Deutscher Theaterpreis Der Faust 2023: GAnz große Show im Thalia Theater in Hamburg

27. November 2023

Rubrik CD Tipps & Literatur

©Deutscher Theaterpreis DER FAUST - Felix Knopp / Thalia Theater Hamburg /Barbarella Entertainment

Theater, Theater der Vorhang geht auf... sang einst Katja Ebstein. Auf geht er auch am heutigen Abend im Thalia Theater in Hamburg. Dort nämlich ist Showtime angesagt, wenn es heißt: Und der Preis in der Kategorie... geht an...!" 

 

Felix Knopp, Ensemblemitglied am Thalia Theater, führt dort durch einen berauschenden Abend, der nominierte Künstler und Kunstschaffende auf den Plan ruft, denn es ist mal wieder soweit für die Verleihung des deutschen Theaterpreises "DER FAUST".

 

Am gelben, nicht roten Teppich vor dem Eingangsbereich dringt bereits überschwappend schwadronierendes Gesumme aus dem Foyer. Nathalie O´Hara, die Schauspielerin, die sich als Wirtin in Ellmau am Wilden Kaiser in der ZDF-Serie "Der Bergdoktor" einen Namen gemacht hat, steht wie ihre leibhaftige Namensvetterin Scarlett O´Hara aus dem epischen Filmklassiker: "Vom Winde verweht" am Treppenaufgang zum ersten Rang und posiert im Blitzlichtgewitter der fleißig knipsenden Fotografen.

 

In einem bodenlangen karmesinroten Kleid macht die zierliche Erscheinung eine besonders aparte Figur, die so schnell wie sie da eben noch auf dem Treppenabsatz ästhetische posierend in die Kameras lächelt, auch schon wieder ganz fluchs verschwunden ist. Im Foyer wird das Gesumme und ausgelassen fröhliche Geschnatter immer lauter. Das Haus, die Ränge, alles füllt sich mit Menschen, die sich in einem kunterbunten Allerlei aus extravagantem Geschmeide miteinander vermengen.

 

©Deutscher Theaterpreis DER FAUST - "BAROCCO" / Thalia Theater Hamburg /Barbarella Entertainment

Bunt, schillernd, schrill und ausgefallen, ja, das ist die Theaterwelt, in die man staunend eintaucht und in der man sich mit großem Vergnügen verliert.

 

Im Gemenge der Massen wird es nun immer enger. Man schiebt sich an bekannten Schauspieler:innen wie Fritzi Haberlandt oder Rufus Beck vorbei, sichtet den eigenwilligen Kommissar aus der Fernsehserie "Solo für Weiss" und genießt letztendlich das Getümmel, in dem man so prominent untergeht.

 

Der Abend verspricht glanzvoll zu werden. Und das Spektakel im Foyer scheint auch im Auditorium seine Fortsetzung zu finden. Et voilà: Diese Verleihung ähnelt in allen Aspekten einem Gesamtkunstwerk künstlerisch vielfältiger Schaffenskraft.

 

Mit Kirill Serebrennikovs musikalischem Manifest "BARROCO", das Kompositorisches von Bach, Händel, Monteverdi, Purcell und Vivaldi zu einer einzigartigen Show aus Schauspiel, Tanz, Kinematografie und klassischem Gesang verknüpft, erlebt der Zuschauer ein fantasievolles Barockwerk mit Hang zum Exzessiv-Schönen, das thematisch von den Freiheitssehnsüchten der 68iger Jahre kontrastiert wird.

 

Fragmente aus diesem üppigen "Regiewerk" werden zwischen die einzelnen, nahezu unzähligen Nominierungskategorien formschön eingeschoben.

 

Und tatsächlich alles, was die Theaterwelt ausmacht, wird nominiert: Ob Tanz, Schauspiel, Musiktheater, Raum, Ton und Medien oder aber Kostüm, Genrespringer sowie Theater für junges Publikum, das Ganze künstlerische Gedeck, das sich noch dazu unterteilt in Inszenierung und Darstellung, findet an diesem heutigen Abend im Thalia Theater Beachtung und Würdigung.

