05. Dezember 2022
Rubrik Oper
©Nicole Hacke / Operaversum Ausstellungsansicht, Bild der Bühne des Festspielhauses Bayreuth (Copyright: Klaus Frahm Photography)
Totgeglaubte leben länger! In der Bundeskunsthalle in Bonn lebt dieser Tage die Oper in all ihrer historischen Pracht zu neuem Leben auf. Tot war sie sowieso noch nie. Auch wenn die musiktheatralische Kunstgattung bereits etliche Krisen durchstehen musste, ihrer Sogwirkung konnte man sich damals wie auch heute nie wirklich entziehen.
"Die Oper ist tot, es lebe die Oper", so das Leitthema der Ausstellung, die ausgehend von den ersten Gehversuchen des Musiktheaters vor 400 Jahren den Rundgang durch die erlauchten Hallen eines nachgebildeten Musentempels eröffnet.
Sofort betritt man eine Welt, die magisch, unvergleichlich schön und zuweilen irrational anmutet. Im nachgebildeten Foyer mit dunkelgrünen Wänden blitzt von der hohen Decke ein pompöser und schwergewichtig wirkender Lüster, der über und über mit funkelnden Kristallen besetzt ist.
Geblendet von so viel leuchtender Strahlkraft versteht man schnell, welch zauberhafte Illusion im Besucher geweckt wird und warum die Oper ihre Gäste wie die Motten das Licht immer wieder magnetisch anzieht.
Es ist nämlich nicht nur das reine Opernspektakel auf der Bühne, das eine nahezu hypnotische Wirkung auf den Besucher ausübt.
©Nicole Hacke / Operaversum Ausstellungsansicht
©Nicole Hacke / Operaversum Ausstellungsansicht
©Nicole Hacke / Operaversum Ausstellungsansicht
Auch die historischen Spielstätten, die vielerorts zu den bedeutendsten architektonischen Meisterwerken der Baukunst zählen, lassen die Herzen genussliebender Opernenthusiasten immer wieder aufs Neue höher und noch höher schlagen.
Opulent majestätisch anmutende Eleganz, traumweltverlorenes Wandeln durch nostalgisch güldene Foyers, Aufgänge und prachtvolle Hallen. Wer einmal dem Zauber des Gesamtkunstwerks Oper erlegen ist, kommt immer wieder und fantasiert sich nur allzu gerne in einen ästhetisch heilen Kosmos, der sich dem Glanz und der Gloria jahrmarktlicher Eitelkeiten, zeitloser Eleganz und elitärer Noblesse hingebungsvoll hingibt.
Dabei ist die Oper als reine Kommunikationsform der darstellenden Kunst so überaus facettenreich, wie es ihrer jeweiligen Kunstformen viele gibt: Musik, Tanz, Poesie, Kostüm- und Bühnenbildnerei, Malerei und Baukunst.
In keiner anderen kreativen Kunstgattung vereinen sich so viele kreative Bereiche dermaßen wirkungsvoll zu einem harmonischen Gesamtgebilde wie eben in der Oper.
Wozu braucht es da überhaupt noch eine Ausstellung in musealer Form, wenn doch der eigentliche Opernbesuch das Eintauchen in märchenhaft vergangene Epochen jederzeit hautnah erlebbar macht?
©Nicole Hacke / Operaversum Ausstellungsansicht
©Nicole Hacke / Operaversum Ausstellungsansicht
©Nicole Hacke / Operaversum Ausstellungsansicht, Prunkfächer mit Darstellung der Opéra Garnier Paris, Theaterwissenschaftliche Sammlung der Universität Köln
Historisch breit aufgefächert mit einem kaleidoskopartigen Blick auf die musikalischen Epochen mitsamt ihrer jeweiligen Opernwerke, Kostüme, Bühnenbildentwürfe, Operneinspielungen und Sänger, erlebt der Ausstellungsbesucher instante vogelperspektivische Einblicke und Ausblicke auf die Entwicklung der Oper im Gestern, Heute und Morgen.
Ikonische Exponate, die aus unterschiedlichsten europäischen Häusern eigens für die Ausstellung in der Bundeskunsthalle Bonn zusammengetragen wurden, machen den Rundgang durch die Opernlandschaft auch für Neueinsteiger zu einem besonderen Erlebnis.
So wandele ich mit einem Audioguide ausgestattet durch die einzelnen Themenbereiche, erhalte an jeder einzelnen Station die entsprechenden Informationen zu den jeweiligen Komponisten, Opernwerken und historischen Eigenarten und Gegebenheiten der jeweiligen Epoche und lausche der Musik der größten Komponisten aus längst vergangenen Tagen.
