27. Dezember 2023
Rubrik Oper
©Bettina Stöß / Deutsche Oper Berlin
Es ist der zweite Weihnachtsfeiertag und somit ein (sehr früher) Abend, an dem die Deutsche Oper Berlin fast bis auf den letzten Platz gefüllt ist.
Und vielleicht ist es ganz gut, dass vermutlich nicht mehr allzu Opern affines Publikum Parkett und Ränge bevölkert … doch langsam.
Von Heike Franke
Enrique Mazzola am Pult trägt einen roten Schlips. Sein Weihnachtsoutfit? Aber selbst wenn er es mit der Ouvertüre recht gut angehen lässt, so irritiert mich bis zur Pause zunehmend sein – sagen wir «lässiges» - Dirigat.
Es plänkelt so dahin, lässt Akzente, Pointierungen, Kontraste vermissen und damit das Drama. Dabei bieten sowohl Partitur als auch Inhalt der Oper doch Drama en Masse.
Wieso also diese verschenkte Chance?
©Bettina Stöß / Deutsche Oper Berlin
©Bettina Stöß / Deutsche Oper Berlin
©Bettina Stöß / Deutsche Oper Berlin
Die Frage lässt sich für mich bis zur Pause nicht klären, wohl aber kämpfe ich spätestens im zweiten Drittel mit dem Bedürfnis einzuschlafen.
Und wer mich kennt, der weiß, ich bin in der Oper grundsätzlich sehr bereit, mich überwältigen zu lassen, mitzufiebern, das Atmen fast zu vergessen und jede Menge Tränen zu vergießen. Heute? Nichts von alle dem.
Auch die Solistinnen und Solisten überzeugen mich nicht. Solide, ja, zumeist, doch in den Höhen kämpfen sowohl Frederica Lombardi (Anna Bolena) als auch Vasilisa Berzhanskaya (Giovanna Seymour) und René Barbera (Lord Riccardo Percy) – teils sogar erheblich.
Und Riccardo Fassi (Enrico VIII) bleibt leider ziemlich blass für einen Bass.
©Bettina Stöß / Deutsche Oper Berlin
©Bettina Stöß / Deutsche Oper Berlin
©Bettina Stöß / Deutsche Oper Berlin
©Bettina Stöß / Deutsche Oper Berlin
©Bettina Stöß / Deutsche Oper Berlin
Bei allen vermisse ich Charisma und Ausdrucksstärke. Die zumindest beweisen Lombardi und Berzhanskaya in der Darstellung, doch das und beider reine Stimmschönheit reichen mir hier nicht.
In Donizettis Anna Bolena erwarte ich dramatisches Belcanto gepaart mit technischer Brillianz. Mag sein, dass mein Anspruch hier zu hoch ist, erfüllt wird er jedenfalls nicht.
Das Publikum hingegen scheint begeistert, belohnt es doch so manche Arie mit Szenenapplaus.
Direkt nach der Pause versöhnt mich der Damenchor der Deutschen Oper mit Belcanto wie man ihn sich wünscht.
Und auch Mazzola scheint aufgefallen zu sein, dass es in der Partitur piano, pianissimo, forte und fortissimo gibt. Sein Dirigat zeigt endlich Farbe, was das Ganze spannender macht.
So ganz versöhnt mich das alles jedoch nicht. Vielleicht auch, weil alle und vor allem Frederica Lombardi zum Schluss hin stimmlich müde wirken.
Da hilft es dann auch nicht mehr viel, dass endlich Emotion und mehr Drama im Spiel ist.
©Bettina Stöß / Deutsche Oper Berlin
©Bettina Stöß / Deutsche Oper Berlin
Das Publikum zumindest ist begeistert und belohnt die Mitwirkenden mit Bravo Rufen und ausgiebigem Applaus. Ich hingegen gehe ein wenig enttäuscht nach Hause.
Ich finde es schade, dass diese an sich schöne Produktion mit gelungenem Bühnenbild und Kostümen leider ihr musikalisches Potential nicht ausschöpft.
Aber vielleicht bräuchte es für Donizettis Anna Bolena eben Größen wie Sonya Yoncheva, Ekaterina Gubanowa, Pene Pati und René Pape, um eine wie mich glücklich zu machen, die in der Oper gern die ganz großen Emotionen hört und fühlt.
Zugegeben, eine Traumbesetzung, die ich hier zusammenbaue, aber träumen ist und bleibt erlaubt, oder?
BESETZUNG
Musikalische Leitung
Enrique Mazzola
Inszenierung
David Alden
Bühne, Kostüme
Gideon Davey
Chöre
Jeremy Bines
Dramaturgie
Michael Küster
Jörg Königsdorf
CAST
Enrico VIII. - Riccardo Fassi
Anna Bolena - Federica Lombardi
Giovanna Seymour - Vasilisa Berzhanskaya
Lord Rochefort - Padraic Rowan
Lord Riccardo Percy - René Barbera
Smeton - Karis Tucker
Sir Hervey - Chance Jonas-O'Toole
Chöre
Chor der Deutschen Oper Berlin
Orchester
Orchester der Deutschen Oper Berlin