29. Januar 2025
Rubrik Oper
©Brinkhoff - Mögenburg / Hamburgische Staatsopper
Was für ein Segen, David Bösch als Regisseur dieser zauberhaften Inszenierung von Jules Massenets Oper "Manon" zu wissen, noch dazu in einer Besetzung, die soviel Lust, Laune, Vergnügen und Spaß macht, dass man sich kaum ein anderes Setting vorstellen kann.
Mit Elsa Dreisig in der Hauptrolle der Manon Lescaut wird dieser Abend zu einer champagnerperlend überschäumenden Schicksalsfahrt durch sämtliche Stationen eines aufregend schicksalhaften und dennoch erfüllten Lebens.
Von Nicole Hacke
Ja, Sie haben richtig gehört. Es ist ein erfülltes Leben, auch wenn die Protagonistin mit 16 jungen Lenzen an den Lebensstart geht, um just mit 20 Jahren ihrem kurzen, aber knackigem Dasein das Leben auszuhauchen.
Schließlich braucht man nicht erst alt und verbraucht sein, um eine Rückschau auf die persönlichen Erlebnisse und Erfahrungen machen zu dürfen.
Eine alte Seele kann ebenso jung in den Tod ziehen, denn oftmals liegt in der Kürze die eigentliche Würze. Bei Manon ist das der Fall! Liebevoll inszeniert, spürt man durch alle Bühnenbilder hindurch eine berührende Geschichte, die emotionale und atmosphärische Tiefe beweist, ohne sich im nostalgischen Zuckerguss zu verwässern.
Wenn David Bösch inszeniert, sind es immer die kleinen, aber äußerst feinen Details, die dem Stück charakterlichen Glanz, feinsinnige Tiefe und berührende Romantik verleihen.
©Brinkhoff - Mögenburg / Hamburgische Staatsopper
©Brinkhoff - Mögenburg / Hamburgische Staatsopper
Wie niedlich sind vor allem die zwischen den einzelnen Aufzügen eingeschobenen kinematographischen Sequenzen, die Manon immer wieder mit ihrer Katze zeigen.
Heiter, lebendig, ja fast schon quirlig, möchte man meinen, erlebt sich das Drama in den ersten beiden Stadien einer zart erblühenden Liebe, bis peu à peu die Lebenssituation der Manon eine entscheidend nachteilige Wendung nimmt.
Aus der einst unschuldigen, lebenshungrigen jungen Frau, der, wie ein Schwamm, nach aufregenden Erlebnissen dürstet, wird eine konsumsüchtige Frau, die bereits im 4. Aufzug verbraucht und desillusioniert wirkt.
Jedes Bühnenbild ist eine Welt für sich. Und doch weiß der Regisseur die Geschichte, so spannend wie das Leben selbst, mit detailverliebten Augenmerk zu gestalten.
Immer und immer wieder flimmert dabei die kleine Katze über die überdimensionierte Leinwand, munter und frei im Leben der Manon umherstreunend. Doch aus dem Streunen wird etwas Abtrünniges, das etwas "Zuviel" an Freiheit, was letztendlich den Tod der süßen Mieze bedeutet.
Aus den schwarzen Pfoten-Abdrücken im Schnee, sickern alsbald kleine Tropfen Blut, die zu einem Rinnsal werdend schlussendlich in einer Blutlache münden.
So wie der Katze ergeht es auch Manon, die erschöpft von ihrem hoffnungslosen Dasein, verbraucht und ausgehungert, ihrem Leben mit einem Gifttrank ein jähes Ende setzt.
©Brinkhoff - Mögenburg / Hamburgische Staatsopper
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Dass diese Geschichte, die so vielversprechend beginnt, einen so dramatischen Ausklang erlebt, will man kaum glauben, wenn man in das spätromantische Werk des Jules Massenet eintaucht, das einem wie ein rauschendes, unersättliches Fest vorkommt.
Musikalische Völlerei? Absolut. Denn man bekommt einfach nicht genug von diesem opulenten, einem sich überstülpenden Orchesterklang, der warm, weich, anschmiegsam und zuweilen in gewaltig überbordende Schönheit ausartet.
Noch schöner aber gestalten sich die Rollen der beiden Protagonisten Manon (Elsa Dreisig) und Chevalier de Grieux (Enea Scala), die gemeinsam auf der Bühne ein "unmögliches", aber unwiderstehliches Liebespaar abgeben.
Während de Grieux, der Bodenständige und Sittsame aus gutem Hause, zuerst fasziniert von der überquellenden Lebensgier seiner Manon ist, so resigniert und desillusioniert reagiert er letztendlich auf die maßlosen Eskapaden seiner konsumsüchtigen Liebe.
Es ist eine Amour Fou wie sie im Bilderbuche steht, nur viel nervenaufreibender, als man selbst gewillt wäre, so eine kranke Leidenschaft zu einem Partner in Kauf zu nehmen.
Elsa Dreisig, die sich in einer absoluten Glanzrolle wiederfindet, verzaubert das Hamburger Publikum mit einer jugendlichen Frische und bemerkenswert agilen Interpretation der Rolle.
©Brinkhoff - Mögenburg / Hamburgische Staatsopper
©Brinkhoff - Mögenburg / Hamburgische Staatsopper
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Leicht und duftig gestaltet die Koloratursopranistin ihre angenehm weichen Lyrismen, die sich biegsam und dynamisch elegant in schier ausufernde Höhen schrauben. Mädchenhaft klingt ihr samtweiches Timbre, dass wie perlende Klangtropfen ins Auditorium strömt.
Diese Stimme ist wie gemacht für diese versatile Rolle, die noch zu Beginn sehr viel ungestüme Zartheit präsentiert, um am Ende melancholische Saturation zu erfahren.
Es ist zu schön, um wahr zu sein, vor allem, weil man kaum glauben kann, dass bei so einer Vorstellung der hanseatische Musentempel nicht bis auf den letzten Platz ausgebucht ist.
Auch wenn diese Fassung der Manon Lescaut selten gespielt wird, so kann sie mit Puccinis Version locker mithalten. Viel eingängiger und süffiger ist doch die melodische Ausgestaltung des französischen Komponisten.
Ganz formidabel schlägt sich auch der leidgeplagte Chevalier de Grieux, der vom Tenor Enea Scala mit Inbrunst und Leidenschaft zum Besten gegeben wird.
©Brinkhoff - Mögenburg / Hamburgische Staatsopper
Seine Höhen sind glanzvoll, seine Mittellage ist elegant und seine Interpretation der Rolle ist einfach eine Wucht. Da spielt so viel elektrisierende Erotik mit, dass man sich gut an seinen Sitz festklammern muss.
Wenn zwei Künstler es verstehen, eine so bewegende Geschichte, so berührend und gleichermaßen fesselnd zu erzählen, dann ist es aufregend pulsierend.
Und am Ende versteht man die letzten Worte der Manon als packenden Flashback: "Das ist die Geschichte der Manon Lescaut." Und was für eine Geschichte das ist. Sehen und überzeugen Sie sich selbst!