13. OKTOBER 2019 // by Nicole Hacke
UNAUFGEFORDERTE WERBUNG
© Mo Wüstenhagen /Krüger Media Berlin
Einmal wie eine Prinzessin mit hohen Pumps über den roten Teppich schweben. Wer wünscht sich das wohl nicht? Aber was, wenn man dann doch nur daneben steht und mit dem filigranen Absatz im Kopfsteinpflaster stecken bleibt. So geht es mir, als ich gerade kapriziös und erhobenen Hauptes rechts vom Teppich hinauf ins Berliner Konzerthaus am Gendarmenmarkt schreiten will. Doch das hindert mich keinesfalls mein Krönchen wieder zu richten, aufzustehen und so, als wäre nichts gewesen, die nicht enden wollenden Treppen des imposanten Baus sicheren Schrittes empor zu schreiten und mich erwartungsvoll auf das bevorstehende Ereignis zu freuen.
Der Anlass ist ein besonderer, denn es findet am heutigen Tag die Opus Klassik Verleihung statt, zu der illustre Gäste aus Film und Fernsehen und natürlich vor allem die Preisträger geladen sind. Moderiert von keinem anderen als Thomas Gottschalk, wird der Abend zu einem heiteren, fast belustigenden Spektakel. Das gefilmt wird, ist nebensächlich, dennoch interessant, da die Sendung erst startet, bevor wir, das Publikum, nicht alle einmal das Klatschen professionalisiert haben. Also wird auf Anweisung von Herrn Gottschalk mal mäßig und mal begeistert geklatscht, damit das Fernsehen alle Varianten auch gut in den Kasten bekommt.
Als es dann endlich losgeht, merke ich, wie mir der Magen knurrt. Vor Aufregung hatte ich vergessen nach dem Frühstück noch etwas zu mir zu nehmen. Und die kleinen, feinen, aber dürftigen Häppchen, die vor Veranstaltungsbeginn gereicht wurden, haben es leider nicht geschafft, meinen Magen weitestgehend aufzufüllen. Jetzt muss ich da durch. Sicherlich wird die Musik meine grummelnden Attacken locker überspielen.
Doch dann verliert sich die Welt um mich herum in den herausragenden Beiträgen der nominierten Preisträger. Fasziniert erlebe ich das virtuose Klangerlebnis der Cellistin Sol Gabetta, die sich mit äußerster Hingabe ihrem Instrument widmet und beinahe schon damit verschmilzt.
Herrlich auch das Klarinettenspiel des Andreas Ottensamer, der nicht nur eine gute Figur am Instrument macht, sondern prinzipiell recht knackig daherkommt. Eine echte Erscheinung. Als er nach seiner Dankesrede ein wenig aus dem Nähkästchen plaudert, wird augenscheinlich, dass der Musikvirtuose auch im Tennissport hätte brillieren und professionell punkten können. Sein Aufschlag und seine Fingerfertigkeit stehen sich anscheinend in nichts nach. Gut, dass die Musik dennoch gesiegt hat.
Auch die Laudatoren sind an diesem Abend nicht zu verachten. Allen voran Max Raabe, der, wie gehabt, adrett, korrekt und Gentleman-Like, die Bühne betritt, versteht es, mit seiner unkonventionellen, trockenhumorigen Art, das Publikum im Saal zum Lachen zu bringen. Die Rede ist von keinem anderen als Christian Gerhaher, der als Sänger des Jahres ausgezeichnet wird und von Herrn Raabe zu hören bekommt, dass es wohl jedem Bariton, der in der Oper entweder Vertrauter des Königs oder eben einen Schurken spiele, ein großes Vergnügen bereiten müsse, den Tenor am Ende abzumurksen. Ob Herr Gerhaher das wohl genauso sieht?
Fast haut es Herrn Rabe beim Verlassen des Podiums gegen die Bühnenrampe. Doch aalglatt windet er sich, um dem Aufprall zu entgehen, wie ein Schluck Wasser in der Kurve. Ganz sicher hat das ZDF diesen Moment rausgeschnitten. Wie schade.
© Mo Wüstenhagen / Krüger Media Berlin
Ernst wird es, als der Pianist Igor Levit Beethoven´s Mondscheinsonate am Flügel zum Besten gibt. Tief versunken in das andachtsvolle Fingerspiel, wird es um einen herum ganz still, ganz leise und kaum einer wagt auch nur einen hörbaren Atemzug zu machen. Es ist die Perfektion in Vollendung, es sind die echten Emotionen, die sich gerade an diesem starken Instrument vereinen. Alles ist so tief, so absolut, so echt, so wahr. Es fließen Tränen, ich spüre es und es ist wundervoll.
