Berliner Philharmoniker und Jonas Kaufmann bringen Wagners Musik am Silvesterabend zum Glühen

31. Dezember 2023

Rubrik Konzert

©Monika Rittershaus

An diesem Samstagabend, den 30. Dezember 2023, ist die Berliner Philharmonie wieder bis auf den letzten Platz ausverkauft. Heute wird das mittlere der 3-tägigen Konzertserie gespielt, die ganz der Musik von Richard Wagner (1813-1883) gewidmet ist und mit hochkarätigen Solist:innen aufwarten kann.

 

Für so manchen Berliner Klassikfan ist das Silvesterkonzert ein Fixpunkt im Konzertkalender, andere Musikbegeisterte sind extra von weither angereist, zum Beispiel aus Frankreich. Auch Familien mit Kindern sind im Publikum, die sich festlich gekleidet haben und dem Konzert andächtig folgen.

 

Von Arabella Meran

 

Den Auftakt des Wagner-Abends bilden die Ouvertüre und Der Venusberg aus Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg.

 

Unter der Leitung von Kirill Petrenko, der seit der Saison 2019/20 der Chefdirigent und künstlerische Leiter der Berliner Philharmoniker ist, entfaltet sich ein musikalischer Rausch, der mit transparentem Klang eine geradezu soghafte Wirkung entfaltet und die Zuhörenden hineinzieht in diesen Widerstreit zwischen geistigem Streben und körperlichem Verlangen, zwischen irdischer Sinneslust und himmlischer Verklärung, wie ihn der Titelheld Tannhäuser in Wagners romantischer Oper durchlebt (uraufgeführt 1845 an der Sächsischen Hofoper Dresden).

 

Dieser Dualismus kommt im Orchester besonders zwischen den süß-lockenden Klängen der Streicher und dem saftig-kraftvollen Ton der Bläser zum Ausdruck. Dieser musikalische Wellenritt wird mit enthusiastischem Applaus belohnt.

 

©Monika Rittershaus

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Nach der Pause steht Die Walküre: Akt I auf dem Programm und Startenor Jonas Kaufmann betritt leichtfüßig und festlich im Frack gekleidet das Podium.

 

Im Vorspiel entfesselt Kirill Petrenko die Naturgewalten einer stürmischen Nacht und man kann sich bestens in die Notlage des verletzten, entwaffneten und nach Unterschlupf suchenden Siegmund hineinversetzen.

 

Diesen vom Schicksal gezeichneten Helden hat Jonas Kaufmann schon einige Male eindrucksvoll auf der Bühne verkörpert, z.B. 2011 an der Metropolitan Opera und zuletzt im April 2023 am Teatro San Carlo in Neapel, wo er bereits mit der Sopranistin des heutigen Abends, Vida Miknevičiūtė, zusammen sang.

 

Diese Bühnenerfahrung erlaubt es dem versierten Wagner-Interpreten umso mehr, vom ersten Ton an in seine Rolle zu schlüpfen und die Partie mit Leben zu füllen.

 

Gleiches gilt für Vida Miknevičiūtė, die als Sieglinde sofort mit Bühnenpräsenz und ihrer funkelnden Stimme besticht.

 

Kaufmann und Miknevičiūtė gestalten ihre Partien mit vielen stimmlichen Nuancen und unterstützen ihre Interpretation mit dezenter Mimik und Gestik, so dass in der zarten Anbahnung der Liebenden (die gleichzeitig auch Zwillingsgeschwister sind) die Chemie stimmt und auch ein gewisses Knistern aufkommt.

 

Beide singen sehr textverständlich (da braucht man gar nicht zu den Übertiteln hochzuschauen) und mit einer angenehmen Natürlichkeit.

 

Die in Litauen geborene Vida Miknevičiūtė hat nach einigen Jahren als Ensemblemitglied am Staatstheater Mainz (2011-2020) zuletzt mit umjubelten Debüts als dramatischer Sopran international auf sich aufmerksam gemacht.

 

Mit Strauss-Partien wie der Elektra und Salome reüssierte sie bei den Salzburger Festspielen, an der MET, der Bayerischen Staatsoper und der Melbourne Opera.

 

Erst kürzlich sorgte sie mit ihrem Rollendebüt als Sieglinde an der Staatsoper Unter den Linden für Begeisterungsstürme.

 

©Monika Rittershaus

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Einen düsteren und beeindruckenden Kontrapunkt setzt Tobias Kehrer als Hunding. Der junge Bass ist kurzfristig für den erkrankten Georg Zeppenfeld (der am Vortag noch gesungen hat) eingesprungen.

 

Kehrer ist seit 2012/13 Ensemblemitglied der Deutschen Oper Berlin und hat sich auch schon auf renommierten Bühnen als Wagnersänger einen Namen gemacht (2018 gab er sein Debüt bei den Bayreuther Festspielen als Hunding).

 

Mit vokaler Autorität und sattem Klang verkörpert der Bass den Gegenspieler eindrucksvoll und ergänzt das hochkarätige Tenor-Sopran- Duo bestens.

 

Die Dramatik nimmt in der dritten Szene Ein Schwert verhieß mir der Vater zu, in der Kaufmann den gepeinigten Siegmund mit großer Intensität verkörpert.

 

Man kann nur staunen, wie er die berühmten Wälse-Rufe mit scheinbar endlosem Atem und dunkler Klangfülle in den Raum schmettert.

 

Doch auch in den zarten und leisen Tönen besticht der Tenor mit seiner goldwarmen Stimme und gefühlvoller Interpretation.

 

In Winterstürme wichen dem Wonnemond fühlt man sich ekstatisch und hoffnungsvoll emporgehoben und auch die Philharmoniker entfalten hier wieder einen fein gewebten Klangteppich.

 

©Monika Rittershaus

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Der letzte Höhepunkt dieses Aktes wird erreicht, wenn Sieglinde ihrem Retter und Bruder seinen neuen Namen gibt: Siegmund – ein Name, der Schicksalsruf zugleich ist. Miknevičiūtė brilliert mit ihrem gleißenden Sopran, der jedoch nie scharf klingt. Die Sängerin überzeugt den ganzen Akt über mit ihrer kultivierten Stimme, die sie immer wieder effektvoll mit emotionalem Furor auflädt.

 

Beim Publikum entlädt sich die Begeisterung in stürmischem Beifall für alle Beteiligten dieses mitreißenden Konzerts. Nach drei Runden mit Verbeugen und Überreichen von Blumensträußen ergreift schließlich Kirill Petrenko das Wort und wünscht allen ein glückliches neues Jahr und hofft auf mehr Frieden in der Welt.

 

Als Zugabe gibt es die Prelude zu Akt III aus Lohengrin, die einen fulminanten Abschluss bietet. Ein Wagner-Abend, wie man ihn sich glühender nicht vorstellen kann.

 

Das Silvesterkonzert vom 31.12.2023 wird live gestreamt, unter anderem in Kinosäle weltweit, und kann auch im Nachgang in der Mediathek der Digital Concert Hall der Berliner Philharmoniker angeschaut werden:

 

https://www.digitalconcerthall.com

 

Programm:

 

Berliner Philharmoniker

Dirigent: Kirill Petrenko

Sopran: Vida Miknevičiūtė

Tenor: Jonas Kaufmann

Bass: Tobias Kehrer

 

Richard Wagner

Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg: Ouvertüre und Der Venusberg

 

Richard Wagner

Die Walküre: 1. Akt (konzertante Aufführung)

 

Vida MiknevičiūtėSopran (Sieglinde)

Jonas KaufmannTenor (Siegmund)

Tobias KehrerBass (Hunding)



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