Staatsoper Hamburg: Ermonela Jaho begeistert als Maria Stuarda mit zarten Lyrismen zum Dahinschmelzen

26. März 2025

Rubrik Oper

©Brinkhoff - Mögenburg - Staatsoper Hamburg

Diese Frau hat etwas Einzigartiges, Unverkennbares, das, was eine Opernsängerin so glasklar aus der Masse herausstechen lässt. Ihre Stimme mit diesen unverwechselbaren Höhen, die immerzu wie zartgesponnenes Gold im warmen Licht aufglimmt und sich zu funkelnder Brillanz entwickelt.

 

Das kann nur Ermonela Jaho, die dieser Tage an der Hamburgischen Staatsoper eine Maria Stuarda gibt, wie sie die Welt zuvor ganz sicher so noch nicht erlebt hat.

 

Von Nicole Hacke

 

Kaum zu beschreiben ist ihr intensives Rollenverständnis, in dass sie sich so tief versenkt, um es im nächsten Moment mit Leben zu füllen. Keine Geste ist hier überflüssig, jede Bewegung sitzt und hat Intention. Ihr Ausdruck verleiht der Maria Stuarda absolute Authentizität.

 

Dass ergreifend gejubelt wird, kann man sich gut vorstellen, denn diese Vorstellung rockt das Opernhaus am Gänsemarkt wie gerade keine andere.

 

Dabei kann man sich nur schwer in den inszenatorischen Plot hineindenken. So viel vergossenes Blut gleich zu Beginn, wo doch noch gar nicht sofort absehbar ist, dass es der Maria Stuarda an den Kragen gehen wird.

 

Da sieht man Elisabetta ein erlegtes Reh über die Bühne schleifen, blutüberströmt und von den Jagdhunden gerissen. Auch kinematografisch wird am blutigen Allerlei nicht gespart.

 

©Brinkhoff - Mögenburg - Staatsoper Hamburg

©Brinkhoff - Mögenburg - Staatsoper Hamburg

Immer und immer wieder präsentieren sich einem im Wechsel die Köpfe der Elisabetta und der Maria Stuarda. Mal klebt an der einen Blut, mal ist das Gesicht der anderen blutüberströmt. Dann wiederum bohrt eine Elisabetta nach Perlenketten in den fleischigen Eingeweiden einer zur Unkenntlichkeit zerfleischten Kreatur.

 

Was soll das alles bloß? Ist es Blutdurst, sind es die übertrieben dargestellten Rachegelüste einer Elisabetta, die doch am Schluss als Alter-Ego weinend, ja geradezu flennend vor der großen Königin von England kniet und ihr fatales Urteil über Maria Stuarda zutiefst bedauert.

 

So viele Alter-Egos wie in dieser Inszenierung zum Tragen kommen, hat es so in dieser Form auch noch nie gegeben. Sind es die mannigfaltigen Identitäten, die sich jeweils in Elisabetta und Maria Stuarda zu einem plausiblen Ganzen vereinen? Sollen damit die Gedankenströme der beiden Hauptakteure transparent gemacht werden?

 

Es ist ein Rätselraten, was uns diese Inszenierung sagen soll, die sehr düster, sehr mordlüstern und morbide daherkommt.

 

Das Setting hingegen passt phänomenal. Dieser graue Kasten, dieses Monstrum aus Beton, das in gigantischen Ausmaßen, das "Bühnenfeld" dominiert, signalisiert die Hoffnungslosigkeit und die Ausweglosigkeit gleichermaßen.

 

©Brinkhoff - Mögenburg - Staatsoper Hamburg

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Ein Kerker, aus dem es kein Entkommen mehr gibt; die absolute Trostlosigkeit, die jeder Hoffnung den Glanz nimmt. Es ist ein schwermütiges Grau, das die gesamte Bühnenfläche überzieht und an nichts anderes mehr denken lässt, als den Tod.

Ja, die wahre Geschichte der Maria Stuarda, Königin der Schotten, ist ein Jammertal des Schicksals.

Musikalisch im Belcanto verortet, wird den Sängern gleich von der ersten Sekunde an sehr viel technische Versatilität abverlangt. Wer da nicht vokalathletisch unterwegs ist, kann einpacken. Doch das muss an diesem Abend keiner.

Schließlich hat die Hamburgische Staatsoper eine hundertprozentige Trefferquote bei der Wahl der Cast gelandet.

Elisabetta, die von der Sopranistin Barno Ismatullaeva gegeben wird, schafft es, mit ihren flexiblen und stark biegsamen Koloraturen, höchste Höhen zu meistern und dabei sehr souverän zu wirken.

 

Sie verkörpert ihre dramatische Rolle ausgezeichnet. Kaltschnäuzig, gnadenlos und unnachgiebig verfolgt sie ihren blutrünstigen Plan der Ermordung ihrer ärgsten Rivalin und Feindin, Maria Stuarda.

 

©Brinkhoff - Mögenburg - Staatsoper Hamburg

©Brinkhoff - Mögenburg - Staatsoper Hamburg

Ermonela Jaho die als Widersacherin der englischen Königin ihre verletzlichen Seiten bewusst zur Schau stellt, erzeugt durch diesen akzentuierten Gegenpart Dynamik und Spannung im Handlungsverlauf. Unterschiedlicher können Königinnen nicht sein:

Die eine zartbesaitet und warmherzig, die andere brutal und kaltherzig. Dieser menschliche Kontrast macht diese Oper zu einem besonderen psychogrammatischen Appetithappen.

Lediglich Roberto (Long Long), der Geliebte der schottischen Königin, wirkt in seiner Rolle etwas zu larmoyant und zu wenig Mann. Sein Belcanto-Stil ist solide und verzaubert durch schöngesangliche Facetten.

Auch die Mezzosopranistin Aebh Kelly, die sich als Anna verdient macht, glänzt mit einem satten Timbre und eleganten Höhen. Orchestral wartet man zwar irgendwie auf eine höhepunktreife Dynamik, die sich noch nicht einmal im Schlussakt merklich entlädt.

 

©Brinkhoff - Mögenburg - Staatsoper Hamburg

©Brinkhoff - Mögenburg - Staatsoper Hamburg

Das mag aber sicherlich auch damit zusammenhängen, dass die Exekution der Maria Stuarda nicht sehr dramatisch ausfällt. Auf einem massiven Schreibtisch mit dem Rücken ausgestreckt liegend, fällt am Ende nur der Kopf der Maria Stuarda erschlaffend nach hinten über. Es ist eine unspektakuläre Andeutung einer Köpfung, die man sicherlich hätte eindeutiger gestalten können. 

Dass der Dirigent Antonino Fogliani diese Schlussszene musikalisch nicht eindrücklicher untermalt, liegt ganz sicher auch an der inszenatorischen Ausdeutung, die ein viel spektakuläreres Dirigat einfach nicht zulässt. Doch was zählt, ist das große Ganze. Und das große Ganze war wirklich groß!

 

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