Der Wahnsinn, diese magisch schöne Fanciulla del West in Top-Besetzung an der Staatsoper Hamburg

27. März 2025

Rubrik Oper

©Brinkhoff- Mögenburg / Staatsoper Hamburg

Selten wird sie an Opernhäusern gespielt, aber dennoch ist sie eine der berauschendsten Opern mit filmmusikalischer Untermalung der Superlative. Die Rede ist von Puccinis "Fanciulla del West". Doch diese Operngeschichte hat ein paar Haken:

 

Zum Einen hat sie ein grandioses Happy End, zum Anderen braucht die Komposition Puccinis ein Dirigat, das atmosphärische Klangteppiche erzeugen kann, inklusive einer Sängercast, die vor allem im Schauspiel eine Punktlandung hinlegen kann.

 

Von Nicole Hacke

 

Alle Kriterien werden an diesem Abend in der Hamburgischen Staatsoper auf besonders magische Weise erfüllt. Und noch dazu mit einer Top-Besetzung von A-Liga Stars, die einem allesamt das Herz und die Ohren aufgehen lassen - und zwar auf das Eindrücklichste.

 

In relativ schlichter und dennoch wirkungsvoller Ausgestaltung, macht das Bühnenbild zwar nicht so viel her, denn den Wilden Westen muss man sich ein bisschen hinzu imaginieren.

 

Dafür aber stimmt das A und O bei der darstellenden Zunft in allen Aspekten der künstlerischen Gesamtwirkung. Raubeinige Goldnugget-Sucher, eine Bardame, die ganz Vollweib ihren "Mann" steht, ein lüsterner Sheriff Rance, der nur darauf wartet, seine Herzdame Minnie für sich zu erobern - und sei es auch mit Gewalt.

 

Und ein stimmgewaltiger Bandito, der Minnies Herz zum ersten Mal in ihrem Leben zum Schmelzen bringt. In Wallung gerät man jedenfalls schon allein wegen dieser rauschhaften, dicht ineinander verwobenen Klangpoesie, die von einer so verlorenen Schönheit zeugt, dass man verklärt seufzend alle Augenblicke vor sich hin schmachtet.

 

©Brinkhoff- Mögenburg / Staatsoper Hamburg

©Brinkhoff- Mögenburg / Staatsoper Hamburg

La Fanciulla del West ist eine Liebesgeschichte, wie sie nur in Bilderbüchern stehen kann. Noch dazu mit so viel Spannung, Spiel, Romantik und Leidenschaft, dass man mit einem Tunnelblick nicht mehr rechts noch links sehen kann, so konzentriert liegt der Fokus auf der vorwärtspeitschenden Handlung, die sich wie ein roter Faden steigerungsintensiv im schlussendlichen Höhepunkt entlädt.

 

Und dabei stirbt noch nicht mal jemand.

 

Für Fans mit Vorliebe für Wild-West-Romantik ist genau diese Puccini-Oper das Non-Plus-Ultra.

 

Vielleicht ist sie sogar eine der besten Kompositionswerke, die Puccini jemals zu Papier und auf die Bühne gebracht hat. Zu meinem Favorit wird sie jedenfalls immer mehr, Tendenz steigend.

 

Doch bei aller Liebe zum Werk, seiner melodischen Süffigkeit, der expressiven Strahlkraft und dem charaktervollen Gehalt, die über die Musik transportiert werden, wird der orchestrale Rahmen durch das gestaltungsintensive Schauspiel von Gregory Kunde (Dick Johnson), Minnie (Anna Pirozzi) und Jack Rance (Claudio Sgura) erst zu dem, was er tatsächlich ist.

 

Wie im Film erlebt sich die Oper durch seine Darsteller noch viel konturierter und verzaubert mit Nostalgie, Charm und bösen Buben. Einer davon heißt Jack Rance, den der italienische Bariton Claudio Sgura besonders ausgeklügelt zum besten gibt. Allein schon diese Visage, die immerzu mies durch die Gegend guckt, macht Sgura in seiner Rolle zu einem unsympathischen Widerling. 

 

Nein, mit dem möchte man nun wirklich nichts anfangen wollen. Minnie, die Bardame, will das schließlich auch nicht. Doch leider ist ihr der schleimige Grapscher, der im 2. Akt recht handgreiflich, um nicht zu sagen brutal wird, immer wieder auf den Fersen, lässt nicht locker und nötigt der armen Unschuld, sympathieheischende Nettigkeiten ab.

 

©Brinkhoff- Mögenburg / Staatsoper Hamburg

Am Ende jedoch reißt dem geduldigen Vollweib der Kragen und ein Tritt in das beste Stück bleibt unausweichlich. Claudio Sgura kann den Fiesling nicht nur darstellerisch, sondern auch gesanglich grandios ausgestalten.

 

Mit kerniger Stimme, herrlich bronzefarbenen Tiefen und einer Saturation, die anmacht, lässt einen dieser Typ absolut nicht kalt, auch wenn einem zuweilen ein paar kalte Schauer den Rücken herunterlaufen. Sgura ist der passgenaue Macho für die undankbare Rolle des Kontrollfreaks, den er in seiner Funktion als Sheriff raushängen lässt.

 

Wunderbar macht sich auch Anna Pirozzi, die als Minnie ganz Frau und dennoch ein dufter Typ à la "Harte Schale, weicher Kern" ist.

 

Stimmgewaltig, insbesondere in den exponierten Obertönen, gelingt der Italienerin eine vokal ausdrucksstarke Performance, die man so schnell nicht vergisst. Gänsehautmomente lassen sich bei dieser satten und sehr üppigen Stimme nicht vermeiden. Doch ganz besonders beeindruckend und faszinierend spielt die temperamentvolle Bardame beim Kartenspiel mit Rance ihr Ass aus.

 

Diese Szene verursacht Herzflimmern. Schließlich ist das Erzittern der Streicher im Graben ein Indiz für aufgeregte Spannung. Und die potenziert sich ins schier Unermessliche, als Minnie am Ende durch einen geschickten Betrug, das Ass im Ärmel hat und es triumphierend auf die Matratze knallt.

 

So muss Oper sein, so muss sie einen fesseln und am Stuhl festbinden können und einfach nicht mehr loslassen. 

 

©Brinkhoff- Mögenburg / Staatsoper Hamburg

Wer das Publikum an diesem Abend auch nicht mehr loslässt, ist Gregory Kunde, der eine so außerordentlich fantastische Gesangsleistung abliefert, dass man sich fragen muss, wie ein so gestandener Tenor noch immer so jugendlich frisch und strahlkräftige Power mit seiner Stimme verströmen kann.

 

Und nicht nur das! Diese überbordende Intensität, diese stentorale Brillanz. Und dann dieser Schmelz, dieses herrliche Timbre, das sich über einen ergießt wie satter, fluider Honig.

 

Warmgolden und dennoch elegant, so klingt die Stimme des Gregory Kunde.

 

Selbstredend kommt man bei dieser ganzen musikalischen Geschichte natürlich auch nicht am Dirigat des Italieners Francesco Ivan Ciampa vorbei, denn wie dieser Mann es vermag, Puccinis Musik zum Leben zu erwecken, ist eine so glanzvolle Leistung, dass sie mit tobendem Applaus honoriert werden muss.

 

Dieser Abend, diese Fanciulla - ein Fest für die Sinne, für das Herz, für die Seele, für den absoluten Musikgenuss!

 

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