29. Juni 2023
Rubrik Oper
©Luigi Caputo / Großes Festspielhaus Salzburg
Salzburg ist eine ganz große Illusion, wenn es darum geht, einmal bei den begehrten Festspielen dabei sein zu dürfen. Noch illusorischer ist es aber, an Karten für eine der begehrten Opernaufführungen zu gelangen.
Einmal in einer eleganten Abendrobe durch die hohen Eingangstore des Großen Festspielhauses schreiten zu dürfen, das wünscht sich wohl jede, die das einzigartige Fest der musikalischen Genüsse mit allem Drum und Dran zelebrieren möchte.
Aber was macht eigentlich den Charme des doch eher minimalistisch wirkenden Musentempels aus?
Schließlich nimmt sich das Haus in reduziert architektonischer Pracht zurück, zumal ein nicht unwesentlicher Teil der Gebäudehinterseite im Mönchsberg verschwindet.
Erst auf den zweiten Blick fasziniert das von Menschenhand erschaffene Meisterwerk, das anders als jedes europäische Opern- oder Konzerthaus eine gelungene Symbiose zwischen Architektur und Natur eingeht.
Genau 55.000 Kubikmeter Fels mussten für den Bau des Festspielhauses weichen, damit das monumentale Bauwerk in seiner ungewöhnlichen Form zwischen 1956 und 1960 überhaupt erst entstehen konnte.
Fünf Jahre laborierte der österreichische Architekt Clemens Holzmeister an seinem beeindruckenden Festspielhaus herum, verwandelte den ehemals erzbischöflichen Marschstall in einen technisch fortschrittlichen Theaterbetrieb und ließ sich, insbesondere was die Akustik des Theatersaales betrifft, von einem Profi beraten - und zwar von keinem Geringen als den Dirigenten Herbert von Karajan.
©Luigi Caputo / Großes Festspielhaus Salzburg
©Luigi Caputo / Großes Festspielhaus Salzburg
Bereits beim Betreten des Eingangsfoyers erinnert das hohe Deckengewölbe mit seinen robusten Stahlbetonsäulen, die mit den abgetragenen Gesteinsresten des Mönchsberges ummantelt wurden, an den im Ursprung unveränderten Grundriss des altehrwürdigen Marschstalles.
Setzt man seine Erkundungstour durch den Eingangsbereich fort, bemerkt man relativ schnell, dass der Wald vor Bäumen - Pardon - Säulen auch im Pausensaal nicht endet.
Das Säulenspalier des Foyers findet nämlich dort seine übergangslose Fortsetzung. Was man aus so einem ehemals fürstlichen Pferdestall alles machen kann.
Und noch dazu ein Haus, das seit seiner Eröffnung am 26. Juli 1060 so viel internationales Renommee genießt.
Nur die besten Materialien, wie beispielsweise Marmor, Muranoglas, Bronze und Serpentin hat man für die innenarchitektonische Ausgestaltung der Räumlichkeiten verwandt.
Ganz besonders beeindruckend sind neben der Büste des Dirigenten Herbert von Karajan die äußerst künstlerisch gestalteten Pferdemosaiken von Kurt Fischer, die man bei all den Menschen erst auf dem zweiten Blick direkt unter seinen Füßen entdeckt.
Aus grünem Serpentin mit viel Liebe zum Detail zu einem Pferdemotiv zusammengesetzt, glänzt der schmucke Boden blank poliert, sodass man fast meint, sich darin spiegeln zu können.
Konträr zum Eingangsbereich wirken die Aufgänge zu den Sälen beinahe schon plüschig. Auf lachsrosafarbenem Teppichauslegern schreitet man in die erste Etage hinauf, um in den letzten Reihen des Parketts Platz nehmen zu können.
©Luigi Caputo / Großes Festspielhaus Salzburg
©Luigi Caputo / Großes Festspielhaus Salzburg
Der Blick von den oberen Parkettreihen ist sensationell, da die Gestaltung des Auditoriums amphitheatergleich anmutet. Jede Reihe ist erhöht, sodass man jeweils über seinen "Vordermann" einen barrierefreien Blick auf die Bühne genießen kann.
Ebenfalls barrierefrei sind die Durchgänge von den oberen zu den unteren Sitzreihen, die nicht abgestuft sind, sondern einer Rampe ähnelnd mit leichtem Gefälle absteigen.
Lediglich mit sehr hohen Schuhabsätzen kann sich der neigungsintensive Gang nach unten zu den vorderen Reihen als schwieriger Balanceakt herausstellen.
Doch das sollte wohl das kleinere Problem sein. Ein viel größeres Unterfangen ist es jedoch, überhaupt einen der 2179 Sitzplätze zu den "Stoß-und-Andrang-Zeiten" der Festspielhochphasen zu ergattern.
Aus aller Welt machen sich dann nämlich die klassikaffinen Fans auf den Weg nach Salzburg, denn der "Sound of Music" ist dort nun mal beheimatet.
©Luigi Caputo / Großes Festspielhaus Salzburg
©Luigi Caputo / Großes Festspielhaus Salzburg
Und ganz sicher kann man nicht in Salzburg gewesen sein, ohne dem Festspielhaus wenigstens einmal einen Besuch abgestattet zu haben.
Es ist doch auch vielmehr als nur eine schlichte Illusion, wenn internationale Operngrößen, Schauspieler und Dirigenten sich ganze sechs Wochen lang über die Sommermonate hinaus die musikalische Klinke in die Hand geben, vor allem aber ihre absolute Virtuosität zum Besten geben.
Kein musikliebhabender Mensch will sich so eine Gelegenheit, wenn sie dann kommt, entgehen lassen.
Ein Blick auf die Fassade lässt einen sowieso nicht los, denn dort prangt die lateinische Inschrift des Benediktiners Thomas Michels: "Sacra camenae domus concitis carmine patet quo nos attonitos numen ad auras ferat.“, was so viel heißt wie:
"Der Muse heiliges Haus steht Kunstbegeisterten offen, als Entflammte empor trage uns göttliche Macht."
Nun, dann soll es auch so sein! Auf nach Salzburg zu den Festspielen.
©Matthias Creutziger / Semperoper
Einen ersten unvergesslichen Eindruck vermittelte mir die Semperoper bereits im Jahr 1994, nämlich als im Fernsehen ein Werbespot der Radeberger Pilsbrauerei den sächsischen Prachtbau in seine goldene Mitte nahm, um dem prickelnd schäumenden Bier eine elegante Bühne zu bereiten.
©Thies Rätzke - Elbphilharmonie Hafenansicht
Als meine damals 85-jährige Mutter mir Anfang des Jahres 2017 verkündete, sie würde mit einer Reisegesellschaft einen Tagesausflug nach Hamburg planen, um sich das neue Wahrzeichen der Hansestadt anzuschauen...
©Wilfried Hösl / Bayerische Staatsoper
Wer der Münchner Staatsoper noch nie einen Besuch abgestattet hat, kann sich nicht vorstellen, was für ein Zauber von diesem Prachtbau ausgeht, der zu den ältesten und schönsten Europas zählt. Zudem kann sich das Haus damit brüsten...