Jonas Kaufmann begeistert Als Calaf in konzertanter Turandot in Rom

17. März 2022

UNAUFGEFORDERTE WERBUNG

©Ianniello & Pasqualini Musacchio / Accademia Nazionale di Santa Cecilia

Denkt man an die Arien, die dem Welttenor Jonas Kaufmann in den letzten Jahren zu Standing Ovations und nicht abebben wollenden Applausstürmen verholfen haben, so zählt "Nessun dorma" aus Puccinis epischer Oper Turandot ganz sicher zu den absoluten Hitranglistenstürmerinnen. 

 

Oft genug schon hat der charismatische Tenor mit dem gaumig sonoren Stimmschmelz diesen ariosen Allzeitklassiker auf allen Konzertbühnen der Welt, gehäufter auch als Rausschmeißer zum krönenden Abschluss eines gelungenen Konzertabends und immer gerne als Höhepunkt einer exquisit ausgewählten Programmzusammenstellung zum Besten gegeben - und das ganz klar mit einer heroischen Strahlkraft, die ihresgleichen anderswo vergeblich sucht.

 

Dass Kaufmann sich nichts mehr beweisen muss, steht seit seinem wahnsinnstollen Otello-Debüt vor wenigen Jahren und mit seiner wagemutigen Besteigung des Sängerolymps als Tristan an der Bayerischen Staatsoper wohl außer Frage.

 

Die Rolle des Calaf aus der Oper Turandot macht somit den Kohl dieser wohl einzigartigen Sängerkarriere nicht mehr fett, aber eben dennoch rund.

 

©Ianniello & Pasqualini Musacchio / Accademia Nazionale di Santa Cecilia

©Ianniello & Pasqualini Musacchio / Accademia Nazionale di Santa Cecilia

©Ianniello & Pasqualini Musacchio / Accademia Nazionale di Santa Cecilia

©Ianniello & Pasqualini Musacchio / Accademia Nazionale di Santa Cecilia

Und so wird gut, was lange schon avisiert war und endlich am 12. März 2022 in einer konzertanten Aufführung an der Accademia Nazionale di Santa Cecilia in Rom stattfindet.

 

Zusammen mit den Sopranistinnen Sondra Radvanovsky und Ermonela Jaho sowie weiteren namhaften Künstlern erwartet das Publikum an diesem einzigartigen Premierenabend eine Opernfassung, die Puccinis unvollendete Turandot mit der ungekürzten Version des dritten Aktes von Franco Alfano paart - eine ungewöhnliche Melange, die noch zu Puccinis Zeiten für musikalisches Unverständnis gesorgt haben muss.

 

Zu viel Strawinsky, zu viel Mahler, zu viel von all den wenig süffig satten Musikbonbons, die Puccinis Opern zu den ohrwurmträchtigen Schlagern der damaligen Zeit gemacht haben.

 

Alfanos Interpretation wirkt hingegen wie ein unangepasster Fremdkörper in einem Klangkorsett, der nicht ganz passend und sich nicht wirklich passgenau in die musikstilistische Welt des Verismo einfügt.

 

Und doch genau diese Andersartigkeit verleiht dem Gesamtkunstwerk dieses Melodrams etwas Unverwechselbares, etwas ganz Besonderes und verhilft ihm so zu einem absoluten Alleinstellungsmerkmal in der Geschichte der Oper.

 

Kein Wunder, dass sich der britische Dirigent Sir Antonio Pappano für genau diese Operneinspielung verantwortlich zeichnet, denn das Außergewöhnliche scheint dem Musiker aus Leidenschaft gerade mal gut genug zu sein.

 

Schließlich soll sein Debüt auch gehörig zünden und ein Feuerwerk der tonalen Superlative entfachen. Entfesselnd wird es sowieso, sobald der Brite den Taktstock in die Hand nimmt.

 

©Ianniello & Pasqualini Musacchio / Accademia Nazionale di Santa Cecilia

©Ianniello & Pasqualini Musacchio / Accademia Nazionale di Santa Cecilia

©Ianniello & Pasqualini Musacchio / Accademia Nazionale di Santa Cecilia

Nur brauchen magische Momente eben auch ihre Zeit! Ganze 14 Tage haben Dirigent, Sängerdarsteller, Orchester und Chor an diesem Mammutprojekt der CD-Einspielung herumlaboriert, um direkt im Anschluss an die erntereife Arbeit der Turandot auch noch zur Konzertreife zu verhelfen.

