09. Januar 2023
Rubrik Konzert
©Michael Bode / manolopress
25 Jahre Festspielhaus Baden-Baden. Na, wenn das nicht Anlass zum Feiern wäre? Prompt präsentiert sich das Haus im noblen Kurort mit einem höhepunktreifen Konzert, das absolute Begehrlichkeit bei klassikaffinen Fans weckt.
Keine Geringeren als der französische Bariton Ludovic Tézier und der deutsch-österreichische Tenor Jonas Kaufmann geben sich im Baden-Badener Konzerthaus ein musikalisches Stelldichein, um nicht nur das 25-jährige Bestehen mit ariosen Welthits gebührend zu würdigen, sondern insbesondere die in freundschaftlicher Zuneigung entstandene CD-Einspielung "Insieme" erstmals live vor Publikum zu präsentieren.
Gemeinsam mit dem Dirigenten Jochen Rieder und der Deutschen Radio Philharmonie werden berühmte Duette aus Opern von Verdi, Puccini und Ponchielli so glanzvoll tönend dargeboten, dass das Festspielhaus am Abend des 08. Januar 2023 im musikalischen Licht hell leuchtend erstrahlt.
Zwei Ausnahmetalente begegnen sich auf der Bühne und stimmen sich inbrünstig auf einen ariosen Kampf gleich zu Beginn mit Verdis Duettarie "Solenne in quest´ora. Morir! Tremenda cosa" ein.
©Michael Bode / manolopress
Und das klingt zuweilen so mächtig Mark und Bein erschütternd, dass man es fast schon selbst mit der Angst zu tun bekommt, denn die zwei Protagonisten des epischen Meisterwerks sind sich nämlich spinnefeind.
Während der eine Rache am anderen schwört, Blut fließen sehen will, begibt sich der andere immer wieder auf die Flucht.
Die plötzliche Konfrontation der beiden könnte daher nicht härter und schonungsloser ausfallen - und das auf tonal eindrucksvollem Terrain.
Was Ludovic Tézier und Jonas Kaufmann vokal auszudrücken vermögen, scheint tatsächlich immer und immer wieder den gesangstechnischen Rahmen des Möglichen zu sprengen.
Kontrollierte Ekstase ist nichts dagegen, wenn es heißt, sich in schäumenden Wutausbrüchen zu verlieren, in vokaler Stentorkraft rachsüchtig aufzubegehren sowie intrigantenhaft böse sein übles Spiel zu spielen - und das alles emotional ausdrucksstark und vokalathletisch maximal ausgereizt.
Der Abend mäandert schonungslos von einer charakterstarken Rolle zur nächsten, verlangt den Interpreten auf der Bühne eine riesengroße Portion Stamina, gesangstechnische Virtuosität und Virilität und ein überdurchschnittlich hohes Maß an darstellerischer Exzellenz ab, sodass man noch vor der ersten Pause mutmaßen könnte, die Luft bei beiden Sängern sei langsam raus.
©Michael Bode / manolopress
Doch weit gefehlt! Bariton und Tenor brechen just nach der Pause zu neuen, noch ungestümeren Ufern auf. Doch bevor die Sängerdarsteller samt Publikum in die unsäglichen Abgründe des krankhaft eifersüchtigen Otello und seines intriganten Jago abtauchen dürfen, entführt uns der Dirigent Jochen Rieder in sinfonisch klangmalerische Welten aus Ponchiellis Ouvertüre zu "La Gioconda".
Immer eine Nuance zu forsch, leicht feldwebelhaft und zuweilen dynamisch wenig differenziert austariert, geht sich das Dirigat an diesem konzertanten Abend überraschend gut und umsichtig aus.
Verspielt und duftig tänzeln die orchestralen Klänge wattebauschartig in Ponchiellies Ballettmusik "Danza delle ore" dahin.
Aber so richtig und einmalig beseelt und verträumt wird es erst, als Jonas Kaufmann die bekannte ariose Nummer "Cielo e mar" anstimmt, die ebenfalls von Ponchielli komponiert wurde.
Zart, sanft und mit nur einem Hauch leisester Intensität schwebt das Stimmmaterial des Tenors in andere, sphärische Gefilde und löst sich zwischen Himmel und Meer wie in einem feinen Geflecht aus tonal durchwirkten Nebelschwaden wohlgefällig auf.
Wenige Interpreten schaffen es, dieser Arie eine zauberhafte Entrücktheit zu verpassen, die Herz und Seele auf das Wohligste erwärmt.
©Michael Bode / manolopress
Gleichermaßen großartig gestaltet sich auch die absolut höhepunktreife Arie des Jago "Credo in un Dio crudel" aus Verdis Oper "Otello". Grausam wie der grausamste aller Götter, so unerbittlich, unbarmherzig und verachtungswürdig bösartig singt sich der Bariton Ludovic Tézier an diesem besonderen Abend in einen übermächtig rachsüchtigen Rauschzustand.
Tief, undurchdringlich sonor und fast schon von einer ozeanischen Unergründlichkeit, füllt der Mann die hehren Hallen des Konzerthauses bis auf den letzten Platz. Mal gefährlich verführerisch, dann wieder grausam und abstoßend erlebt man den Bariton auch in seinem charakterdarstellenden Element. Das Böse und Widerwärtige liegen dem voluminös klingenden Bariton äußerst "formidable".
Tatsächlich ist der gesamte ariose Duettabend aufgeladen mit gesanglichem und schauspielerischem Aktionsreichtum. Zwei Stimmen, die immer wieder miteinander zu verschmelzen scheinen, sich an gegebener Stelle voneinander lösen, um gleich darauf wieder eins zu werden: Das gefällt dem Publikum ausgezeichnet.
Und so fallen sowohl der zwischenzeitliche als auch der Schlussapplaus entsprechend überschwänglich aus. Enthusiasmierte, ovationsstarke Bekundungen füllen den Saal und verebben nur schwerfällig und extrem zähflüssig.
Tézier und Kaufmann müssen wohl noch mal ran ans Werk, beziehungsweise an zwei Zugabenduette. Und so erklingen abschließend zwei der wohl beliebtesten Duette zwischen Tenor und Bariton: "O Mimi, tu più non torni" aus Puccinis weltbekannter Oper "La Bohème" und "Dio che nell´alma infondere" aus Verdis Oper "Don Carlo".
Traumhaft schön und zum Mitsummen animierend, beenden die beiden Ausnahmekünstler ihre gemeinsame musikalische Reise durch italienisches Opernrepertoire.
Und zum wiederholten Male gibt es Applaus, der nicht bereit ist, dem Konzert ein Ende zu setzen. Doch immer dann, wenn es am schönsten ist, muss man leider gehen.
©Gregor Hohenberg / Sony Classical
Duette sind eine mehr als willkommene Abwechslung, wenn man sich zuhauf an den Solo-Arien der Tenöre, Sopranistinnen und Baritone sattgehört hat. Selten allerdings kommt man in den Genuss einer dezidierten Auswahl exquisiter Arienduette...