beim abschied singt er leise servus!

26. JANUAR 2020

UNAUFGEFORDERTE WERBUNG

© Festspielhaus Baden-Baden

 

In der ehemaligen Bahnhofshalle des Festspielhauses in Baden-Baden hoffe ich noch Tickets für das "Mein Wien" Konzert mit Jonas Kaufmann zu ergattern, doch Fehlanzeige! Die Veranstaltung ist restlos aufverkauft. Fahrkarten gibt es vielleicht noch am Bahnhofsschalter der Deutschen Bahn für die Reise zurück in den Heimatort. Nur im Festspielhaus sind Konzertkarten ein edles Gut mit Seltenheitswert.

 

Wer sich nicht bereits im Vorfeld um die begehrten Karten bemüht hat, der mag höchstens noch am Tag des Events, eine Stunde vor Veranstaltungsbeginn, über private Ressourcen Restkarten erwerben. Doch nur vielleicht!

 

Die nette Dame am Ticketschalter ist voller Zweifel, dass Herr Kaufmann heute auftritt, hatte er sich doch seit der Berliner Aufführung Mitte Januar immer wieder mit einer hartnäckigen Erkältung herumzuschlagen. Befürchtungen, dass mehrere Termine ausfallen könnten, manifestieren sich hartnäckig nach der unvorhersehbaren Absage in Nürnberg.

 

Doch entgegen aller Annahmen, hielt Jonas Kaufmann tapfer durch und bewältigte bravorös und mit großem Engagement alle weiteren Folgetermine in Paris, Düsseldorf, Brüssel und Luzern. Baden-Baden ist heute seine letzte Station der "Mein Wien" Tournee, mit der er bislang ganz Europa in Walzerlaune versetzt hat.

 

© Festspielhaus Baden- Baden

 

Mit dem Glück auf meiner Seite sitze ich stolz in der sechsten Reihe des Parketts und verschmelze mit dem aufgeregten Geschnatter des erwartungsvollen Publikums. Dann geht es endlich los. In die spannungsgeladene Stille hinein erklingen im ersten Konzertteil Operettenlieder und Walzermelodien, die eingängig, lustvoll und mit mehreren Prisen Seligkeit versetzt sind. 

 

Vollends auskuriert scheint Herr Kaufmann allerdings noch nicht zu sein. Mit leicht belegter Stimme präsentiert der Tenor von Weltformat eine wunderselige Walzermelodie nach der anderen. Beherrscht und die Stimme gut im Griff, gelingt es dem Tenor sogar die lästigen Hustenattacken zu minimieren und dezent zwischen die einzelnen Gesangseinlagen zu platzieren.

 

Erst in den Duetten mit der amerikanischen Sopranistin Rachel Willis Sorensen köchelt die Stimmung langsam und stetig immer höher. Temperamentvoll und mit einem gewaltigen Schuss prickelnder Erotik, schrauben sich die beiden Gesangsinterpreten in einen himmelhochjauchzenden Walzerrausch "a deux".

 

Es sprüht ein knisternder Funkenregen der Emotionen auf das glückselige Publikum herab und irgendwie harmoniert die Chemie perfekt zwischen den beiden schauspielernden Stimmakrobaten.

 

© Festspielhaus Baden-Baden

 

Beim Solo "Klänge der Heimat" aus die "Lustige Witwe" von Franz Lehár, erobert Rachel Willis Sorensen das Publikum im Sturm. Spritzig, lustig, heiter, fast schon ein wenig überdreht und keck, versetzt die klangvoll weiche, mal geheimnisvoll dunkelsamtige, dann wieder leicht und perlig glockenklare Stimme der Sopranistin den Zuhörer in einen berauschend herrlichen, entrückt verzückten Seelenzustand.

 

Leidenschaftlich, überschwänglich und voller glückseliger Freude, sprudeln die Töne einer nach dem anderen, wie aus einer überschäumenden Champagnerflasche, über die Lippen der sympatischen Charmeuse.

 

Willis Sorensen traut sich was, als sie kurz vor den finalen Schlussakkorden, ein demonstrativ provokatives Hüsteln, fast wie ein Ausrufezeichen, in die abgesetzte Pause des Lehar Klassikers setzt. Fast stockt mir dabei der Atem als Sorensen fantastisches Instrument sich nur unmittelbar danach scheinbar übergangslos mit einer stimmlich kristallklaren Schärfe auf dem Höhepunkt des exponierten Schlusstons entlädt.

 

Jetzt gibt es kein Halten mehr. Das Publikum geht mit und auch Kaufmann und Sorensen gestalten den weiteren Verlauf des Abends auf eine fast unkonventionelle Art und Weise, die einen Hören und Sehen vergehen lässt - und das im äußerst positiven Sinne.

 

© Festspielhaus Baden-Baden

 

In der Arie "Lippen schweigen" liegt eine verhaltene Zärtlichkeit und Intimität, die selten gesanglich so ausgereift und darstellerisch formvollendet dargeboten wird, wie just in diesem Moment und ausgerechnet von diesem tollen Due auf der Bühne.

 

Im zweiten Konzertteil nach der Pause wird es dann endlich gemütlich. Das Wiener Lied bahnt sich ungezwungen und angenehm vereinnahmend seinen Weg in die vielen tausend Seelen der dankbaren Zuhörerschaft.

 

Taut da etwa der Tenor aus steifer Opern-Attitüde auf? Mit dem Mikrophon und dem Publikum um die Wette flirtend, haucht und raunt es in den Saal, dass einem ganz warm ums Herz wird. Und es wird immer wärmer, je mehr das Liedrepertoire von der dialektischen Eigenart der Wiener Schmonzette untermalt wird.

 

Wüsste ich es nicht besser, so sähe ich das Publikum beinahe schon schunkelnd in die eingängigen Melodien mit einstimmen. Stattdessen wird euphorisch im Takt geklatscht und leise mitgesungen, nicht pausenlos, aber stellenweise immer wieder und immer mehr.

 

© Festspielhaus Baden-Baden

 

Zwanglos und mit sich selbst beim musikalischen Tête-à-Tête, gefällt sich Jonas Kaufmann ganz offensichtlich in der Rolle des singenden und darstellenden Unterhaltungskünstlers. Und das kommt unglaublich gut an. Gestik und Mimik des facettenreichen Sängers offenbaren ein nie gekanntes Charisma, das verzaubert, entzückt und amüsiert.

 

Der Abend ist so was von gelungen, unvergesslich schön und süchtig machend, dass ich gar nicht glauben kann, dass der Münchner Tenor seine "Mein Wien" Tournee nun endgültig beendet.

 

Fünf Zugaben sind die letzten "Zuckerln", die das Publikum versöhnlich stimmen sollen. Und mit dem leisen, fast schon geflüsterten Servus, verklingt ein unwiderbringlicher Abend, der auf ein baldiges Wiedersehen mit Jonas Kaufmann und der Operette hoffen lässt.

 

Weitere Informationen zum Künstler sowie Konzertdaten auf:

www.jonaskaufmann.com

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