16. November 2023
Rubrik Style-to-Opera
©Nicole Hacke / Operaversum Magazine - l. Eva Stöckl (Kleidermacherin und Landessiegerin des Lehrlingswettbewerbs),r. Geschäftsführerin Hildegund Schirlbauer
Das Heimatwerk in Salzburg ist seit 1946 die erste Adresse, wenn es um Trachten geht. Dort entstehen mit viel Liebe zum Detail und handwerklicher Leidenschaft Dirndl-Träume aus hochwertigen Zutaten: Mit sage und schreibe 1.500 Stoffvarietäten sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt. Ob Biobaumwolle, Brokat, Jacquard, Viskose, Seide oder gar Seidenwollgemische, Qualität trägt hier ein Siegel, das auf der Bewahrung traditionellen Kulturguts aufbaut.
Im Gespräch mit der Geschäftsführerin des Salzburger Heimatwerks, Hildegund Schirlbauer und Eva Stöckl, Damenkleidermacherin und Landessiegerin des Lehrlingswettbewerbs, kristallisiert sich deutlich heraus, dass die Tracht im Zeitgeist der Moderne absolut zeitlos geblieben ist sich im Wandel der Zeit modisch nicht verbiegen muss.
Dabei sind die drei wichtigsten Heimatwerk-Gebote: Qualität, Authentizität und Nachhaltigkeit.
Operaversum: Liebe Frau Schirlbauer, wo beziehen Sie die vielen Stoffe für das Heimatwerk her?
Hildegund Schirlbauer: Was unsere Seidenstoffe betrifft, beziehen wir den Großteil von einer der letzten Seidenwebereien in Österreich. Das ist die Firma Flemmig, die in Wien ansässig ist und die für unsere individuellen Bedürfnisse entsprechende Stoffqualitäten liefert, wie beispielsweise reine Seiden, aber auch Seidenwollmischungen, je nachdem wie wir die Stoffzusammensetzungen für unsere jeweiligen Dirndlkollektionen benötigen.
Operaversum: Das bedeutet, Sie arbeiten ausschließlich mit hochwertigen Stoffen?
Hildegund Schirlbauer: Ja, auf jeden Fall. Und vor allem arbeiten wir mit Naturmaterialien. Unser Stoffsortiment setzt sich überwiegend aus Seidenstoffen in allen Varianten, Brokat, Jacquard, Leinen, Viskose, Wolle und Seidenwollgemische zusammen. Die Hochwertigkeit der Stoffqualitäten hat eben auch großen Einfluss auf das Tragegefühl und den perfekten Sitz eines Dirndls. Deshalb sind alle unsere Dirndl mit Baumwollstoffen gefüttert. Für die Gastronomie, die wir ebenfalls einkleiden, sind die Dirndl sogar zu 100 Prozent aus Baumwolle gefertigt.
Operaversum: Und wie muss ich mir den Entstehungsprozess eines Dirndls bei Ihnen vorstellen? Wie entwickeln Sie eine auf die individuellen Bedürfnisse ihrer Kunden abgestimmte Tracht?
Hildegund Schirlbauer: Der Prozess ist so, dass die Kundinnen, die zu uns kommen, eine individuelle Beratung von unseren Schneiderinnen erhalten. Dabei hinterfragen wir den Anlass, zu dem das Dirndl getragen werden soll und ob es eine historisch inspirierte oder modische Tracht sein soll.
Wir haben nämlich ein von uns publiziertes Trachtenbuch, das uns als Nachschlagewerk und Vorlage für die Anfertigung von Maßdirndln dient. Sie müssen wissen, dass in Österreich jeder Gau seine eigene Trachtenkultur pflegt, was bedeutet, dass es dort für die Damen jeweils eine Alltagstracht und eine Festtracht gibt.
Ganz früher war es sogar festgeschrieben, in welchem Grünton die Tracht zu tragen war und welchen Schnitt sie haben musste. Mittlerweile haben sich aber die Vorschriften gelockert, was bedeutet, dass auch in den Trachtenvereinen keine Uniformität vorherrschen muss.
