25. JULI 2019 // by Nicole Hacke
UNAUFGEFORDERTE WERBUNG
©Nicole Hacke
In den 80iger Jahren war sie so etwas wie eine Ikone für mich. Gloria von Thurn und Taxis: die einzige Frau, die es wagte, den Punk in erlauchteren Kreisen des Adels einziehen zu lassen, verstaubte Konventionen aufzuwirbeln und eine ganze Bevölkerung mit ihrer unübersehbaren optischen Rebellion zu schockieren. Viel zu jung, um einen alternden Fürsten die biedere, häusliche und etiquettierte Frau zu sein, erregte Gloria von Thurn und Taxis bewußt die Aufmerksamkeit der Massen. Ihr Kleidungsstil war anmaßend, provokativ, unangepasst und grenzenlos frech, ihre Haarkreationen ein Aufbegehren aus jugendlichem Trotz. Ihre ganze Erscheinung und Art sich zu präsentieren waren maßlos direkt, unverhohlen ehrlich und wurden nur noch untermalt von ihrer leicht kodderigen Schnauze, die sagte, was sie dachte und nie wirklich ein Blatt vor den Mund nahm.
Ein paar Jahrzehne später und viele Haarfrisuren reifer, finden auf Schloss Emmeram, (dem Sitz der Fürsten von Thurn und Taxis) in Regensburg, die alljährlichen Schlossfestspiele statt. Keine andere als die ehemalige Punkfürstin zeichnet als Schirmherrin für die Festspiele verantwortlich, die im Jahr 2003 erstmals ins Leben gerufen wurden. Somit genießt man nun jedes Jahr pünktlich im Juli im Park des Schlosses besondere Genussfreuden - und das gleich in zweifacher Hinsicht: musikalisch und kulinarisch!
Und was für Gäste sich die Fürstin einlädt! Fast 30.000 Besucher pro Jahr machen sich eigens für dieses Großereignis auf den weiten Weg nach Regensburg, denn nicht nur die Einheimischen, sondern gerade die musikbegeisterten Liebhaber aus allen Regionen Deutschlands, bis weit über die Grenzen des Landes hinaus, zieht es zu den fürstlichen Open-Air Festspielen, die wohl mitlerweile zu den größten und populärsten des Landes zählen.
©Nicole Hacke
Das ist auch nicht weiter verwunderlich, denn die Schlossfestspiele machen mächtig was her. Schon beim Betreten des Schlossparks gehen einem schier die Augen über. Überall stehen weiße Zelte, in denen edelste Getränke und Speisen offeriert werden. Es gibt Champagner, Hummer, Antipasti Variationen und dergleichen. Die Liste der Gaumenfreuden ließe sich beliebig um die noch nicht genannten feinen Köstlichkeiten erweitern. Üppige Blumenarrangements und stylische Lounge-Ecken runden das stimmige und sehr geschmackvolle Gesamtbild ab. Wer vorab mit seinem Konzertticket ein Dinner in den fürstlichen Gärten gebucht hat, labt sich nunmehr an einem feinen, exquisiten Gängemenü in den eigens dafür vorgesehenen und exklusiven Pavillions.
Doch all der glamoröse Pomp im Vorfeld bildet noch lange nicht den eigentlichen Höhepunkt der Festspiele. Er dient lediglich als vielversprechender Vorgeschmack auf den bevorstehenden erlebnisreichen Konzertabend. In der Spielzeit, die sich über den gesamten Juli hinaus zieht, wird fast jeder Musikgeschmack bedient. Ob Jazz, Pop, Rock oder Klassik. Für jedermann ist etwas Passendes dabei. Heute jedoch wird der Abend gekrönt von einem ganz besonderen musikalischen Ereignis, das wohl zurecht auf eine ausverkaufte Tribüne schließen lässt.
Kein anderer als der weltbeste Tenor singt an diesem lauen Sommerabend ein französisches Arienrepertoire der Komponisten Biszet, Massenet und Gounod.