Tief ergreifend dann die Rede von Igor Levit, der in seinem Monolog das kontroverse Flüchtlingsthema aufgreift, thematisiert und an die Nächstenliebe, die Gleichstellung aller Menschen, so eindringlich und mit zitternden Händen appelliert, dass der Beifall am Ende nicht zustimmender und moralisch gestützter hätte sein können.
Bevor der Abend sich dem Ende neigt und die Förderpreise für den Nachwuchs verliehen werden, gibt es noch ein außergewöhnliches Highlight in Form einer Mundharmonika. Konstantin Reinfeld, der sich in jungen Jahren, bereits als Teenager, vorm Fernseher in das Westentascheninstrument verliebt hatte, mit ausdauerndem Fleiß autodidaktische Gehversuche unternahm und über die Jahre absolute Perfektion auf dem Gebiet erlangte, steht nun auf der Bühne und haut fast jeden im Publikum vom Hocker. Offensichtlich kann Herr Reinfeld alles spielen, mal klassisch, mal jazzig, mal Popanklänge, alles scheint auf diesem ungewöhnlichen Instrument möglich. Musikalische Begrenzungen gibt es keine, zumindest nicht für dieses Ausnahmetalent.
Nachdem nun auch der Nachwuchs des Förderpreises von Thomas Gottschalk versorgt wurde, stellt das ZDF überraschenderweise fest, dass bei der Gesangseinlage von Klaus Florian Vogt nachjustiert
werden muss. Die Sequenz soll noch mal gefilmt werden. Aber wo ist die Harfenistin? Wie sich herausstellt, befindet sich diese bereits auf dem Weg nach Hause, denn sie hat ganz klar ihren Job für
heute erledigt. Das sieht Herr Gottschalk nach einigen kläglich gescheiterten Versuchen, doch noch einen brauchbaren Ersatz aufzutreiben, ebenso und entlässt das Publikum mit ein paar
abschließenden Worten in die darauf folgende Aftershow-Party.
© Markus Nass / Krüger Media Berlin
Im Foyer und in einem der Hauptsäle des Berliner Konzerthauses tummeln sich bereits die vielen unzähligen Gäste, die aus Prominenz und Publikum zusammengewürfelt sind. Fast ineinander verheddert, entzerrt sich das Knäul der zu großen Menschentraube nicht. Es wird gedrängelt, es wird geschubst und irgendwie hatte ich mir diese Aftershow-Party mit Häppchen und Champus gediegener, überschaubarer und eleganter vorgestellt. Nur ist nichts davon der Fall.
Statt eines kulinarischen Buffets gibt es Penne mit Käsesoße und eine übersichtliche Käseauswahl mit etwas Brot. Mehr gibt es nicht. Dürftig empfinde ich die ganze Angelegenheit, zumal doch das Promiaufgebot auch nicht gerade klein ist.
Als ich versuche mir einen Cappuccino zu organisieren, muss ich mich sogar laut bemerkbar machen, um nicht, wie von einer Horde Elefanten, über den Haufen getrampelt zu werden. Dieses "Aftershow- Geschubse" geht mir tatsächlich sehr auf den Geist.
Noch fragwürdiger finde ich allerdings die strikte Trennung der Preisträger vom Publikum. In einem kleinen, abgegrenzten, von Security bewachten Bereich, stehen tatsächlich alle Solisten, Instrumentalisten und Presseleute zusammen. Es ist ein bisschen, wie in einem Schaukäfig, nur mit unsichtbaren Stäben. Keiner, der nicht dazu gehört oder sich mit einem Presseausweis ausweisen kann, darf die unsichtbaren Schranken der erlauchten, mit Argusaugen bewachten Promizone übertreten.
Irgendwie schade, wenn man sich unter einer ungezwungenen Aftershow-Party etwas anderes vorgestellt hat. Spannend und erlebnisreich war das Event dennoch, auch wenn das Massenaufgebot in zu enger Räumlichkeit doch die ein oder andere Kopfschmerzarie bei mir verursacht hat.
Als ich beim Verlassen der Veranstaltung entspannt und locker endlich mal über den roten Teppich die Stufen des hehren Musentempels hinabschreiten darf, spüre ich die erfrischend kühle Berliner Luft. Noch ganz beseelt und voller kunterbunter Eindrücke an diesen herausragenden musikalischen Abend, schweift mein Blick noch einmal zurück auf das rot angeleuchtete Berliner Konzerthaus.
Was für ein zauberhafter Abend, was für eine zauberhafte Nacht. Jetzt stolziere ich noch mal an der "Wall of Fame" vorbei, an der zuvor die Preisträger abgelichtet wurden. Dann lass ich dort doch gleich auch noch ein Foto von mir schießen, ein Foto für die Ewigkeit, wer weiß! Zumindest aber eine Erinnerung an einen glanzvollen, musikalisch hinreißenden Abend. Ach ja, und mein Absatz ist noch dran!
ZDF-Übertragung am 13.10.2019 um 22:15 Uhr oder unter:
www.zdf.de