Dreivierteltaktvergnügen beim Prater Picknick mit Nikola Hillebrand und Daniel Schmutzhard

05. Juli 2022

Rubrik Konzert

©Àrkos Burg / Wiener Philharmoniker

Zwei Herzen im Dreivierteltakt hat diesmal nicht der Mai, sondern das Wiener Prater Picknick zusammengebracht. Zur Eröffnung des Wiener Kultursommers lassen es sich die Wiener Philharmoniker mit ihren zwei Solisten Nikola Hillebrand und Daniel Schmutzhard nicht nehmen, die schönsten Operettenmelodien in orchestral-vokaler Harmonie aufleben zu lassen.

 

Noch während sich die Generalprobe heiter bis sonnig zeigt, macht ein heranbrausender Sturm zu früher Abendstunde dem eigentlichen Live-Spektakel einen gehörigen Strich durch die Rechnung, sodass das Konzert vor Publikum leider ins Wasser fallen muss, was der TV-Übertragung im ORF allerdings keinen Abbruch tut.

 

Das Fernsehen nämlich spielt munter und beschwingt mit dem Filmmaterial aus der Generalprobe auf - und das mit so viel Verve, Schmäh und sehnsuchtsvollem Schmelz, dass einem gleich ganz warm und walzertaumelig ums Herz wird.

 

Und so wippen gleich beim auftaktigen Medley der Wiener Philharmoniker meine Füße aufgeregt im Rhythmus der leichten Muse mit.

 

Ein buntes Potpourri aus Wiener Lied, Operette und den Heurigen-Klassikern, die eigentlich ein jeder Tourist, ganz sicherlich aber jedes Wiener Kindl kennt, verleiten direkt zum begeisterten Mitsummen auf der Picknickdecke und vor den Bildschirmen.

 

©Àrkos Burg / Wiener Philharmoniker

Meisterhaft dirigiert, entführt Dirk Kaftan durch den gesamten Abend in eine beseelte, heile Welt voller Sehnsüchteleien, romantischer Liebeleien und in die abgedunkelte Stadt, die tatsächlich erst bei Nacht am schönsten wird.

 

Und das dem ganz genauso ist, kann man gleich zu Beginn der ersten Soloeinlage der deutschen Sopranistin Nikola Hillebrand vokal zu 100 Prozent abkaufen.

 

"Wien wird schön erst bei Nacht". So entrückt, verklärt und mit einer magischen Aura besetzt, erklingt die Operettenarie, wenn Nikola Hillebrand sie interpretiert. Sofort spürt man die laue Sommernacht und die fliedergeschwängerte Luft, die sich im flirrend süßen Stimmgewirr der verliebten Pärchen verliert.

 

Zum aus der Haut fahren schön verführt und entführt einen die elegante, schlanke und äußerst biegsame Stimme der Sängerdarstellerin in die himmlischen Sphären walzerseliger Operettenträume.

 

Eine Schippe oben drauf legt Nikola Hillebrand aber ganz besonders in der Rolleninterpretation der Giuditta aus Franz Lehárs gleichnamiger Operette.

 

Ob wir ihr abnehmen wollen, dass ihre Lippen tatsächlich so heiß küssen, wie sie es besingt?

 

©Àrkos Burg / Wiener Philharmoniker

Absolut, denn auch das neckisch Freche, das feurig Pfeffrige im schauspielerischen und gesanglichen Ausdruck liegen der jungen Künstlerin ungemein.

 

Und dass sie im flotten Rhythmus der ungarisch temperamentvoll angehauchten Musik auch noch das Tanzbein schwingen kann, Drehmomente und choreographische Expressivität "all inclusive" sieht man auf der Stelle.

 

Vor Energie und Verve sprühend hüpft einem das eigene Herz dabei gleich zwei Take schneller davon. Freude und Spaß sind bei so einer gekonnten Einlage tatsächlich vorprogrammiert.

