Der letzte Satz: Robert Seethalers persönliche Hommage an Gustav Mahler

24. Juli 2022

Rubrik Print & Medien

©Nicole Hacke / Operaversum

Der letzte Satz. Manchmal ist damit alles gesagt, mit einem einzigen letzten Satz. Man klappt das Buch zu und die Geschichte ist zu Ende. Aber nein! Den letzten Satz, den der Autor Robert Seethaler in seiner ganz persönlichen Hommage an Gustav Mahler anstimmt, ist in der klassischen Musik ein in sich geschlossener Teil eines musikalischen Werkes.

 

In diesem speziellen Fall weicht die verwirrend offensichtlich scheinende Eindeutigkeit des Romantitels einer Doppeldeutigkeit, bei der sich erst auf dem zweiten Blick herauskristallisiert, dass Seethaler auf die letzten verbleibenden Lebenstage des berühmten Komponisten anspielt.

 

An Deck eines Schiffes, das den kränkelnden Künstler auf den Weg von New York nach Europa zurückbringen soll, lässt der alternde Gustav Mahler noch einmal Fragmente seines Lebens Revue passieren.

 

Mit sich, den Wellen, der Stille, dem unendlichen Horizont und seinen Gedanken im Einklang, reflektiert der Komponist, hart mit sich ins Gericht gehend, die besonders bezeichnenden Momente und Ereignisse seines schöpferischen und privaten Lebens.

 

©Nicole Hacke / Operaversum

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Gespickt mit erinnerungswürdigen Lebensmosaiken, die im Laufe der Erzählung ein aufschlussreiches Bild ergeben, nähert sich Robert Seethaler behutsam und dennoch mit einer eindringlichen Tiefe der Persönlichkeit des Ausnahmekünstlers an.

 

So erfährt man, wie sehr Mahler schon als junger Mann unter seinen körperlichen Gebrechen gelitten haben muss, wie sehr er die Sommer in den Südtiroler Bergen geliebt und wie außerordentlich schmerzvoll ihn der frühe Tod seiner Tochter Maria getroffen hat.

 

Mit sich hadernd und um die verlorene Liebe seiner Ehefrau Alma wissend, verabschiedet sich Gustav Mahler bereits auf der Überfahrt nach Europa gedanklich von seinem Leben, an dem nicht viel mehr hängt als der Schmerz über die Vergänglichkeit und die Trauer um die verwirkten und nicht realisierbar gewordenen Träume.

 

Robert Seethaler, der sich bereits mit seinen Romanen "Ein ganzes Leben", "Der Traffikant" und "Das Feld" in den literarischen Bestsellerlisten einen Namen gemacht hat, ist ein meisterhafter Erzähler, der es wahrlich schafft, auf nur 125 Seiten ein ganzes Leben zu komprimieren und die Essenz des privaten Gustav Mahler auf das Konturierteste herauszubilden.

 

©Nicole Hacke / Operaversum

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Wenn rare Ausschnitte eines reichen, schöpferisch kreativen und schicksalhaften Lebens so eindringlich, so emotional spürbar in Worte gekleidet werden können, dann ist es nicht nur Poesie, sondern eine Wortmelodie, die sich besonders klangvoll durch alle Kapitel dieses Buches zieht.

 

Sicherlich kann diese Lektüre keine vollumfänglich detaillierte und fachlich fundierte Biografie des Komponisten ersetzen.

 

Will man jedoch einen Blick hinter die Fassade des Künstlers Gustav Mahler werfen, um dort den Menschen mit all seinen Facetten und Eigenarten zu entdecken, dann ist es Robert Seethaler in jedem Fall gelungen, ein emotional vielschichtiges Künstlerporträt mit wortmalerischer Präzision zu zeichnen.

 

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©Nicole Hacke / Nicole Hacke

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