Piotr Beczala heroisch strahlend und Angel Blue bezaubernd innig in märchenhafter Neuproduktion Aida an der Met

26. Januar 2025

Rubrik Oper

©Paola Kudacki / Metropolitan Opera New York

Die ersten Violinen-Töne aus Verdis epischem Meisterwerk Aida flimmern Pianissimo aus dem Orchestergraben zur überdimensionierten Bühne der Metropolitan Opera in New York hinauf, die in stockdunkle Finsternis getaucht, nur schemenhaft ein reliefiertes Mauerwerk erahnen lässt. Von der hohen Decke dringt ein laserscharfer Lichtstrahlt in das rabenschwarze "Etwas", dass sich nun eindeutig als antike Gruft entpuppt.

 

Während man noch fixiert auf das hell-gleißende Licht starrt, seilt sich plötzlich, wie aus dem Nichts, ein Indiana-Jones-Verschnitt wendig von der Decke in das düstere Innenleben herab. Auf der Suche nach archäologischen Funden, stößt der Mann nach kurzer Suche auf einen mit Edelsteinen und einem Skarabäus besetzten Dolch.

 

Von Nicole Hacke

 

Mir fröstelt leise, denn was der Mann, der suchend in dieser Grabkammer umherirrt nicht weiß, ist, dass Aida und ihr Geliebter Radamès genau an jenem schrecklichen Ort ihr Leben lassen mussten.


Zauberhaft inszeniert, schafft es der Regisseur Michael Mayer das Drama um die äthiopische Prinzessin Aida und dem ägyptischen Feldherren Radamès in historischem Glanz aufleben zu lassen, ohne sich dabei dem Kitsch zu verschreiben. Mit Liebe zum Detail ist so ein Bühnenbild entstanden, das  den Zuschauer in die Zeit der herrschenden Pharaonen entführt.

 

Dass es sich dabei um ein Kriegsdrama handelt, wird durch die Ästhetik der Bühnenbildsprache und der opulenten Kostüme weitestgehend übertüncht. Prächtig, mächtig und außerordentlich herrschaftlich wirkt der fast schon einschüchternde goldene Glanz, vom dem geblendet, ein fast schon kaltes Grauen ausgeht.

 

©Ken Howard / Metropolitan Opera New York

©Ken Howard / Metropolitan Opera New York

©Ken Howard / Metropolitan Opera New York

Tatsächlich täuscht die prachtvolle Inszenierung über die kriegerischen Auseinandersetzungen hinweg, die einen großen Keil zwischen zwei Herrschaftsgebiete und vor allem zwei Kulturen treibt.

 

Aida lebt in Gefangenschaft und wird als Sklavin am Hofe des ägyptischen Königs und seiner Tochter Amneris gehalten.  Hin- und hergerissen zwischen der Liebe zu ihrem Vater, ihrer Heimat und Radamès wird ihr Letztere schlussendlich zum Verhängnis.

 

Kulturelle Divergenzen überwinden, ist hier das große Thema, das so aktuell wie eh und je, Zündstoff für inszenatorische Interpretationsräume ist. Doch Mayer lässt sich von seiner verklärt konventionellen Märchenvorstellung nicht abbringen und bestückt die augenschmeichelnden Szenen mit Spannung, Intrigen und Drama pur.

 

Der Krieg rückt glorifiziert in die güldenen Tempelhallen, während sich das eigentliche Drama zwischen den Protagonisten Aida, Radamès, Amneris und Amonasro abspielt.

 

Und das es sich recht gut abspielt, beweisen die Sängerdarsteller ausnahmslos auf das Eindrücklichste, allen voran Angel Blue, die als personifizierte Aida nicht nur optisch passgenau auf die Rolle zugeschnitten scheint, sondern auch charakterdarstellend eine differenzierte Interpretation abliefert.

 

Gesanglich beeindruckt die künstlerische Leistung der US-amerikanischen Sopranistin zwar nicht auf Anhieb, erscheinen ihre dramatischen Höhen teils sehr forciert und Vibrato-lastig, was der Stimme einen nervösen, bisweilen hektischen Unterton verleiht.

 

©Ken Howard / Metropolitan Opera New York

©Ken Howard / Metropolitan Opera New York

Dafür liefert die Sopranistin in der Schlussszene des letzten Aktes ganz großes Kino ab. Während sich die im Sterben befindliche Sängerin den Todesengel herbeisehnt und im sauerstoffarmen Delirium über das Paradies fantasiert, öffnen sich für mich gleich tausend Himmel.

 

So innig, so zärtlich warm und mit einem leisen, nahezu fragilen Zauber versehen, der melancholische Züge von irisierender Textur freilegt, erobert sich Angel Blue die geballte Aufmerksamkeit des Publikums.

 

Mucksmäuschenstill scheint es nun im Auditorium der Met zu sein. Beschäftigt mit dem Lesen ihrer Lippen, hypnotisiert von diesem balsamischen, perlenreinen und jungfräulichem Gesang, wird man eingelullt in die Hoffnungslosigkeit des Moments, der im Sterben begriffen liegt.

 

Wenn da die Tränen nicht kullern, wenn es da nicht um einen geschehen ist, dann weiß ich auch nicht weiter.

 

Angel Blue jedenfalls singt sich gefühlt um den Verstand, in einen rauschhaften Zustand sowieso.

 

Das ist Magie, das ist ganz große Oper, das ist der Grund, warum Oper Herzen bewegen und Seelen um den Verstand bringen kann.

 

Und auch Piotr Beczala weiß, wie man das Publikum verführt. Gleich mit der hitverdächtigen Arie im ersten Akt "Celeste Aida" ist man hin und weg von der auf den Punkt genauen Performance.

 

Noch nicht mal vollständig aufgewärmt, gehen die Stimmbänder des Tenors dennoch sofort die Vollen, bäumen sich lyrisch zu absoluter Höchstleistung auf und schmeicheln dem Gehör mit samtigen Schmelz.

 

©Ken Howard / Metropolitan Opera New York

Wenn der Weltstar mit dem eleganten und zartschimmernden Timbre zu stentoraler Virilität ansetzt, kann man es fast nicht glauben, wie jugendlich sich seine Stimme immer noch anhört. Ohne Ermüdungserscheinungen strahlen die Lyrismen mitsamt dem Heroischen in einem Fort aus der Goldkehle des Künstlers in den Orbit des Auditoriums. Herrlich ist das und vor allem ein ganz großer Hörgenuss.

 

Grandios kann man auch die Interpretation des hawaiianischen Baritons Quinn Kelsey finden. Schließlich versteht es der Sänger, sich dem "Verdiesquen" glaubhaft anzunehmen. So bricht die Stimme just im Streit mit seiner Tochter Aida zu Ende der Phrase wutschäumend entzwei, was der authentischen Interpretation besonders zugute kommt.

 

Nachtblau und leicht hölzern, aber dennoch angenehm warmgolden leuchtet die sonore Kraft aus jeder vokalen Pore. 

 

Ein wenig enttäuschend gestaltet sich die Rolle der Amneris, die von der Mezzosopranistin Judit Kutasi dargeboten wird und weder Fisch noch Fleisch sein mag. Vielleicht aber liegt es an der starken Vibrato-Last, die der Stimme die Mitte nimmt. Zu enervierend klingt sie mir durch alle vier Akte.

 

Schön, dass sich dabei das Dirigat von Yannick Nézet-Séguin ganz klangteppichfein mit erzählerischer Leuchtkraft untermalend in das Geschehen einfügt. Aida an der Met sollte man einfach nicht verpassen! 

 

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