14. Januar 2025
Rubrik News
©Xiomara Bender / Jonas Kaufmann - Tiroler Festspiele Erl
Stolz ragt der eindrucksvolle Monolith, geformt aus geometrischer Perfektion, in den kaiserblauen Himmel empor. Befremdlich, sogar ein wenig bedrohlich wirkt sein monströser Bau, der sich felsenfest in die idyllische Alpenlandschaft eines verschlafen anmutenden Ortes bohrt.
Unter seinem erdrückend dominanten Dachkonstrukt steht an einem Steilhang in ebenso stolzer und solitärer Bergsteigerpose, scheinbar verwurzelt mit dem Fleckchen Erde, ein lässiger Mitfünfziger, der Kraft seiner Willensstärke bereit ist, auf neuem Terrain einen schier unbekannten Gipfel zu bezwingen.
Von Nicole Hacke
Aber nein! Ganz anders liegt die Sache doch. Schließlich hat der Startenor Jonas Kaufmann, der unlängst als Intendant der Tiroler Festspiele Erl reüssiert hat, dort einen fulminanten ersten Saisonauftakt hingelegt, dass sich die unumstößlichen Balken des massiven Musentempels direkt vor Freude gebogen haben.
Was für eine Wintersaison, die mit einer Rekordzahl von 94% Besucherauslastung am 6. Januar mit einem ebenso fulminanten Abschlusskonzert in die Zielgerade einbiegen konnte.
Wenn das mal nicht dem Promistatus des beliebten Tenors zu verdanken ist.
©Xiomara Bender / Jonas Kaufmann - Tiroler Festspiele Erl
Doch der Promistatus allein hat diesen Erfolg ganz sicher nicht im Alleingang richten können. Schließlich bedeutet die Intendanz ein Leben abseits der Bretter, die die Welt bedeuten, auch wenn sich der beliebte Tenor beim szenischen Familienkonzert "Applaus für die Gebrüder Strauß!" zu einem Überraschungsauftritt hat hinreißen lassen.
Und natürlich sorgen solch ungewöhnliche, außergewöhnliche "Gastauftrittmomente" für überbordende Begeisterung bei den Fans und Kaufmann-Enthusiasten.
Ein paar Mal wird sich der charismatische Intendant deshalb auch auf der Festspielbühne künstlerisch betätigen müssen, was bereits zu Ostern mit einer Aufführung von Wagners Bühnenweihfestspiel "Parsifal" der Fall sein wird.
Wetten, dass es dafür jetzt schon keine Karten mehr gibt?
Allerdings muss man wohl auch damit rechnen dürfen, dass alle anderen Opern- und Konzertformate perspektivisch recht ausverkauft sein werden, bedenkt man, was die Wintersaison 2024 bereits eindrücklich gezeigt hat:
Neben der intelligent ausgetüftelten Programmgestaltung, die beliebte Opern und gefragte Konzertformate hervorgebracht hat, den Shooting Stars der Opernszene und den "Unverhofft-kommt-oft-Einspringern" wie Lisette Oropesa, die quasi in letzter Sekunde ihren Gastauftritt in einer konzertanten Fassung von "I Puritani" ankündigte, führte die insgesamt herausragende künstlerische Qualität zum bahnbrechenden Erfolg der Tiroler Festspiele Erl.
©Xiomara Bender / Jonas Kaufmann - Tiroler Festspiele Erl
Und ja, da kann sich ein Jonas Kaufmann lachend ins Maisfeld stellen, triumphieren und jubilieren. Den Gipfel des "Intendanten-möglichen" hat er schließlich mit Bravour genommen, erklommen und überhaupt...
...kann letztendlich auch nicht viel schief gehen, wenn man einen Asher Fish an seiner Seite weiß, der als Dirigent der Festspiele Erl zum Promistatus gehörig beiträgt, mal ganz abgesehen vom griechischen Casting-Direktor Ilias Tzempetonidis der ebenfalls einschlägige künstlerische Erfahrungen an den renommiertesten Opernhäuser Europas sammeln durfte.
Und dann noch diese "Heile-Welt-Kulisse", in der man sicherlich kein Konzerthaus eines ebenbürtig monumentalen Formats erwarten würde.
Verwundert es da noch, dass ein beseelt wirkender Jonas Kaufmann, wie in Gedanken verloren, seinen Blick durch die herrliche Landschaft Tirols schweifen lässt. Oder hat er bereits den nächsthöheren Gipfel im Visier?
Wissen Sie, ich kann´s verstehen, auch wenn so eine Gipfeltour enorm anstrengend, kräftezehrend und ausdauerintensiv ist, so ist das Ankommen hoch oben auf dem Berg eines der schönsten, sinnlichsten, aufregendsten und befriedigendsten Erfahrungen, die man neben dem Sänger- und Intendantenberuf machen kann.
©Xiomara Bender / Jonas Kaufmann - Tiroler Festspiele Erl
Jonas Kaufmann ist tatsächlich in Erl angekommen. Inmitten von saftigen Blumenwiesen wie ein Naturbursche wirkend - glatt könnte man sehr, sehr neidisch werden. Aber was soll´s. Lieber gönnen wir dem freudestrahlenden Intendanten den Festspielschmaus und wünschen ihm ein erfolgreiches und vielversprechendes Musikjahr 2025!