Jeder aus seiner Familie darf die Tracht tragen, die von der Mutter beziehungsweise Großmutter vererbt oder weitergegeben wurde. Und ich denke auch, dass die jungen Leute die Tracht wieder mehr schätzen können, wenn sie wissen, dass ein Dirndl auch modischer sein darf.
©Nicole Hacke / Operaversum Magazine
©Nicole Hacke / Operaversum Magazine
Operaversum: Haben Sie denn in Salzburg für die traditionellen Trachten eine große Abnehmerschaft?
Hildegund Schirlbauer: Tendenziell nimmt die Nachfrage nach traditionellen Trachten ab, denn der Trend geht eher zum individuell gefertigten Dirndl. Wie bereits erwähnt, erfragen wir bei unseren Kundinnen die individuellen Wünsche, was Schnitt und Farbauswahl betrifft.
Operaversum: Und da sind den Möglichkeiten wirklich keine Grenzen gesetzt?
Hildegund Schirlbauer: Nein, denn auch die Tracht geht mittlerweile mit der Mode. Wichtig ist natürlich schon, der Kundin die bestmögliche Beratung zuteil werden zu lassen. Insofern würden wir nie einen Rock oder Schürzenstoff empfehlen, der sich aufgrund seiner Schwere nicht für das Dirndl eignet.
Da ist die Stoffbeschaffenheit für den Sitz und den Fall des Dirndls ausschlaggebend. Was wir auch immer berücksichtigen, ist der Ausschnitttyp. Sind Knöpfe oder Haken gewünscht. Möchte die Kundin lieber einen Miederschnitt oder einen Abnäherschnitt. Oder doch ein Dirndl mit Verschnürung?
Operaversum: Wie lange dauert denn der Entstehungsprozess eines individuell gefertigten Dirndls?
Hildegund Schirlbauer: Im Schnitt brauchen wir für die Fertigung eines ganz normalen, schlichten Dirndls ca. 13-15 Stunden. Das beinhaltet die Fertigung des Schnittes, zwei Anproben und dann noch die eventuellen Abänderungen sowie die finale Fertigstellung.
Aufwendiger wird es dann noch, wenn wir zusätzlich mit Verzierungen, wie Stickereien, Borten und Rüschen arbeiten. Das müssen wir dann alles von Hand aufnähen, was sehr zeitaufwendig ist. Und allein bei den reinen Seidendirndln arbeiten wir bis zur zweiten Anprobe mit der Hand. Erst wenn danach alles passt, kommt die Nähmaschine zum Einsatz.
Operaversum: Mit wieviel Vorlauf bestellen Ihre Kunden ein Dirndl für die Festspiele?
Hildegund Schirlbauer: Sobald die Kundin weiß, dass Sie beispielsweise im August zu den Festspielen im Dirndl kommen will, ordert sie meistens schon bei uns um Pfingsten herum, denn Abmessungen und Anproben müssen schließlich zeitlich mit eingeplant werden.
Ansonsten geht sich das nicht aus. Aber bei einer Familie haben wir mal Mutter und Tochter mit jeweils einem Dirndl innerhalb von 2 Wochen bedienen können, was aber auch nur möglich war, weil sich beide mit genügend Vorlauf bei uns angekündigt hatten. Und da konnten wir Ihnen das Zeitfenster von 2 Wochen für die Fertigstellung einräumen. Das hat in diesem Fall tatsächlich funktioniert.
©Nicole Hacke / Operaversum Magazine
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Operaversum: Gab es in Salzburg jemals eine Zeit, in der das Dirndl weniger populär war und es auch nicht so viel getragen wurde?
Hildegund Schirlbauer: Es hat immer Auf und Abs gegeben. Ab 2017 ist es aber wieder richtig modern geworden, Tracht zu tragen. Und selbst die jungen Leute sind abends wieder im Dirndl ausgegangen. Davor ging man lieber mit Jeans und Laiberl ins Festzelt.
Aber jetzt ist es mittlerweile wieder cool, wenn man mit Turnschuhen und Dirndl auf ein Fest geht und das Ganze dann modisch mit einer Jeans- oder Lederjacke kombiniert wird.