 

Vor ausverkauften Reihen ist es dann endlich so weit. In der Accademia Nazionale di Santa Cecilia liegt die Spannung im uneingeschränkten Wortsinn tatsächlich in der Luft, noch lange bevor das Orchester und Sir Antonio Pappano die Bühne des erlauchten Musentempels in Rom betreten.

 

Doch dann übernimmt der Taktstock die unangefochtene Regie und die ersten Akkorde des Meisters entführen das Publikum in eine traumhafte Welt aus dicht miteinander verwobenen irisierenden Klangwelten.

 

Berauschende Harmonien durchströmen zartschimmernd und mit akzentuierter Dynamik das Auditorium. Die Sogwirkung der Musik Puccinis ist kaum zu beschreiben.

 

Pappano dirigiert mit leidenschaftlicher Präzision, jeder Ton sitzt, alles ist auf den Takt genau wohl austariert. Die Konzentration der Musik ist elektrisierend, die klangmalerische Erzählung fasziniert und nimmt einen gefangen.

 

Mit technischer Akkuratesse und einer Prise unangestrengter orchestraler Eleganz strahlt das Werk Puccinis glanzvoll aus jeder instrumentalen Pore - und auch die Emotionen vibrieren haushoch mit.

 

©Ianniello & Pasqualini Musacchio / Accademia Nazionale di Santa Cecilia

©Ianniello & Pasqualini Musacchio / Accademia Nazionale di Santa Cecilia

Als Sondra Radvanovsky die Bühne betritt, wird es dramatisch. In der Rolle der kaltherzigen, grausamen Prinzessin Turandot, die sich als männermordender Vamp an ihren Opfern vergeht, singt sich die US-amerikanische Sängerdarstellerin gleich zu Beginn in vokalathletische Ekstase.

 

Nicht ganz so verzaubernd wie noch im Vorjahr als Tosca in einer konzertanten Fassung an der Seite des Startenors greift die Stimme der Sopranistin an diesem Abend zu deutlich härteren vokalen Bandagen. Metallisch, schrill und leicht hysterisch wirkt die Stimme überspannt, gereizt und nicht minder nervös flackernd.

 

Schöngesang weicht in dieser Rolleninterpretation einer authentischen Charakterdarstellung, die sich durch eine kalte Gefühlsstarre äußert und sich somit im gesanglichen Vermögen ausdrucksstark widerspiegelt, nur eben nicht von der belcantischen Seite.

 

Gefällig, vollmundig und samtfein klingt eben anders. Belcanto war gestern. Eckig und kantig ist das neue authentische Stimmvermögen, mit dem Radvanosky überzeugt oder aber auch nicht.

 

Es fehlt die Weichheit, das Verführerische und das Anmutige in der Stimme. Stattdessen erlebt man Radvanovsky angestrengt und in ihrer Rolle zur wenig facettenreichen Dramaqueen erstarrt.

 

Anders die albanische Sopranistin Ermonela Jaho, die als Liù mit leidenschaftlicher Intensität in ihrer Rolle aufblüht. Erfüllt von sphärischem Schöngesang, schwingt sich Jahos Stimme mühelos in die exponiertesten Registerhöhen und verglüht wie klangbarer Sternenstaub glanzvoll und zartschimmernd im Nichts.

 

Dass ihr Vibrato eventuell um ein MÜ zu  bemüht erzittern könnte, wirkt in Anbetracht ihrer leidensfähigen Rolle umso authentischer und emotional aufgeladener und verleiht dem Charakter das gewisse Etwas.

 

©Ianniello & Pasqualini Musacchio / Accademia Nazionale di Santa Cecilia

Jonas Kaufmann, der zum ersten Mal in seiner langjährigen Sängerkarriere den Calaf gibt, erfüllt, wie sollte es auch anders sein, mal wieder alle Voraussetzungen für ein gelungenes, rundes und insgesamt stimmiges Debüt.

 

Ob der Calaf nun seine Paraderolle wird, mag dahingestellt sein, seine "Signature-Arie" Nessun dorma bringt er jedenfalls wie kaum ein anderer inbrünstig und strahlkräftig zu stimmlich oscarreifer Höchstleistung an den Mann beziehungsweise an die Frau.