 

Daniel Schmutzhard, der sich ein bisschen Bonvivant gibt und sich als schmachtender Held in schweigenden Lippenbekenntnissen übt, trumpft mit sonorer Stentorkraft gewaltig auf.

 

Sein Stimmmaterial schimmert zutiefst warmgolden in den ebenso sonnengereiften Abend hinein und besticht durch ausgeprägte Expressivität.

 

Wenn es Abend wird, dann sitzen auch wir gedanklich mit Herrn Schmutzhard irgendwo auf dem ungarischen Land und träumen uns melancholisch seufzend in das wunderschöne Wien.

 

©Àrkos Burg / Wiener Philharmoniker

Bleiben noch die musikalischen  Tête-à-Têtes, die nicht besser gewählt hätten sein können. "Wiener Blut", das bezeichnendste aller Operettenduette, macht sofort Lust auf ein paar ausgiebige schwindelerregende Umdrehungen. Tanzen möcht´ ich, oh ja! Heute Nacht oder nie!

 

Mit Nikola Hillebrand und Daniel Schmutzhard wird daraus in jedem Fall ein musikalisch passgenauer Schuh, den man sich sofort anziehen will, um darin leichtfüßig das Tanzbein zu schwingen.

 

Klangsatt, harmonisch bis zum Anschlag ergänzen sich die beiden Sängerinterpreten mit symbiotischer Strahlkraft.

 

Jede Wechselhaftigkeit der Gefühle wird vokal ausgelotet. Samtzart schimmern die gesungenen Worte in "Lippen schweigen" wie aus einem Mund. Schokoladendunkles Timbre und ein nussfeiner Klangschmelz vereinen sich dabei zu einer weichen, cremigen Vokaltextur, die einem wie golden schimmernder Honig den Gehörgang angenehm herunterläuft.

 

©Screenshot Fidelio / Prater Picknick Übertragung ORF

Während sich die beiden nach insgesamt sieben Einlagen eine wohlverdiente Pause gönnen, spielen die Wiener Philharmoniker mit "The Carousel Waltz", "Ein letztes Wiener Lied" und der "Casablanca-Suite" von Max Steiner auf.

 

Und das tun sie mit einer eleganten Raffinesse, die einen orchestralen Klangteppich irisierender Leichtigkeit auf das Parkett zaubert. Das können tatsächlich nur die Wiener Philharmoniker.

 

Schwelgend träumt man sich hinfort, schwebt ein bisschen auf den Klangwellen der süffig satten und dennoch duftigen Musik mit.

 

Bleibt nur noch das i-tüpfelchen des abschlussbringenden Abends:

 

Mit "Lippen schweigen" aus Franz Lehárs Operette "Die lustige Witwe" wird es musikalisch noch einmal ganz intim und sehr romantisch.

 

©Screenshot Fidelio / Prater Picknick Übertragung ORF

Gefilmt im Wiener Riesenrad begegnen sich Nikola Hillebrand und Daniel Schmutzhard zum letzten Mal an diesem Abend in einer Kabine, die mit Rosen und Champagner bestückt wurde.

 

Das sich liebende Pärchen spielend, hängt man ganz verzückt vor dem Bildschirm und freut sich über die Annäherungsversuche des schmachtenden Helden.

 

Ein bisschen spröde, aber dann doch langsam auftauend lässt sich die Heldin im Verlaufe des zärtlichen Duetts auf das Abenteuer Liebe ein - selbstverständlich nur für die Kameras.

 

Was für ein schönes "Happyend", auch wenn der eigentliche Show-Gig an diesem Abend nicht stattfinden konnte. Doch ORF und eine musikalisch fantastische Cast haben es zumindest für die Zuschauer an den Bildschirmen gerichtet - und das kommt doch einem "Happyend" schon ziemlich nah.


©Screenshot Leeds Lieder Festival / Live-Übertragung

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©Franziska Schrödinger

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©Screenshot Konzertfilm Weihnachten in Grafenegg "Hänsel und Gretel"

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