Denn schließlich soll es ja auch für die jungen Menschen tragbar sein. Wenn sich nämlich ein Bursche nicht in den Haferlschuhen wohlfühlt, dann soll er doch bitte Sneakers zur Tracht anziehen oder seine Tracht einfach mit einem T-Shirt aufpeppen.
Operaversum: Also bricht die Tracht nicht nur in den Farben und Stoffkombinationen auf, sondern auch in der Art und Weise wie man Tracht heutzutage stylt?
Hildegund Schirlbauer: Absolut! Es gibt sogar einen großen Unterschied wie die Bayern im Vergleich mit den Salzburgern ihre Tracht tragen und kombinieren. Zum einen erkennt man das bei den Bayern am "schiefen Hut" oder der Art und Weise, wie sie ihre Stutzen tragen.
Darüber hinaus tragen die Bayern die dunkleren Lederhosen mit den grünen Stickereien und den Quasten an der Seite, was sehr überladen ist. Das ist ein ganz anderer Stil als hierzulande. Bei uns tragen die Männer die Lederhose mit Gürtel anstatt mit Latz, also viel sportlicher und weniger traditionell.
Man kann einen Salzburger leicht von einem Bayern unterscheiden. Und in der Steiermark werden die Farben ebenfalls anders kombiniert, Tracht wird dort noch als traditioneller erachtet und ein kurzes Dirndl geht dort überhaupt nicht. Ausschließlich lange Dirndl werden dort getragen. Aber was die Festspiele anbelangt, würde ich meinen Kundinnen immer zu einem langen Dirndl raten.
©Nicole Hacke / Operaversum Magazine
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Operaversum: Steckt hinter dem Heimatwerk eine Gründerfamilie?
Hildegund Schirlbauer: Nein. Wir sind eine Genossenschaft, die über das Jahr erwirtschaftete Einnahmen an die Genossenschaftsmitglieder ausschüttet, sondern diese direkt wieder in das Unternehmen investiert. Letztendlich sind wir ein ganz normales Einzelhandelsunternehmen, das gewinnorientiert arbeiten muss, aber immer mit dem kulturellen Auftrag im Fokus.
Operaversum: Sind Sie denn tatsächlich das einzige Trachtengeschäft im alpenländischen Raum, das sich noch an den traditionellen Trachten orientiert?
Hildegund Schirlbauer: Nein. Wir sind das einzige Trachtengeschäft mit so einer großen Auswahl an Stoffen. Das kann man mit Sicherheit behaupten. Schließlich haben wir 1500 Stoffe in unserem Sortiment. Aber es gibt natürlich noch kleinere Schneidereien, die sich auch immer noch an den traditionellen Trachten orientieren.
©Nicole Hacke / Operaversum Magazine - l. Eva Stöckl (Kleidermacherin und Landessiegerin des Lehrlingswettbewerbs)
Operaversum: Was bedeutet Ihnen die Tracht ganz persönlich?
Eva Stöckl: Da ich ursprünglich aus dem Pinzgauer Land komme, hat das Dirndl für mich nochmal eine ganz andere Bedeutung, vor allem, wenn man es, so wie ich, selber nähen kann. Für mich steckt in der Tracht und ganz besonders im Dirndl das, was man als Seele bezeichnen könnte.
Hildegund Schirlbauer: Das Dirndl gehört für mich zum Alltag einfach dazu, auch schon lange bevor ich hier meine Arbeit als Geschäftsführerin im Heimatwerk aufgenommen habe.
Meiner Meinung nach ist man im Dirndl einfach immer gut angezogen. Mit einem Dirndl kann man, egal, ob es sich um einen festlichen Anlass oder eben nur um ein Straßenfest handelt, überall hingehen. Und das funktioniert nicht mit jedem Kleidungsstück.
Operaversum: Und macht man nicht auch immer eine gute Figur im Dirndl?
Hildegund Schirlbauer: Absolut! Das Dirndl schmeichelt jeder Frau an den jeweils richtigen Stellen.
Operaversum: Dann brauchen wir tatsächlich alle ein Dirndl. Ich bedanke mich recht herzliche für das informative und sehr aufschlussreiche Gespräch mit Ihnen, Frau Schirlbauer!