Stürmisch leidenschaftlicher Roberto González-Monjas berauscht das Publikum der Elbphilharmonie mit Verve

04. Februar 2024

Rubrik Konzert

©Marco Borggreve

"Don Roberto", so nennen ihn begeisterte Klassik-Fans einer Reisegruppe aus Winterthur, die extra für das Konzert "Im Sturm der Leidenschaften" erstmalig die Elbphilharmonie beehren. Aber für wen genau hat dieser ganze reiseintensive Aufwand stattgefunden?

 

Von Nicole Hacke

 

Nun, der junge Mann mit dem überbordenden Elan, der elektrisierenden Energie und der charismatischen Ausstrahlung, ist der äußerst gefragte Dirigent Roberto González-Monjas, der nicht nur virtuos den Taktstock erhebt, sondern auch auf der Geige maßgeblich berauschend intensive Klangimpulse setzt und von besagter Schweizer Fangemeinde einfach nur "Don Roberto" gekost wird.

 

Mit Werken von Wolfgang Amadeus Mozart und David Philip Hefti, steckt der passionierte Dirigent und Violinist in Personalunion den abendlichen Konzertrahmen.

 

Doch wer ist bitte David Philip Hefti?

 

Fünf Concertini für Streichorchester bilden den Auftakt zu einem brandneuen Klangerlebnis, das viel neuer als die Neue Musik 2022 das musikalische Licht der Welt erblicken durfte.

 

Flirrend, summend, schabend, kratzend: Das ist die Musik der Gegenwart. Im Programmheft liest es sich folgendermaßen: Die einzelnen Concertini lassen auf ein ebenso leidenschaftliches wie einfallsreiches Ausdrucksspektrum schließen und sind jeweils mit folgenden Charakteristika betitelt: "blendend", "ätherisch", "samtig", "bittersüß" und "rauschend". 

 

Musikalische Aggregatzustände also, die extrem experimentell kakophonisch klingen und irgendwie an zirpende Grillengeräusche erinnern. Nichts von dem Gehörten prägt sich weder in das musikalische Gedächtnis ein, noch trifft es den Nerv der Zeit. Oder vielleicht doch?

 

©Marco Borggreve

Die musikalische Kost ist jedenfalls genauso schwer zu verdauen wie die aktuellen gesellschaftspolitischen Umbrüche und Zustände, die gezwungenermaßen ertragen werden müssen.

 

Es braucht somit dringend etwas Zerstreuung, unterhaltungsintensive Virtuosität, Abstand von nervenaufreibenden Dissonanzen und unnötigem atonalen Gebaren. Ja, es braucht vielmehr den süßen harmonischen Sirup eines Wolfang Amadeus Mozart.

 

Und den gibt es zuhauf gleich im Anschluss an die "Musikalische Kunst der Moderne".

 

Mit sprudelnder und vulkanisch eruptiver Leidenschaft bahnt sich nun ein einzigartiges Techtelmechtel mit einer Violine von Giuseppe Guarneri an, die 1703 ihre Geburtsstunde hatte und mit einem einzigartigen Klang versehen, von Roberto González-Monjas mit Verve zum Leben erweckt wird.

 

Unisono mit dem Orchester bricht nun ein fulminanter harmoniesatter Klangteppich los. Verschmelzend zu einer streichzarten Einheit, flimmern die Geigen rhythmisch kraftvoll und stürmisch aufbrausend farbenreich und melodisch süffig in das Auditorium des Kleinen Saales der Elbphilharmonie.

 

Wie von einer anderen Welt erlebt sich dieses bewegte Zusammenwirken von Orchester und Solist. Dabei scheint der Spanier aus Valladolid ein mutitaskendes Genie zu sein:

 

Während er wie ein Derwisch auf der Violine mit flink fliegenden Fingern den Saiten seiner Guarneri brillanteste Tonperlen entlockt, wirbelt er, immer im direkten Blickkontakt mit den Instrumentalisten, in einem Fort mal zur linken, mal zur rechten Seite, animiert, setzt Agogik-gebende Akzente, kurzum:

 

©Marco Borggreve

Der Mann spielt und dirigiert mit vollem Körpereinsatz und verbreitet dabei noch extrem gute Laune auf der Bühne und im Saal.

 

Dabei schaukelt sich die Musik in rauschend wogenden Wellen immer leidenschaftlicher in klangexplosive Höhen.

 

Doch dann kommt das Geigensolo! Jetzt zeigt González-Monjas seine ganze Strahlkraft, seine geballte Emotionalität und Virtuosität.

 

Gleich einem Flügelschlag, der sich in Millisekunden hebt und senkt, tanzen die Finger, ja fliegen, gleiten, schweben diese über die Saiten, mühelos, ausdrucksstark und mit einer Intensität, die dem Instrumentalisten volle Konzentration abverlangt.