Schnell erhalte ich einen tiefer gehenden Eindruck, was es mit der französischen Oper auf sich hat, warum das Ballett sich in der Oper etablierte, wie die Oper früher vermarktet wurde und welch revolutionärer Marketingkatalysator mit der Verewigung von Carusos Stimme auf Tonträger in Gang gesetzt wurde.
©Nicole Hacke / Operaversum Ausstellungsansicht, Helm der Brünhilde, getragen von Alice Guszale Pbwicz, Theaterwissenschaftliche Sammlung der Universität Köln
©Nicole Hacke / Operaversum Ausstellungsansicht
Alte Plakatwerbungen, detailgetreue Kostümentwürfe, naturalistische Miniaturbühnenbilder und ebenso beeindruckende Ölgemälde und Karikaturen bereichern die äußerst informative und liebevoll ausgestaltete Exhibition.
Es ist ein absolutes Faszinosum, wie viel Handwerk, wieviel künstlerisch-gestalterische Arbeit in jedem noch so kleinen Detail steckt.
Die Oper: Ein wahrhaftes Gesamtkunstwerk par excellence!
Nachdem ich mich in u-förmiger Manier durch mehrere Stationen informativ vorgearbeitet habe, erreiche ich endlich das Herzstück der Ausstellung. Einem Bühnenbereich nachempfunden, stehe ich nun inmitten von schillerndster Kostümopulenz.
Auffallend omnipräsent, schon allein wegen der mehrere Meter langen Schleppe aus schwarzem Samt, schlängelt sich ein in rot und goldenen Farben aufwendig verarbeitetes Drachenmotiv vom Schulteransatz eines prächtigen Kleides bis hin zu seinem Schleppenende.
Es ist das Herrscherinnengewand der grausamen Prinzessin Turandot aus der gleichnamigen Oper des italienischen Komponisten Giacomo Puccini.
Sprachlos und nahezu überwältigt sauge ich jedes gewandmeisterliche Detail in mich auf und wundere mich im gleichen Atemzug, welch immense Kosten so ein Stofftraum wohl verursacht haben muss.
©Nicole Hacke / Operaversum Ausstellungsansicht, Kopfschmuck der Maria Callas als Turandot, Lyric Opera Chicago
©Nicole Hacke / Operaversum Ausstellungsansicht
Schräg gegenüber erblickt mein neugieriges Auge alsbald den goldenen Traum einer über und über mit Blumen, Schmetterlingen und Perlen besetzten Krone.
Die legendäre Opernsängerin Maria Callas trug diese für das Foto auf der Plattenhülle der Turandot-Aufnahme der Aufführung in der Mailander Scala von 1957. Davorzustehen und zu wissen, dass das Haupt einer Ikone der Oper von diesem fantastischen Kopfschmuck geziert wurde, hat etwas so unfassbar Kraftvolles, dass man beinahe in Ehrfurcht erstarrt.
Doch die Oper ist viel zu lebendig, viel zu sehr im Fluss der Gegenwart, als dass man sich zu lange in ihren nostalgischen Momentaufnahmen verlieren könnte.
Auf Bildschirmmonitoren an den Wänden erzählen Menschen aus allen Bereichen der szenischen, kompositorischen, singenden und organisatorischen Sparte aus ihrer jeweils individuellen Perspektive über das nicht totzukriegende Genre der Oper.
Währenddessen spielt sich auf einer übergroßen Leinwand unmittelbar vor meiner Nase ein ganz anderes Theater ab. Vorhang auf und Vorhang zu.
Immer wieder im gleichen Rhythmus öffnen und schließen sich die roten Samtvorhänge einer Bühne, hinter der nach jedem Schließvorgang ein anderes Opernauditorium hervorblitzt.
Soll ich mich vergewissern, das alle 84 Opernhäuser Deutschlands heute noch auf dieser Leinwand eingeblendet werden?
Ich glaube, fest darauf vertrauen zu können, dass keines der Häuser - auch nicht nach meinem Verlassen der Ausstellung - unter den Tisch der Bedeutungslosigkeit gekehrt wird.
Denn solange es Menschen gibt, die sich dieser Kunstform mit unermüdlichem Engagement widmen, wird die Oper weiterleben, auch wenn sie vielleicht zwischenzeitlich immer wieder vielerlei Tode sterben mag.
Doch wie heißt es so schön: Totgeglaubte leben länger! In diesem Sinne: Es lebe die Oper!
©Bundeskunsthalle Bonn
Einen aufschlussreichen Einblick in die Ausstellung der Bundeskunsthalle Bonn "Die Oper ist tot - es lebe die Oper" gewährt dieses informative Kurzvideo.