle verbindet, gibt es keine störenden  Ablenkungen. 

 

©Schubertiade Schwarzenberg

©Schubertiade Schwarzenberg

Alles reduziert und konzentriert sich auf angenehmste Weise auf das Wesentliche: die Natur und die Musik - ein einzigartiges Zusammenwirken zweier besonderer Kräfte, die uns Menschen zum Menschsein erheben. Wenn das Lied eine Heimat hat, dann hat es sie in der Schubertiade Schwarzenberg ganz sicher gefunden.

 

©Schubertiade Schwarzenberg

Philosophie der Schubertiade Schwarzenberg

 

Ein Festival für Franz Schubert. Ihm den gebührenden Platz neben Mozart und Beethoven einzuräumen, war Idee und Zielsetzung der ersten Schubertiade, die 1976 von Hermann Prey in Hohenems ins Leben gerufen wurde.

 

Schnell avancierte die Stadt im österreichischen Vorarlberg zu einem der bekanntesten Festspielorte und beliebten Treffpunkt für ein internationales Publikum, welches die Begegnung mit hervorragenden Künstlern in überschaubarem Rahmen sucht und anstelle eines beliebig austauschbaren Festivalprogramms klare Definitionen vorfindet: das kompromisslose Bekenntnis zu Franz Schubert.

 

Heute ist die Schubertiade mit rund 80 Veranstaltungen und 35.000 Besuchern jährlich das renommierteste Schubert-Festival weltweit.

 

Nirgendwo sonst steht innerhalb kurzer Zeit eine derart große Anzahl von Liederabenden mit den besten Interpreten der Welt auf dem Programm. Kammerkonzerte und Klavierabende auf höchstem Niveau bilden einen weiteren Schwerpunkt. Ergänzt wird das Angebot durch Orchesterkonzerte, Lesungen und Vorträge sowie Meisterkurse bedeutender Künstlerpersönlichkeiten.

 

Fernab des sonst üblichen Festspielrummels ist es wesentliches Anliegen der Schubertiade, den intimen Charakter zu wahren und alle Energie auf musikalische Darbietungen in höchster Qualität zu konzentrieren. Diesen Anspruch widerspiegelnd, gleicht die Liste der Künstler, die bis heute bei der Schubertiade zu Gast waren, einem »Who-is-Who« der Lied- und Kammermusikwelt.

 

Daneben fördert die Schubertiade auch junge Talente, die am Beginn ihrer Karriere stehen und bietet ihnen die Möglichkeit, sich einem gleichermaßen kundigen wie begeisterungsfähigen Publikum vorzustellen. 

 

Weitere Informationen zur Schubertiade unter folgendem Link:

 

Schubertiade – Die Schubertiade

 

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