02. Juli 2024
Rubrik Konzert
©Sonya Yoncheva
Gedämpftes Licht, ein wenig schummrig. Nur auf der Bühne hinterlässt ein Scheinwerfer einen warmen Lichtkegel, in dessen Mitte sich Sonya Yoncheva für ihren Lied- und Arienabend beim Recontres d´Evian hochkonzentriert in Positur stellt.
Am Flügel der international renommierte Liedbegleiter Malcom Martineau, der die ersten Töne von Puccinis "Sole e amore" erklingen lässt. Es ist der Beginn einer liedintensiven Reise, die mich in fremde Musikgefilde entführt.
Von Nicole Hacke
Schlicht, nahezu einfach wirkt das Liedrepertoire Puccinis, das deutlich weniger bekannt ist, als die epischen Opernarien des Komponisten, die doch ein jeder mindestens einmal gehört, wenn nicht sogar mehrmals im Stillen mitgesummt hat.
Ob "Sole e mare", "Terra e mare" oder gar "Canto d´anima", irgendwie will sich das Liedgut des unvergesslichen Italieners nicht im Gehörgang festsetzen, obgleich Sonya Yoncheva ihr Allerbestes gibt, um mit Strahlkraft und Verve den gesangsinterpretatorischen roten Faden aufzunehmen.
Sperrig erscheinen auch die Lieder der Komponisten Tosti und Verdi, vielleicht sogar stellenweise ausufernd wuchtig, zumal für ein Genre, das sich dem intimen Liedgesang verschrieben hat, zart und duftig, im Idealfall sogar sphärisch anmuten sollte.
Denke ich dabei an Schumann, kommen unverzüglich romantische Gefühle in mir auf. Nicht so bei diesem ausgewählten, sicherlich interessanten Programm, das allerdings nicht meiner Vorstellung vom romantischen Lied entspricht.
©Sonya Yoncheva
Erst nach der Pause wird es spannend, denn da erobert sich Sonya Yoncheva kühn gleich mit der ersten Puccini Arie "se como voi piccina" aus der Oper "Le Villi" ihr abgestecktes Revier. Anmutig, ästhetisch perlen die sprudelnden Töne nur so aus ihr heraus.
Selbstbewusstsein dringt an die hellschimmernde Oberfläche. Jetzt geht ein Licht in der Sopranistin an, wird immer heller, strahlender, brillanter und blendender, was ganz sicher daran liegen mag, dass die Puccini-Arien bekannt, eingängig und mit besonders ästhetischer Melodik gesegnet sind.
Unfassbar großartig gestaltet sich daher auch alles, was die Opernsängerin an diesem Abend noch in petto hat. Viele Trumpfe ausgespielt, wird "Vissi d´arte" zur Signature-Arie der Gesangsinterpretin.
Wie sich Sonya Yoncheva mit jeder Faser ihrer Stimme samt Emotionen in diesen Schmachtfetzen einer tonpoetischen Fantasie hineinversenkt.
Alles gebend, bis an das Limit tiefschürfender Gefühle, schöpft Sonya Yoncheva immer wieder aus dem Vollen, farbenreich, mit satten Nuancierungen und einer innigen Intensität der leisen Töne, die aus der Stille geboren, wie ein Versprechen an die Seele sind.
Mit ebenso spannungsgeladener Intensität, einen weiten Bogen ziehend, dabei so tief versunken in einem Rausch der leisen Töne, gibt sich Yoncheva Puccinis "O mio babino caro" hin.
Einem Wiegenlied gleich, sanft, einlullend, wird man als Zuhörer in einen melodischen Kokon gepackt, in dem man sich einhüllt, warm, wohlig und geborgen fühlt, und auf immer und ewig verharren möchte.
©Sonya Yoncheva
Doch bevor das passieren kann, wird es im Zugabenteil plötzlich äußerst temperamentvoll. Die Sopranistin wechselt rapide den Kurs und begibt sich auf mezzo-sopranistische Abwege.
Schnurstracks zusteuernd auf die feurige, hochexplosive "Femme fatal" Carmen, scheint die Yoncheva auch in diesem Fach äußerst versatil zu sein.
Mit abgedunkelter, raumgreifender Tiefe, honiggoldenen Nuancen changiert das Vokalinstrument der gefeierten Opernsängerin zwischen grazil-wendigen Höhen und sonor-üppigen Registertiefen, was dem unergründlichen Charakter der Carmen eine pfeffrig-verruchte Note verleiht.
Und das Publikum jubelt, ist begeistert, feuert frenetische Applaussalven auf die hocherfreute Künstlerin ab. Es ist einer dieser Abende, bei dem sich der Steigerungsmoment überraschend aus der Reserve des 1. Programmteils seinen Weg nach vorne kämpfen muss.
Aber genau dieser musikalische Kampf in das eroberungswürdige Arienprogramm hat sich allemal gelohnt. Bravissimo, liebe Sonya Yoncheva.