Asmik Grigorian und Peter Sellar über die Neuinszenierung von "DER SPIELER" bei den Salzburger Festspielen

12. August 2024

Rubrik Oper

© SF/Neumayr/Leo

Sergej Prokofjews erste Oper, gleichzeitig die erste Oper überhaupt nach einer literarischen Vorlage Dostojewskis, steht mit Der Spieler in diesem Sommer in Salzburg auf dem Programm.

 

Er sei sehr froh, dass ihm mit Asmik Grigorian und Sean Pannikar zwei so herausragende Künstler jenseits jeder Klischeehaftigkeit für seine Inszenierung zur Verfügung stünden, sagt Regisseur Peter Sellars. „Im Stück geht es um einen wütenden jungen Charakter, der eine Generation repräsentiert, die sich gegen das vorherrschende Establishment auflehnt, die ein System in Frage stellt, in dem Regierung und Kapitalismus alles zerstören.“

 

All das komme in Prokofjews Musik zum Ausdruck, deren Geschwindigkeit und Direktheit allenfalls mit Mozarts Le nozze di Figaro vergleichbar sei. „Wie bei Mozart gibt es bei Prokofjew kaum Pausen: Ein Ereignis jagt das andere, Tragödie und Komödie, die Höhen und Tiefen des Lebens liegen ganz nah beieinander. Am Ende ist aber letztlich die Liebe das, was allein zählt“, sagt Sellars über das Werk und dessen schnelle Szenenabfolge mit ebenso schnell wechselnden Auftritten neuer Charaktere.

 

Nicht zum ersten Mal singt Asmik Grigorian die Partie der Polina. Darauf angesprochen, was am Konzept von Sellars vergleichsweise anders sei als in jener Inszenierung, sagt sie:

 

„Alles. Von Anfang bis Ende ist es eine sehr unterschiedliche Produktion.“ Für sie ist es die erste Zusammenarbeit mit Sellars, von der sie sagt: „Das ist für mich etwas Besonderes, ich bin sehr glücklich über diese Begegnung. Er sagt niemals: ‘Ich denke’ oder ‘Ich glaube’, sondern immer ‘Ich fühle’.“

 

Über seine Arbeitsweise sagt sie: „Das ist für mich die höchste Stufe der Kunst.“

 

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Auf die Frage, wie er mit der Herausforderung seiner zentralen Rolle (des Alexej Iwanowitsch, Anm.) umgehe, sagt Sean Panikkar: „Am Anfang hatte ich Schwierigkeiten, mich mit der Partitur anzufreunden. Das hat sich aber durch die Arbeit mit Peter Sellars nach und nach geändert.“

 

Auch den komplexen Roman Dostojewkis habe er gelesen. Als die Anfrage von Sellars gekommen sei, sei er aber sofort interessiert gewesen, durch dessen Augen würden die schwer durchschaubaren Beziehungen der Figuren zueinander verständlich gemacht: „Genau diese Beziehungen macht Sellars nachvollziehbar, er füllt sie mit Emotionen, mit echtem Leben.“  

 

Auch Menschen, die sonst keinen Bezug zu dem Stück hätten, könnten es – wie er selbst – auf diese Weise richtig kennen und lieben lernen.

 

Ganz besonders schätzt Sellars die Arbeitsbedingungen in Salzburg: „Von Anfang an startet man hier – sei es in Bezug auf die Künstler oder die Bühnengestaltung – auf einem unglaublich hohen Niveau. Das ist der Grundstein für qualitativ hochwertige Arbeit und eröffnet einem zusätzliche künstlerische Freiheiten.“

 

Über den Bogen, den das Werk in die heutige Zeit schlägt, sagt er: „Etwa 70 Jahre lang lag das Stück brach. Zu Zeiten der Sowjetunion fiel all das, was es an Kreativität, Erotik und wirtschaftlicher Kritik enthält, der Zensur anheim. All diese Aspekte können wir jetzt wieder frei atmen lassen.“

 

Den dem Werk innewohnenden Generationenkonflikt mit den verhältnismäßig jungen Künstlern dieser Besetzung besonders überzeugend darstellen zu können, empfindet er als großes Privileg. Die Gewalt, mit der man im Stück konfrontiert werde, sei auch heute präsent. „Wir wollen damit aber keine Wunden aufreißen, sondern sie mit Kunst heilen“, stellt er klar.

