20. Februar 2025
Rubrik Oper
©Monika Rittershaus
Eintauchen in eine Welt der Illusionen, genau das gelingt in dieser fabel- und märchenhaften Inszenierung von Hoffmanns Erzählungen. Denn, wenn Kinderaugen glücklich leuchten und es den Erwachsenen ebenso ergeht, dann ist es außerordentlich gute Unterhaltung auf höchstem Niveau.
Im entferntesten Sinne erinnert die inszenatorische Umsetzung des Regisseurs Daniele Finzi Pasca an eine Zirkusnummer, die durch drei Akte hindurch bunt, schillernd, magisch, fesselnd und zum Teil diabolisch mysteriöse Züge annimmt.
Von Nicole Hacke
Ein bisschen Alice im Wunderland, ein wenig Zauberer von Oz. Die Mischung aus all dem machts und macht das Erlebnis Oper zu einem einmalig ästhetischen Spektakel.
Dass zwischen den Zeilen und den immer wieder umherschwebenden Darstellern unter der Bühnendecke auch noch ein wenig psychologisch Gehaltvolles versteckt sein könnte, wird erst auf den zweiten Blick offensichtlich.
Im Rausch des Alkohols gefangen, meint man, Hoffmanns Erzählungen entsprängen einem abstrusen Fantasiegebilde, das von drei Frauen personifiziert wird: Olympia, Antonia und Giulietta!
Allesamt Wesen aus einer anderen Welt, die uns auch im echten Leben unterkommen könnten. Natürlich nur im übertragenen Sinne, denn Olympia ist schließlich nur eine mechanische Puppe, die auf einer Spieluhr sich im Kreise drehend, eine Prachtarie in höchsten Tönen von sich gibt.
Ansonsten bekommt man aus der wortlosen Schönheit kaum etwas Gescheites heraus. Und Antonia, das traurige Schmetterlingswesen, das ihrer verstorbenen Mutter nachweint und selbst in depressive Zustände gerät, wenn ihr der einzige Lebensinhalt, das Singen, auch noch von ihrem Vater verboten wird.
©Monika Rittershaus
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Gefangen in einem Käfig aus Gold, verstummt Antonia und folgt am Ende ihrer Mutter in den Tod. Einzig Giulietta scheint eine Frau mit Power und Durchsetzungskraft zu sein. Aber auch sehr intrigant und gehässig.
Würfelt man nun alle drei Frauen wie einen Zutatencocktail zusammen, dann könnte das Geschmackserlebnis "Frau" auf eine Stella hinauslaufen, in die Hoffmann sein Sternenstaub-ähnliches Ideal zu finden meint. Am Ende aber bleibt ihm nur seine Muse, die als Nicklausse im Männergewand dem Trunkenbold treu und anhänglich stets zur Seite steht.
Hat Hoffmann sich all diese Episoden, die man sich, weiß Gott, nun wirklich nicht ausdenken kann, in diffusen Alkoholträumen zusammenfantasiert. Möglich wär´s. Denn wie gesagt, dem Bühnenbild und der Regie werden an der Hamburgischen Staatsoper absolut keine Grenzen gesetzt. Und das ist einfach umwerfend schön.
Spaß macht dieser Abend, vor allem aber wegen seiner Darsteller.
So beeindruckt ganz besonders und in herausragender Weise die formvollendete Interpretation von Leonardo Caimi, der erstmals an der Hamburgischen Staatsoper sein Debüt gibt. Und das mit einer Stimme zum Dahinschmelzen. Schließlich erklingt sie samtweich, warm und dennoch von eleganter Brillanz in den kristallklaren Obertönen.
Mehr noch, sie wirkt zu keinem Zeitpunkt, auch nicht zu späterer Stunde, angestrengt oder gar angekratzt. Frisch wie der Morgentau, zart schmelzend und in feinen Legato-Linien à la Italianità strömt das Vokalinstrument des italienischen Tenors mühelos und perfekt registerverblendend als gäbe es kein Morgen.
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Grandios ist auch sein schauspielerisches Vermögen, mit dem er überzeugend sein Publikum fesselt. Da verwundert es am Ende des dritten Aktes auch kaum, dass ein tobender Applaussturm durch das Parkett und die Oberränge fegt - und das minutenlang.
Ein Applausregen donnert ebenfalls auf die Sopranistin Caroline Wettergreen nieder, die als Olympia eine wahrhaft olympiareife Koloraturakrobatik an den Tag legt, dass man aus dem Staunen gar nicht mehr herauskommt. Sie ist aber auch zuckersüß, dieses Aufziehpüppchen, das mit ihrer mechanisch perfekten Stimmführung, Herzen zum Schmelzen bringt. Immer auf den Punkt, präzise, akkurat und so was von messerscharf prasseln die herrlich reinen Koloraturperlen stimulierend auf den Gehörgang ein.
Und das ist wahrlich eine Zirkusnummer mit doppelt und dreifachen Salti mortale zum Luft anhalten!
Amina Edris, die ebenfalls zum erstem Mal in Hamburg ihr Debüt an der Staatsoper gibt, verzaubert als bildschöner Schmetterling Antonia und vermag es in ihrer doch sehr larmoyanten Rolle, tiefen Schmerz und Leid über den Verlust ihrer Mutter authentisch ins Auditorium zu transportieren.
Nicht einfach zu singen und dennoch makellos und ausdrucksstark zugleich, gelingt der Sopranistin eine charakterstarke Interpretation, die sich einem eindrücklich ins Gedächtnis brennt.
Absolut glanzvoll schlägt sich der australische Bass Joshua Bloom, der in den verschiedenen Rollen des Lindorf, Coppélius, Dr. Miracle und Dapertutto eine grandiose Welt magisch böser Mächte verkörpert.
Sein ozeanisch tiefer Bass tut sein Übriges, um den schaurigen Effekt seiner gesanglichen Darstellung zu potenzieren.
Untermauert nur noch von seinem darstellerischen Talent, liebt und hasst man diesen ausgeprägten Charaktertyp gleichermaßen von ganzem Herzen.
©Monika Rittershaus
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Unglaublich motiviert und mit feuriger Verve am Taktstock, begeistert Kent Nagano auf musikalisch höchstem Niveau. Zauberhaft produzierte Klangteppiche, irisierender Farbenreichtum in süffigster Melodik und eine Baccarole, die beim Augenschließen, traumhafte Bilder von Venedig von dem inneren Auge vorbeiziehen lässt.
Da versteht ein Maestro sein Handwerk sehr geschickt und mit ausgesprochenem Fingerspitzengefühle.
Ein weiterer besonderer Abend, den man zelebrieren darf, denn an der Hamburgischen Staatsoper kann man sich vor allem an den intelligenten und mit Bedacht und Respekt ausgestalteten Inszenierungen erfreuen.
Weitere Vorstellungen am 26. Februar und am 1. März