30. November 2024

Rubrik News

Streik an der Scala, doch Jonas Kaufmann und Anna Netrebko singen die Puccini-Gala, als gäbe es kein Morgen

30. November 2024

Rubrik News

©Brescia-Amisano / Teatro alla Scala

Man kann es kaum glauben, wie viel Leidenschaft, entzündet durch einen emotional sprühenden Funkenregen, sich bei einem Arien-Duett zwischen zwei Opernsängern entwickeln kann.

 

Diese gesteigerte Lust mit den Augen jede Regung, jede Bewegung und jede Geste samt Gesang zu konsumieren, nimmt Ausmaße an, die normalerweise sekundärer Natur sind, würden da nicht auf der Bühne der Mailänder Scala Anna Netrebko und Jonas Kaufmann eine eindrückliche Szene darstellen, die sich im wahrsten Sinne des Wortes vom Rausch der Gefühle nährt.

 

Von Nicole Hacke

 

Doch leider, leider bleibt mein Bildschirm am Tag des 29. November 2024 schwarz, ausgerechnet bei einem kulturellen Großereignis, das Puccinis 100. Todestag mit einer Gala der Superlative ehren soll.

 

Anna Netrebko, Jonas Kaufmann, Mariangela Sicilia und Riccardo Chailly waren für ein Programm selten gespielter Puccini Arien und Duette aus ebenso selten aufgeführten Opern angetreten, um ein Publikum im Auditorium und über das Streaming-Portal von Arte TV mit einem besonderen musikalischen Highlight zu erfreuen.

 

Doch Pustekuchen! Während noch in den ersten 8 Minuten das Auditorium der Mailänder Scala als Standbild zu sehen ist, wundert man sich, warum der Geräuschpegel im Saal so niedrig erscheint und selbst das Orchester keinen kakophonischen Laut von sich gibt.

 

©Brescia-Amisano / Teatro alla Scala

Erst als ein Kameramann auf das Film-Equipment zusteuert und es plötzlich zappenduster am eigenen Bildschirm wird, dämmert einem, dass da irgendetwas nicht ganz rund läuft. Und wo war überhaupt das Orchester?

 

Genau! Es war abwesend, die Bühne leergefegt. Nach spätestens 10 Minuten verzweifelten Herumprobierens, ob nicht doch noch eine "Reanimation" des Streams zu ermöglichen sei, bleibt die Live-Übertragung endgültig aus.

 

Aus und vorbei! Arte TV nimmt kurzerhand den Stream von der Website, ohne weitere Informationen bekannt zu geben.

 

Das war´s dann wohl! Nicht ganz, denn im Auditorium der Mailänder Scala geben sich die Konzertbesucher konsterniert über die Ansage des Intendanten Dominique Meyer, der selbst überrascht über die Kurzfristigkeit des Orchesterstreiks den Ausfall der Puccini-Gala wohl oder übel verkünden muss.

 

Für 30 Minuten werden die Konzertbesucher im Foyer des erlauchten Musentempels  mit einem Glas Schampus "hingehalten", bis sich eine herrlich gangbare Alternative auftut.

 

Wem sie wohl zu verdanken ist, kann man mutmaßen. Tippen würde ich auf die spontan-unkonventionelle Art eines Jonas Kaufmann, der sich weder bei Sturm und Regen noch von anderen Widrigkeiten auf Konzertbühnen vom Singen jemals hat abhalten lassen, so höchstwahrscheinlich auch nicht von einem abstinenten Orchester.

 

©Brescia-Amisano / Teatro alla Scala

Und so kommt es, dass alle Solisten sich nicht weiter lange bitten lassen und den Abend mit einem angepassten Arienprogramm inklusive Klavierbegleitung kurzerhand in Angriff nehmen und auf absoluten Erfolgskurs lenken, was schön für die Konzertbesucher und nicht sehr erfreulich für die Streaming-Zuschauer ist, denn just einen Tag später heißt es dort, dass die Aufzeichnung aufgrund des Streiks nicht stattgefunden habe.

 

Schade, schade, schade!

 

Lediglich ein kleines Zuckerl hat die Sopranistin Anna Netrebko für ihr Instagram-Publikum bereitgehalten, nämlich das Schlussduett aus Puccinis epischem Meisterwerk Manon Lescaut. Als Original-Audio (vermutlich aus der Gesamtaufzeichnung vom italienischen Fernsehsender RAI1 - es geht doch!) erlebt man Netrebko und Kaufmann in einem wunderbar intimen Bühnenmoment.

 

 

©Brescia-Amisano / Teatro alla Scala

Als Manon stirbt Anna Netrebko in den Armen ihres De Grieux (Jonas Kaufmann). Und wie sie das tut. Und wie Jonas Kaufmann zärtelnd an ihr festhält, während die Sopranistin in einem letzten aufbäumenden Akt der Ekstase dem Leben die schönsten Phrasierungen, die sattesten Klangfarben mit sonor-perlender Vokalerotik abringt.

 

Diese Szene ist einfach zu schön, um wahr zu sein. Und auch Jonas Kaufmann klingt phänomenal, wie er da wieder in seiner satten baritonalen Mittellage herrlich strömende und weich fließende Legati mit stentoraler Inbrunst und warmgolden timbrierter Saturation zum Besten gibt.

 

Was für ein Dream-Team! Ich frage mich, wann die Gesamtaufzeichnung wohl auch für den Rest der Welt zugänglich gemacht wird. Es wäre doch ein Jammer, so ein genial improvisiertes Recital nicht herzuzeigen. Überhaupt, wie kann man es versäumen, diesen "Marketing-Move" der absolut allererste Sahne ist, im stillen Kämmerlein des Auditoriums nur einem exklusiven Publikum zu überlassen.

 

Ich würde behaupten, das wäre eine verpasste Chance, diese gelungene Improvisation eines Gala-Abends nicht als "Best-of-Opera-Practise" in die Welt zu posaunen.

 

Achtung: Neue Information - das Gala-Konzert mit Anna Netrebko und Jonas Kaufmann wird am 5. Dezember 2024 auf Rai5, dem italienischen Fernsehsender, um 21:15 CET übertragen.

 

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