 

© SF/Ruth Walz

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Gefragt, wie es ihr mit menschlichen Schwächen und dem von den Figuren ausgehenden Strudel von Emotionen ergeht, antwortet Grigorian: „Speziell für Polina ist der größte Konflikt ihre Beziehung zu sich selbst.

 

Das ist für mich persönlich gut nachvollziehbar, da ich auch mit mir selbst in einem ständigen Konflikt stehe. In ihrer Figur finde ich mich selbst wieder, die Darstellung der Rolle fällt mir von daher gesehen leicht.“ Über die Rolle der Polina sagt sie weiter: „Für mich ist es eine sehr interessante Rolle.

 

Gleichzeitig hat sie für mich den Vorteil, dass ich die Sprache nicht extra zu erarbeiten brauche, vom Umfang her ist sie nicht ganz so fordernd wie die Lady Macbeth, Salome oder die Il trittico-Rollen, die ich Salzburg gesungen habe“.

 

Über die vermeintliche Sprachbarriere des Russischen bzw. dessen Klanglichkeit in der Musik sagt Sean Panikkar: „Ich kann zwar weder Russisch sprechen noch Kyrillisch lesen, dank einer guten Transliteration, guten Coachings und viel Übung ist es aber möglich, sich dies alles anzueignen.“

 

Eine Leistung, für die angesichts der umfassenden Textmenge der Partie auch Asmik Grigorian Bewunderung hegt. Über das Libretto sagt Sellars: „Wie in allen Opern mit viel Text sieht man auch hier erst im Kontext mit der Musik, wie voll von Leben und Geschichten und mit wie viel Reichtum das Stück behaftet ist“. Genau diese Reichhaltigkeit, die Möglichkeit, durch die Musik zusätzlich zu dem, was man sagt, Emotionen erlebbar und die Bühne lebendig machen zu können, sei für ihn das Schöne an der Kunstform Oper.

 

Mit Dirigent Timur Zangiev, der sein Debüt sowohl in Salzburg als auch am Pult der Wiener Philharmoniker gibt, hat Asmik Grigorian bereits in der Vergangenheit zusammengearbeitet. „Trotz seines noch jungen Alters ist er schon ein sehr erfahrener Dirigent. Er kennt jedes Detail“, und Sean Panikkar ergänzt: „Er weiß genau, was er will, ist gleichzeitig aber auch sehr kooperativ. Er kennt den Notentext ganz genau.“

 

© SF/Neumayr/Leo

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Darüber, was er dem Publikum in seiner Inszenierung mitgeben wolle, sagt Sellars: „Ein einzelner Aspekt lässt sich da schwer herausgreifen. Es geht immer darum, sich selbst zu finden und sich Dinge bewusst zu machen, die man vielleicht schon länger in sich getragen, aber bisher noch nicht erkannt hat – darum, sich in neue Sphären zu begeben.“

 

Einig sind sich alle drei im Hinblick auf die Besonderheiten von Salzburg als künstlerischem Standort: „Für mich sind die Menschen, mit denen ich hier zusammenarbeite, die Liebe, die ich von Kollegen und Publikum erfahre, ganz speziell. Wann immer ich hierher komme, erhöht sich mein Energielevel.“

 

Die „Einzigartigkeit des Repertoires, das Markus Hinterhäuser in Salzburg geschaffen hat“, die „fantastische Arbeitsatmosphäre, die Geschichte und die Schönheit der Stadt“ schätzt Sean Panikkar an Salzburg.

 

Und Peter Sellars betont nicht zuletzt die Einzigartigkeit der Felsenreitschule als Spielstätte: „Man ist dort nicht einfach in einem Theater – man ist dort in einer Art anderen Sphäre. Aus diesem Grund arbeite ich dort so gerne.“

 

Quelle: Presse Salzburger Festspiele

 

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