 

©Deutscher Theaterpreis DERFAUST - Fundus Theater/ Thalia Theater Hamburg /Barbarella Entertainment

©Deutscher Theaterpreis DER FAUST - Felix Knopp / Thalia Theater Hamburg /Barbarella Entertainment

Auch das Musiktheater kommt dabei nicht zu kurz. Vera-Lotte Boecker, die für ihre extrovertiert mutigen Interpretationen in progressiven Werken bekannt ist, erhält "den Faust" für ihre bahnbrechende gesangliche und schauspielerische Leistung als Nadja in Bluthaus an der Bayerischen Staatsoper.

 

Fritzi Haberlandt, die sich vor Freude über ihre Auszeichnung in der Kategorie Schauspiel kaum einkriegen kann, sprudelt vor überbordender Energie und bekundet mit Augenzwinkern gegenüber dem enthusiasmierten Publikum, dass sie sich durchaus vorstellen könne, auf der Bühne des Thalia Theaters irgendwann mal zu sterben.

 

Nun - schließlich nahm ihre Schauspielkarriere auch an diesem wundervollen Ort erst so richtig Fahrt auf!

 

Neben anderen bedeutsamen Kategorien, den Auszeichnungen für Kostüm, Ton und Medien, schließt der Abend mit einem besonderen Highlight ab:

 

Der Ehrenpreis für das Lebenswerk geht an den Operndramaturgen Professor Klaus Zehelein, der sich insbesondere an der Staatsoper Stuttgart als Opernintendant in der Zeit von 1991 bis 2006 für seinen progressiven Ansatz der Operndramaturgie verdient gemacht hat. 

 

Die Laudatio hält kein anderer, als der für seine politisch gefärbten, oft kontrovers gehandelten Operninszenierungen bekannte Regisseur Kirill Serebrennikov, der das Werk Zeheleins, ebenso wie dessen Mut immer neue Wege beschritten zu haben, in einer Tour lobt.

 

©Deutscher Theaterpreis DER FAUST Prof. Klaus Zehelein / Thalia Theater Hamburg /Barbarella Entertainment

©Deutscher Theaterpreis DER FAUST Prof. Klaus Zehelein und Kirill Serebrennikov / Thalia Theater Hamburg /Barbarella Entertainment

Zehelein selbst bedankt sich für die Ehrung und entlässt das applaudierende Publikum mit folgenden scharfsinnigen Worten: "Wer als Künstler nicht nach den Sternen greift, braucht erst gar kein Künstler werden!"

 

Das Weichspülen neuerer Opernproduktionen, das Themen rund um die brisanten Genderfragen, Me-Too-Debatten, Rassismus und dergleichen aus den jeweiligen Werken ausradieren soll, hält er schlichtweg für fragwürdig und nicht praktikabel, undenkbar sogar. Denn was wäre die Kunst, ohne die Freiheit, bei eben solch kritischen Diskursen nicht den Finger in die Wunde legen zu dürfen.

 

Das Theater ist nun Mal ein Spielfeld der Kontroversen, die es gilt auszuhalten Auch ist Theater dafür gemacht Uneindeutigkeiten auszuhalten und es als Bühne für Interpretationsspielräume zu nutzen. 

 

Was wäre die Welt ohne das Theater? Bestimmt kein so kunterbunter Querschnitt durch alle sozialkulturell facettierten Gesellschaftsformen.

 

Nachdem sich die Preisträger  bei musikalischer Untermalung noch ein letztes Mal auf der Bühne versammeln, begeben sich bereits die ersten Zuschauer in Richtung Foyer. Dort nämlich wird auch noch lange nach dem ganz großen Theaterspektakel auf der Hauptbühne bei Sekt, Wein und allerlei leckeren Häppchen der deutsche Theaterpreis gebührend gefeiert - ein Nebenschauplatz, an dem Pailettenkleider funkeln und der Jahrmarkt der Eitelkeiten ein wenig selbstverliebt strahlt.

 

Aber was soll´s. Schließlich wird das Fundament des Menschseins ausgiebig zelebriert. Und dafür sollte sich die Kultur nie zu schade sein. 

 

©Deutscher Theaterpreis DER FAUST - "BAROCCO" / Thalia Theater Hamburg /Barbarella Entertainment


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