Der derzeit Teuerste Lohengrin an Melbournes arts Centre: Jonas Kaufmann in einer Traumrolle

25. Mai 2022

Rubrik Oper

©Christian Kleiner

Wer sein australisches Debüt in einer hochangelegten Bühnenproduktion von Wagners Lohengrin live und unplugged miterleben will, muss dieser Tage für den "hottest tenor in town" einen saftigen Ticketpreis hinlegen, der einem bei knapp 800 Dollar schon mal ein paar brennende Tränen in die Augen treiben kann.

 

Der umschwärmte und hochgelobte Münchner Tenor Jonas Kaufmann singt in dieser düsteren Inszenierung des Opernregisseurs Olivier Py die Titelpartie des nachkriegsgebeutelten Lohengrin, der mehr antiheldische Komponenten als heroische Attribute aufzuweisen hat.

 

Statt mit einem Schwan im Gepäck bastelt der zartbesaitete Ritter zusammen mit einem Kind an Papierfliegern herum. Wir befinden uns im zerstörten Berlin 1945.

 

Warum die szenische Ausgestaltung einer vordergründig kriegerischen Lesart zugrunde gelegt wird, bleibt fragwürdig, zumal Wagners Kernthema sich vielmehr mit der Kluft zwischen göttlicher Sphäre und irdischem Sein beschäftigt.

 

"Nie sollst Du mich befragen", so singt Lohengrin gleich zu Beginn seiner Elsa die warnenden Worte ins Ohr. Denn wehe dem, sie widersetzt sich seinem Verbot.

 

Dahin wäre wohl die fragile, schier unmögliche Liebe. Zerbrochen das am seidenen Faden hängende Glück zwischen den Menschen, die wie zwei Königskinder sowieso nie zueinanderfinden können.

 

Komponiert als romantisches Musiktheater gilt dieses Meisterwerk auch als die italienischste aller Wagner-Opern, so irisierend, klangfarblich und tonal narkotisch wirkt die sphärisch märchenhafte Musik.

 

©Jeff Busby

©Jeff Busby

Nur der szenische Schauplatz mutet schaurig, gottverlassen und wenig einladend an und unterwirft sich einer finsteren Romantik, die an Gothic-Nostalgie erinnert.

 

Kriegerische Auseinandersetzungen werden in dieser Werkinterpretation nicht blutig ausgeschlachtet. Es krachen keine Schwerter aufeinander. Und auch die Ritter entbehren jeglicher Rüstung , die an mittelalterliche Kostümopulenz anknüpfen könnte.

 

Gentlemanlike im Jackett oder Mantel, herrschaftlich gediegen, so steht Lohengrin alias Jonas Kaufmann seinem Mann.

 

Geschlagen wird man also nicht auf einem Schlachtfeld, sondern auf einem Schachbrett, an dem sich der intellektuelle Geist den Kopf am Gegenüber einschlagen kann:

ein moderner Krieg, der auf politisch-strategische Weise ganz ohne Waffen, allein mit der Macht des wissenden Intellekts ausgefochten wird. Denn Wissen ist wohl bekanntlich Macht!

 

Weniger konzeptgängig, dafür umso unplausibler erscheint da im dritten Akt die akrobatische Einlage im Cirque du Soleil Stil, die von einem Tänzer mit freiem Oberkörper dargeboten wird.

 

Ein Showeffekt, der nicht ganz passt, aber der schwere des kriegsgebeutelten Lebens die Leichtigkeit wiedergeben soll. Vielleicht!

 

Wer weiß?

 

©Jeff Busby

©Jeff Busby

©Jeff Busby

Mit einer Sängercast, die sich neben dem Startenor des Abends gut sehen und hören lassen kann und sich so gar nicht im Schatten des Weltstars bewegen muss, erlebt man in Anbetracht der deutlich überzogenen, wahrhaftig horrend teuren Opernkarten, Oper "at it´s very, very best".

 

Darin besteht nun absolut kein Zweifel. Und darin liegt wohl auch das Trostpflaster, das man sich auf seinen Geldbeutel kleben kann, in der leisen Hoffnung, das entstandene Leck dadurch ein wenig zu stopfen.

 

Und was Jonas Kaufmann sich an bislang vier von fünf Abenden gesanglich alles so geleistet hat, schlägt dem Fass auf´s allerherrlichste ebenfalls den Boden aus.

 

Kein Tenor beherrscht die leisen Töne genauso perfekt wie die lauten. Pianissimi in ihrer reduziertesten Form: Genau diese hauchzarten, tonal feinen Verästelungen, die sich sanft ihren Weg in die Atmosphäre bahnen beherrscht der Barde mit der dunkelsamtig timbrierten Stimme mit emotional ausgereiftem Tiefgang.

 

Duftig, durchlässig und dennoch haarnadelscharf erklingt die Gralserzählung aus seinem Munde wie die reinste aller Offenbarungen. Honiggolden schimmert das Vokalinstrument dabei in irisierende Klangwelten, verführt die Sinne und entführt seine Zuhörer in das Gott gepriesene "Ach so ferne Land".

 

Wäre Kaufmann ein Märchenerzähler, man möchte nicht aufhören, ihm staunend an den Lippen zu hängen, denn auch diese magischen Fähigkeiten besitzt der Ritter des hohen C.

 

©Jeff Busby

©Jeff Busby

©Jeff Busby

Als Elsa strahlt die amerikanische Sopranistin Emily Magee, die versiert und tonaltechnisch alle klangbaren Register zieht, die ihr sattes, vollmundig voluminöses Vokalinstrument von sich geben kann. Sie scheint eine Idealbesetzung, da auch das schauspielerische Vermögen passgenau der Rolle entspricht.

 

Weitere Besetzungshighlights werden in erster Instanz durch den Bariton Simon Meadows und der französisch-russischen Mezzosopranistin Elena Gabouri gebildet.

 

Ersterer besticht als Telramund durch eine aufregend expressive Stimme, die gefährlich und gleichsam erotisch wirkt.

 

Elena Gabouri als Ortrud füllt ihre Rollenpartie nicht nur gesanglich vollends aus, sondern legt auch höchst bemerkenswert schauspielerisches Können an den Tag.

 

Ihre warmgolden durchwirkte Stimme klingt angenehm gaumig und läuft einem den Gehörgang runter wie warmes Öl.

 

Orchestral wird das Meisterwerk Wagners durch Tahu Mathesons Dirigat zu einer lebendigen Erzählung. Bereits mit dem Auftakt, den leisen, hohen Streicherklängen, die sich nahezu in der Sphäre auflösen, gelingt ein musikalisches Märchen von anmutiger Schönheit, zartschimmernd, strahlend, warmgolden und von einer irisierenden Farbpalette, die nur noch von gänsehautkribbelnden Pianissimi getoppt werden.

 

©Jeff Busby

Wenn das nicht die italienischste aller Wagner-Opern sein kann, so ist sie in jedem Fall die betörend zauberhafteste aller musikalischen Märchen, die in der Welt der Oper existieren.


©Arts Centre Melbourne / Video über youtube zur Verfügung gestellt

Der aktuelle Trailer zur Lohengrin-Aufführung im Arts Centre Melbourne mit Jonas Kaufmann und Emily Magee in den Titelrollen.

 

©Marcia M. / Kurzinterview Lohengin mit Jonas Kaufmann

Im Kurzinterview verrät Titelheld Jonas Kaufmann, was die Rolle des Lohengrin so besonders macht und warum ihn die Musik Wagners so fasziniert.


©Accademia Nazionale di Santa Cecilia

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©Michael Pöhn / Wiener Staatsoper

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