Jonas Kaufmann, der zum letzten Mal vor 10 Jahren bei den Festspielen auftrat, freut sich, trotz eines noch nicht auskurierten Infektes, auf einen wunderschönen Abend.
©Nicole Hacke
Der Auftakt zur ersten Arie beginnt. Jonas Kaufmann setzt zum ersten Ton an und leider hört man sofort, dass der weltbeste Tenor heute nicht vollends in Höchstform ist.
Gesanglich hörbar angegriffen, fliegen die Töne nicht, wie ansonsten selbstverständlich, mit Leichtigkeit durch die Atmosphäre. Etwas gedämpft und leicht belegt trägt Kaufmann´s Stimme klanglich nicht so brilliant in die Menge. Dennoch sitzt jeder Ton. Technisch singt Jonas Kaufmann einwandfrei, was seinen Status als bester Tenor der Welt umso stärker manifestiert.
Leider bleibt aber mein hektisches Herzklopfen, das mir sonst bei Herrn Kaufmann immer so zu schaffen macht, aus. Ich bin entspannt und stehe dem Geschehen auf der Bühne fast schon gleichgültig gegenüber. Wahrscheinlich liegt es daran, dass ich nicht dicht genug an der Bühne dran bin. Ich sitze in der fünftletzten Reihe oberhalb der Tribüne und nehme das Orchester und die Solisten nur als kleine Punkte aus der Ferne wahr. "Viel zu schade ist es, so weit ab vom Schuss zu sitzen", denke ich. Der Gesang eines Menschen entfaltet sich erst zur vollen Blüte, wenn man nicht nur mit den Ohren hört, sondern den Interpreten beim Singen auch zuschauen kann. Emotionen sind immer ein Gesamtausdruck der Seele, die über Stimme, Mimik und Gestik ins Publikum getragen werden.
Doch der Abend plätschert lau und seicht dahin. Fast eingelullt von dem sonoren Klangteppich, der über Herrn Kaufmann´s Stimme an mein Ohr dringt, nehme ich die Szenerie, wie durch einen samtenen Schleier wahr. Eine Arie ist schöner als die andere. Und auch Anita Rachvelishvili singt zum Niederknien bezaubernd. Mühelos füllt sie den Abend in der Rolle der stolzen, temperamentvollen Carmen, die zu guter Letzt in der Schlussarie in den starken Armen von Jonas Kaufmann stirbt.
Für die romantische Untermalung des konzertanten Geschehens, sorgen Scheinwerfer, die den Schlossinnenhof, insbesondere den Bereich um die Bühne herum mit farbigen Lichtern anstrahlen. Doch dazu muss es erstmal dunkel werden. Aber dann wird die Bühne mal in lila, dann in rot und pink getaucht. Wer spätestens jetzt nicht anfängt zu träumen, dem fehlt meiner Meinung nach jede Spur von Romanik.
Auch wenn mein persönliches Gesamterlebnis, trotz der Einzigartigkeit der Location, an diesem Abend nicht ganz so rund ist, genieße ich den lauen Sommerwind, das Ambiente des Schlossinnenhofes und das Gezwitscher der Vögel, die über meinem Kopf hinweg in den Gesang von Herrn Kaufmann trillernd mit einstimmen.
Als das Konzert nach den letzten drei Zugaben beendet ist, strömen die vielen Menschen von der Stahltribüne zurück in den Park des Schlosses. Mitlerweile ist es stockdunkel, der Park nur noch von Teelichtern und den angestrahlten Zelten und Loungebereichen erleuchtet. Die auf den Wiesen platzierten Tische sind erneut festlich eingedeckt und laden dazu ein, diesen märchenhaften Abend bei einem Gläschen Champus ausklingen zu lassen. Ein unvergesslicher Abend neigt sich dem Ende zu.
Aber die Fürstin zelebriert jetzt ganz bestimmt noch ein rauschendes Fest!