 

Schwärmerisch sitzt man still und unbewegt auf seinem Platz und muss nur aufpassen, dass einem die Kinnlade vor lauter Staunen nicht laut krachend auf das Brustbein fällt. Es ist einfach göttlich, wie emotional aufgeladen Kaufmann mit seiner gewaltigen Stentorkraft sein agiles Vokalinstrument in berauschend schwindelnde Höhen treibt, um dann bei den Piani und hauchzarten Pianissimi so erotisch weich dahinfließend in schokoladensatte Tiefen zu entgleiten.

 

"The sexiest voice alive", diese Auszeichnung würde ich Kaufmanns Stimme zugestehen wollen, auch wenn sich so einige Geister über die vokalen Qualitäten des Ausnahmekünstlers scheiden. Eigenarten hin oder her. Unarten auch. 

 

Kaufmanns gesangliche Darbietung trotzt an diesem Abend jeglicher unwürdiger Kritik. Zu Recht ist der König der Tenöre das noch immer unbestrittene Zugpferd seiner Zunft und kann es noch lange bleiben, wenn er denn weiter so klingt, wie er singt.

 

©Ianniello & Pasqualini Musacchio / Accademia Nazionale di Santa Cecilia

Darstellerisch ist dem konzertanten Rahmen an diesem erinnerungswürdigen Abend allerdings weniger abzugewinnen. Es mangelt leider an gestalterischer Fantasie und somit genießt sich die konzertante Opernfassung schlicht, unaufgeregt und mit reduzierten schauspielerischen Kniffen und Rafinessen.

 

Auch bei dem alles entscheidenden Kuss zwischen Calaf und Turandot artet nichts in filmreifer oder gar oscarreifer Manier aus.

 

Keine 16 Sekunden dauert die andeutungsweise sparsame Liebesflamme. Ein Küsschen ist es wohl eher, auch wenn sich Kaufmann jüngst in einem Interview für diese so leidenschaftliche guinnessbuchreife Kussszene innigst erwärmen konnte.

 

Lauwarm bis tendenziell kühl kommt die ansonsten höhepunktreife Liebesszene daher und kann auch die heißblütigste Sängerdarstellerin nicht durch einen lahmen Kuss erweichen. Das macht aber fast gar nichts, denn die Oper wird es irgendwann, vielleicht sogar schon in näherer Zukunft richten.

 

Die Freude wird auf jeden Fall groß sein, sollte sich Jonas Kaufmann dazu entscheiden, sein Rollendebüt als Calaf an einem großen Opernhaus zu geben.

 

Und dann, so die Opernmanege will, in der kompositorischen Fassung, die durch Franco Alfano die Turandot erst zudem gemacht hat, was sie heute ist: eine tiefgründige, unnahbare und zeitlose Schönheit, die sich ganz und gar von der Masse des melodramatischen Opernpulks abhebt.


©Accademia Nazionale di Santa Cecilia

Turandot Einspielung mit Jonas Kaufmann und Antonio Pappano in Rom

Mal wieder ist es so weit für eine weitere CD-Veröffentlichung des Startenors Jonas Kaufmann, der just dieser Tage zusammen mit den Sopranistinnen Ermonela Jaho...

 



Kommentare: 2
  • #2

    Nicole von Operaversum (Sonntag, 10 Juli 2022 22:01)

    Lieber Herr Schoch,

    dann kennen Sie sich ja bestens mit der italienischen Gesangstechnik aus. Und wenn Sie meinen, dass Herr Kaufmann Ihnen als Sänger nicht liegt, ist das doch absolut O.K. Natürlich hätte man das etwas freundlicher oder sagen wir mal diplomatischer in Worte kleiden können. Aber so geht es selbstverständlich auch. Vielen Dank für Ihre qualitativen Ausführen.

    Ihnen noch besonders schöne Opern- und Konzerterlebnisse mit einem hoffentlich vollkommenen Tenor Ihres Geschmacks.

    Herzlichst
    Nicole von Operaversum


  • #1

    Volker D. Schoch (Sonntag, 10 Juli 2022 15:54)

    Seine Stimme klingt für mich so, als hätte man ihm die Mandeln herausoperiert.
    Seine Stimmtechnik klingt maneriert. Die baritonale Klangfarbe hat auch etwas sehr angenehmes. Wenn er unnatürlich ins Piano rutscht,hat man das Gefühl, der Ton steht in der Kehle. Er erinnert mich immer an Mario del Monaco. Immer volle Kanne. Und das meine ich mit der italienischer Gesangstechnik