Salzburger Camerata und Hélène Grimaud verzaubern mit einzigartigem Klangerlebnis in der Elbphilharmonie

13. Juni 2024

Rubrik Konzert

©Salzburger Camerata

Großartige musikalische Momente brauchen immer auch höhepunktreife Interpretationen. Mit der Salzburger Camerata und der Pianistin Hèlène Grimaud blühen am heutigen Abend in der Elbphilharmonie genau diese Momente in tonaler Pracht auf.

 

Und das liegt vor allem an der unkonventionellen Spielfreude, die sich bei der Camerata steigerungsintensiv und mit explosiver Dynamik verselbstständigen zu scheint.

 

Schließlich ist das traditionsreiche Orchester auch kein gewöhnliches Kammerorchester, sondern das mit Abstand renommierteste und wohl auch berühmteste der Welt.

 

Was Sie auszeichnet und einzigartig macht, ist das demokratisierte Zusammenwirken der Instrumentalisten untereinander. Und so erklingen die ersten tonalen Aufschreie aus Beethovens Ouvertüre "Coriolan" mitreißend und so energiegeladen, dass man vor Schreck, ob der dynamischen Expressivität, gleich in seinem Sitz zusammenzuckend hochfährt.

 

Ganz so lebendig habe ich dieses Meisterwerk der tonalen Dichtkunst tatsächlich noch nie gehört. Wie bei einem guten Thriller zieht einen das Orchester von der ersten Sekunde an musikalisch in den Bann.

 

Faszinierend wie aufregend Beethovens Ouvertüre, wie packend und auch impulsiv die Töne rauschhaft in den Gehörgang fließen. 

 

Was für ein Powerhouse musikalischen Temperaments, das überschäumend wie prickelnder Schampus kontrolliert unkontrolliert fast nicht mehr zu bremsen ist.

 

©Mat Hennek

Und das liegt wohl auch ein großes Stück weit an dem flott-forschen Dirigat von Giovanni Guzzo, der als Konzertmeister mit viel Verve und Feuer unterm Allerwertesten seine musikalischen Mitstreiter zu Höchstleistungen animiert.

 

Auf und ab, auf und ab "schwubbdiwuppt" sich der drahtige Violinist von seinem Hocker in die Höhe, interagiert zu jeder Sekunde blitzschnell wie ein Derwisch und ist dabei so mittendrin im musizierenden Geschehen, dass man meint, es gäbe überhaupt kein Dirigat.

 

Diese Art des gleichberechtigten Miteinanders, das auf Augenhöhe passiert und dennoch nicht im kakophonischen Chaos endet, erscheint mir einzigartig.

 

Aber mit genauso viel agogischer Raffinesse durchleben die Salzburger Camerata das musikalische Erbe Beethovens.

 

Alle verschmelzen sie zu einer tonal formschönen Einheit und bleiben doch irgendwie autonome Virtuosen, die sich miteinander in interpretatorischer Freiheit zu synchron klingender Perfektion anstacheln.

 

Als die französische Pianistin Hélène Grimaud die Bühne betritt in einem Glitter-Glamour-Outfit, das vor Pailletten nur so übersäht ist, und die ersten Töne des Klavierkonzerts Nr. 4 G-Dur op. 58 erklingen lässt, erlebt sich Beethovens Klavierkonzert im direkten Vergleich zur vorangegangenen Ouvertüre verspielter, ruhiger strömend und harmonisch satter.

  

©Igor Studio

Beruhigt kann man sich nun zurücklehnen und dem souveränen Klavierspiel der androgynen Pianistin lauschen. Mit unangestrengtem Laissez-faire, scheinbar mühelos plänkeln ihre flinken Finger auf der Klaviatur rauf und runter.

 

Fluide, gleichmäßig Läufe, locker erscheinende Anschläge, eine feine, zurückgenommene Eleganz, wie man sie selten von anderen Pianisten hört, so überzeugend gibt sich die ernst wirkende Künstlerin.

 

Hélène Grimaud stellt sich wahrlich nicht in den Vordergrund, braucht keinen extrovertiert und auf Showeffekt angelegten Auftritt.

 

Still und mit diszipliniert gerader Haltung fließen die Töne ihr nur so aus dem Handgelenk heraus, sprudelnd und so als benötigte es keine muskuläre Kraft in den Fingern.

 

In sich versunken, aber nicht verloren, verschmilzt das fingerflinke Spiel im Klangtiegel pastellfarbener Harmonien, und wird eins mit der Klaviatur.

 

Es ist ein großer Genuss, sich dieser "klaviertuosen" Dichtung hinzugeben. Ja, Hélène Grimaud ist eine Poetin, die Melancholie mit farbenreichen Facetten und authentisch emotionalen Temperaturen versehen kann.

 

Wie schön und zugleich tieftraurig ist doch das Allegro affettuoso aus Robert Schumanns Klavierkonzert a-Moll op. 54, das einen tief berührt, fesselt und in der Seele nicht mehr los lässt.

 

Diese Frau hat es absolut drauf, aus formvollendeter Klavierkunst eine musikalische Sprache zu formen, die wie folgt buchstabiert wird: E-M-O-T-I-O-N!

 

Und so geht auch heute ein Abend zu Ende, der sehr viel Begeisterung erfährt und noch dazu zwei Zugaben.

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