Fatma SAid überrascht mit besonderen Barockperlen in der Elbphilharmonie

09. März 2023

Rubrik Konzert

©James Bort / Warner Classics

Fatma Said ist immer für eine Überraschung gut, ob es nun darum geht, Brücken zwischen westlicher und orientalischer Musik zu schlagen oder aber ein tanzbares Potpourri bestehend aus klassischer und moderner Musik auf nur einer CD zu vereinen. 

 

Wenn sich die junge Sopranistin an ihre musikalischen Projekte heranwagt, dann muss es scheinbar immer das außergewöhnlich Andersartige sein. So auch an diesem Abend in der Hamburger Elbphilharmonie. Dort nämlich reihen sich seltene ariose Barockperlen auf eine feingliedrige Kette der wirklich alten Musik.

 

Mit Giovanni Antonini und dem Ensemble des Giardino Armonico steht die charismatische Schönheit zum ersten Mal auf der Bühne und feiert eine wahrhaft fulminante Premiere mit besonderen Sahnestücken von Antonio Vivaldi, Claudio Monteverdi und Joseph Haydn.

 

Dass dabei der Originalklang des Orchesters die erste Geige spielt, wird sofort offensichtlich, denn anstatt eines Fortepianos steht ein Spinett auf der Bühne. Auch alle anderen Instrumente, die sich aus Harfen, Violinen, Violoncello, Kontrabass und Cembalo zusammensetzen, wirken in die Jahre gekommen, wenn sie nicht sogar schon uralt sind.

 

Und das kann man sofort hören: Ein Klangbild wie aus dem Märchenbuch längst vergangener Tage - höfischer Tage wohlgemerkt. Denn eine ausgelassen feiernde Gesellschaft kann man sich in diesem musikstilistischen Kontext sehr gut imaginieren.

 

©James Bort / Warner Classics

Doch zum Auftakt erlebt der Zuhörer ein e-Moll Konzert des Komponisten Antonio Vivaldi, das sehr reduziert lediglich auf Streicher und Kontrabass ausgelegt ist. Obgleich die Fugenform hörbar zu vernehmen ist und der Barock tonal aus allen Poren transpiriert, zeigt sich mir deutlich, dass die mir meistens gestelzt und gekünstelt erscheinende Musikform tatsächlich mehr als nur unterhaltsam untermalendes Beiwerk festlicher Aktivitäten war.

 

Die Musik transportiert durch das Dirigat von Giovanni Antonini wahrhafte Emotionen, lamentiert und wirkt zuweilen fast schon etwas düster und undurchdringlich dunkel. Das mag zum Teil an dem rauen und dumpfen Klang der Instrumente liegen. Aber vielmehr liegt es wohl am Charakter der Musik, mit der Klangfarben erzeugt werden, die primär so dermaßen molldurchdrungen sind, dass man die Klagelaute der Ariadne auf Naxos mit jedem weiteren Ton klar und deutlich vernimmt.

 

Tatsächlich dekliniert sich an diesem Abend die griechische Mythologie mit ihrer Protagonistin Ariadne in musikalischer Form durch alle Werke der zuvor genannten Komponisten. 

 

Fasziniert von der Frauenfigur, die verstoßen von ihrem geliebten Theseus nun auf der Insel Naxos ihr einsames Dasein fristen muss, mäandert die unwirkliche Musik durch unseren gegenwärtigen Kosmos und lässt uns für die Zeit des Konzerts tiefer und tiefer in die mythologischen Geheimnisse und Traumwelten der griechischen Antike einsteigen.

 

Es fühlt sich ein wenig wie eine Reise an, auf der die Sinne herausgefordert und dennoch auf magische Weise angenehm stimuliert werden.

 

©Marco Borggreve / Giovanni Antonini

Mit jeder weiteren Sonate und mit jedem weiteren Konzert lässt man sich als Zuhörer mit ungeteilter Aufmerksamkeit auf die ungewohnten Klänge ein und fühlt sich dabei förmlich zurückversetzt in die musikepochale Vergangenheit, die eigentlich fremd, aber durch das dynamische Dirigat von Giovanni Antonini dennoch überaus jung geblieben wirkt.

 

Dass Fatma Said dem ganzen die Krone aufsetzt, scheint wenig überraschend, obgleich sie mit dieser Kompilation sowohl thematisch als auch genretechnisch für große Überraschungsmomente sorgt.

 

Überraschen tut übrigens auch ihre Stimme, die, wenn man sie nur von Tonträger kennt, tatsächlich diesen entrückten, feenhaften Klangzauber vermittelt. Leicht und duftig, seidenzart schimmernd verselbstständigen sich die Töne der Sopranistin mit honiggoldener Textur in ausufernd satte Legati und höhlen auch den letzten Winkel des Auditoriums klangvoll aus. 

 

Fatma Said ist mit einer Naturstimme gesegnet, die unangestrengt und irgendwie gar nicht gestützt klingt, so als ob es wenig Kraft kostete, sich in die exponierten Tonregister zu bemühen.

 

©Lukasz Rajchert / Il Giardino Armonico

Mühelos schimmern die Töne klangfarbensatt wie irisierend schäumende Perlen auf der vokalen Oberfläche. Schnelle Läufe, Ribatutte, die dem zarten flimmernden Flügelschlag einer Libelle gleichen, munden dem Hörgenuss einfach nur köstlich.

 

Es ist absolut herrlich, balsamisch und extrem entspannend mit Fatma Said in sphärischer Schwerelosigkeit zu verharren und der Zeit ihre Zeitlosigkeit zurückzugeben, auch dann, wenn Chronos wieder anfängt, an der Uhr zu drehen und Fatma Saids Stimme in schnellen Läufen vor prickelndem Esprit überschwappende Eleganz versprüht.

 

Nicht eine Sekunde wird das Vokalinstrument der Sängerin müde. Erfrischend und jugendlich strahlend erklingt eine Arie schöner als die andere. Aber dann verrinnt die Zeit doch noch und lässt am Ende des Abends ein staunendes Publikum zurück, dass sich nicht satthören kann und will.

 

Applausstark und beinahe schon donnerschwer ergießen sich die Begeisterungsbekundungen über der kongenialen Musikgemeinschaft. 2 Zugaben müssen her, von der sich Letztere schwelgerisch dem italienischen Dolce Vita hingibt.

 

"Wundervoll", bekundet ein begeisterter Konzertbesucher lautstark, nachdem Fatma Said die Zuschauer mit "Senza Fine" einmal mehr auf eine traumhafte Musikerlebnisreise entführt hat. Und dann brechen sich Jubel und hemmungsloser Applaus wieder Bahn. Das war ein unvergesslicher Abend, der noch in der Erinnerung lange nachhallen wird. 


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