Sonya Yoncheva geht als Madame Butterfly unter die Haut

24. Februar 2024

Rubrik Oper

©Gianmarco Bresadola

Dieses Jahr jährt sich Giacomo Puccinis Tod zum 100sten Mal. Das mag ein Grund sein, warum seine Opern international derzeit verstärkt zur Aufführung kommen, vor allem in all jenen Häusern, in denen sie ohnehin zum Repertoire gehören.

 

Und so hat auch die Staatsoper Unter den Linden die Inszenierung der Madama Butterfly von Eike Gramms aus dem Jahr 1991 aus der Mottenkiste geholt.

 

Von Heike Franke

 

An diesem Dernièren Vollmondabend Unter den Linden denkt im Publikum sicher niemand darüber nach, wie verstaubt die ziemlich antiquierte Regie aus heutiger Sicht wirkt.

 

Auch das Bühnenbild – Pinkertons japanisches Haus auf einem Podest mit seinen Reispapierwänden, die immer wieder hin und her geschoben werden, und ausgestattet mit blassen Sitzkissen, zwei kleinen Schränkchen und wenig mehr – ist wahrlich kein Glanzstück.

 

Aber wen kümmert all das an einem Abend, an dem die Sänger:innen auch in Pyjamas über die Bühne trippeln könnten und keine:r es ernsthaft wahrnehmen würde ob der musikalischen Qualität, die hier geboten wird?

 

©Gianmarco Bresadola

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Puccinis Madama Butterfly steht und fällt mit der Besetzung – immer. Vor allem die Hauptrolle muss Großes leisten, steht sie doch nahezu unerlässlich auf der Bühne, hat in den knapp drei Stunden äußerst viel Anspruchsvolles zu singen, was Kraft und Stamina fordert.

 

Und auch emotional ist die Partie der Cio-Cio-San ein Ritt durch die Hölle, dem nicht jede Sopranistin gewachsen ist.

 

Sonya Yoncheva zeigt hier ihr ganzes Können, das eben nicht «nur» aus perfekter Technik, einer einzigartigen Stimme und großartigem Schauspiel besteht.

 

Vom ersten Ton an hat sie das gesamte Publikum eng an ihrem Herzen und führt es bis zum allerletzten Ton durch die großen Gefühle, das herzzerreißende Drama.

 

Kraftvoll spielt und singt sie diese hoch emotionale Partie, zeigt dabei alle Farbnuancen ihrer samtweichen bis hin zu dunkel messerscharfen Stimme.

 

Mühelos gleitet sie durch alle Register und gibt dabei der Cio-Cio-San eine neue Dimension mit, eine unbekannte Facette dieser viel gespielten Figur, in der schon früh eine Ahnung von Mut anklingt, der sich später stärker in die Verzweiflung der Kindfrau mischt und ihrer letztlichen Todesentschlossenheit große Wucht verleiht.

 

©Gianmarco Bresadola

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Doch nicht nur in Kraft und Stärke bleibt Yoncheva der Partie zu keinem Zeitpunkt etwas schuldig. Vor allem in den Pianissimo Momenten brilliert sie mit einer Million Obertönen, die ihre Stimme leuchten und gleichzeitig so unfassbar unter die Haut gehen lassen, dass kein Auge trocken bleibt.

 

Ihr zur Seite steht mit Natalya Skryzka in der Rolle der Zofe Zuzuki eine Partnerin, die stimmlich bestens zu Sonya Yoncheva passt.

 

Auch die persönliche Chemie zwischen den beiden Sängerinnen scheint stimmig – wie im übrigen im gesamten Ensemble. Skryzka komplementiert Yoncheva so perfekt, dass man sich wünscht, Puccini hätte den beiden Damen mehr Duette gegönnt.

 

Aber auch im Terzett zu vollem orchestralen Forte kann sich Natalia Skryzka stimmlich wunderbar behaupten und empfiehlt sich so für größere Rollen.

 

Tenor Stefan Pop gelingt es, die an sich eher unsympathische Rolle des Leutnant Pinkerton mit einigen Sympathiepunkten anzureichern.

 

Sein maskulines Timbre harmoniert wunderbar mit der Stimme von Sonya Yoncheva. Die wenigen Momente, die ihm bleiben, das Liebesduett im ersten und das kurze Arioso im dritten Akt, füllt er beherzt.

 

©Gianmarco Bresadola

Carles Pachón als Konsul Sharpless überzeugt mit besonderer Klarheit in der Bariton Stimme und ausgesprochen sympathischer Darstellung des armen Kerls als Überbringer schlechter Nachrichten.

 

Hervorzuheben ist auch der Frauenchor des Staatsopernchors, die mit zart-heller Farbe in den Stimmen die perfekte Illusion von Geisha-Kindfrauen ertönen lassen.

 

Domingo Hindoyan leitet das Orchester einfühlsam und mit viel Verständnis für diese hochemotionale Musik durch Puccinis Partitur. Offenbar hat der Maestro nicht nur einen guten Draht zu den Instrumentalist:innen, sondern auch den Sänger:innen besonders gut zugehört.

 

Man kann sich nur wünschen, ihn noch oft am Pult der Staatskapelle erleben zu dürfen.

 

Als der letzte Ton verklingt, bleibt es einen Moment lang still – so still, wie es erstaunlicherweise den ganzen Abend über war. Kein Hüsteln, kein Füße Scharren, kein Bonbonpapier Rascheln, sogar nur ein einziger Szenenapplaus (nach einer ganz besonders bewegenden Arie von Sonya Yoncheva)… Und das sagt eigentlich schon alles über eine Aufführung, bei der ich schon in der Pause viele verweinte Gesichter gesehen habe.

 

Doch dann bricht er sich Bahn, der tosende Applaus, die Bravi Rufe, und es geschieht das, was man in Opernhäusern fast nie erlebt: Das ganze Haus steht, vom dritten Rang hinab bis in alle Reihen des Parketts – zurecht.

 

Was bleibt als Fazit?

 

Überwältigung. Sprachlosigkeit. Das Erfülltsein von Gefühlen und Glück, das die auf der Bühne und

im Graben herbeigezaubert haben.

 

Und genau das, so muss Oper sein.


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