 

Hörbar einatmend mit jedem neuen Ansetzen, fiebert man innerlich mit dem Künstler mit. Die schnellen Läufe verselbstständigen sich beim reinen Mithören, überschlagen sich nahezu und sind einfach ungreifbar flüchtig. Eine Magie wie ein opiatischer Rausch, ein Virtuose aus der Kraft seiner Disziplin und brennenden Leidenschaft geboren.

 

Es stockt einem leicht der Atem, gerne hält man die Luft an, wenn die Musik Mozarts so lebendig, frisch, strahlend und mit Verve dargeboten wird. Sie klingt wie neu, junggeblieben und überhaupt nicht so alt wie ihre Geschichte, aus der sie entspringt.

 

©Marco Borggreve

Roberto González-Monjas ist ein absoluter "Mozart-Beschwörer". Sein Pathos, seine Energie, sein Elan, seine Wucht mit denen er sich in den Werken des "Wunderkindes und Genies" verewigt, sind Grenzen sprengend.

 

Zum Abschluss des eindrücklichen Abends schält sich als letzte Darbietung Mozarts Sinfonie Nr. 40 in g-Moll konturiert aus dem insgesamt in sich stimmigen Programm heraus.

 

Der tiefgründige Charakter von Mozarts Persönlichkeit, die sich meistens in verspielt humoristischen Auftragswerken offenbart, kommt in dieser "Moll-Melancholie" ausdrucksstark zur Geltung. 

 

Mozart at his best! Diese Sinfonie rockt, erreicht Herz und Seele gleichermaßen, braucht aber ein Dirigat, das bewegt und bewegen kann.

 

Es inspiriert, González-Monchas in seinem Wirken auf der Bühne zu beobachten. Dieses impulsive Mittendrin und überall sein. Jeder Einsatz des jungen Dirigenten ist auf den Punkt genau, Spaß und Freude bilden dabei den Klebstoff, der dieses musikalische Gespann zusammenhält. Dirigent und Orchester bilden einen Einheit. Es gibt dabei kein Patronisieren von oben herab, sondern ein anleitendes Miteinander, ausdrucksstark und wechselseitig befruchtend. Der Funke springt in alle Richtungen über, die Energie schwebt im Saal.

 

Was für ein erlebnisintensiver Abend, der ganz sicher nicht im Sturm der Leidenschaften untergeht.

 

PROGRAMM:

 

David Philip Hefti

Fünf Concertini für Streichorchester (2022)

 

Wolfgang Amadeus Mozart

Konzert für Violine und Orchester Nr. 3

 

PAUSE

 

Wolfgang Amadeus Mozart

Sinfonie Nr. 40 g-Moll, KV 550

 

Dirigat:

Roberto González-Monchas

 

Musikkollegium Winterthur


©Marco Borggreve

Der Geiger und Dirigent Roberto González-Monjas, der 1988 im spanischen Valladolid geboren wurde, studierte bei Igor Ozim an der Salzburger Universität Mozarteum und bei David Takeno an der Londoner Guildhall School of Music and Drama.

 

Er war Konzertmeister beim Orchestra dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia in Rom und beim Musikkollegium Winterthur, das ihn 2021 zu seinem Chefdirigenten berief.

 

Seit 2019 leitet er bereits das schwedische Kammerorchester Dalasinfoniettan, und mit Beginn der Saison 2022/23 tritt er ausserdem die Position des Principal Guest Conductor beim Belgian National Orchestra an.

 

González-Monjas arbeitete mit Klangkörpern wie dem Mahler Chamber Orchestra, dem Salzburger Mozarteumorchester und der Camerata Salzburg, dem Orchestre Philharmonique du Luxembourg, dem Orchestre National Bordeaux Aquitaine, dem Orquesta Sinfónica de Galicia, dem Orchestre national d’Île de France und dem Hong Kong Philharmonic Orchestra zusammen.

 

Regelmässig tritt er mit den Berliner Barock Solisten auf, so zuletzt als Solist in Bachs Brandenburgischen Konzerten. Zu seinen musikalischen Partner*innen zählen überdies die Geigerin Lisa Batiashvili, die Sänger*innen Joyce DiDonato, Ian Bostridge und Juan Diego Flórez, der Pianist Sir András Schiff und der Cellist Steven Isserlis.

 

Gemeinsam mit dem Dirigenten Alejandro Posada gründete er 2015 die Non-Profit-Organisation Iberacademy, die sich die nachhaltige Förderung der musikalischen Ausbildung in Lateinamerika zum Ziel gesetzt hat.

 

Auf CD veröffentlichte Roberto González-Monjas, der als Professor für Violine an der Londoner Guildhall School unterrichtet, u. a. Bachs Brandenburgische Konzerte mit den Berliner Barock Solisten und Reinhard Goebel sowie Serenaden von Mozart und Schoeck mit dem Musikkollegium Winterthur.

 

Er spielt auf der «Filius Andreae»-Violine von Giuseppe Guarneri aus dem Jahr 1710, deren Ankauf fünf Winterthurer Familien ermöglichten und die ihm durch die Rychenberg-Stiftung zur Verfügung gestellt wird.


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