Lisette Oropesa verzaubert das Hamburger Publikum mit leidenschaftlichem Temperament und einer Stimme zum Dahinschmelzen

19. Januar 2025

Rubrik Konzert

©Steven Harris

Wenn man diese Stimme hört, ist man baff! Zum ersten Mal in der Hamburgischen Staatsoper gibt die Königin des Belcanto, Lisette Oropesa, einen Konzertabend, der sich wahrhaft als Superlative verewigen darf. Das Programm ist einzigartig ebenso wie seine Interpretin, die im ersten Teil spanisches Temperament mit einem großen Schuss Vokalerotik auf die Bühne bringt.

 

Ob Maurice Ravel, Jules Massenet oder gar Georges Bizet: Sie alle wussten um den Charme des spanischen Liedes, das mal heiter-sonnig in das Auditorium abstrahlt, um sich kurz darauf mit einer Melancholie zu umfloren, die einen tief versteckten Schmerz mutmaßen lässt.

 

Von Nicole Hacke

 

All das kann und interpretiert Lisette Oropesa mit einer lebendigen Strahlkraft, die sich immerzu elegant in die exponiertesten Registerhöhen schwingt; messerscharf und dennoch butterweich und samtig klingend. 

 

Dabei gestaltet die Sängerin ihre Koloraturen mit athletischer Flexibilität und adrett auf den Punkt gestalteten Läufen; schnell, schneller und so dermaßen exakt, dass man dahinter nur eine Wahnsinnstechnik gepaart mit einer stimmlich unvergleichlichen Versatilität vermuten kann.

 

Doch noch viel mehr beeindruckt dabei Lisette Oropesas Gestaltungsvermögen, das vor dynamischer Spannkraft nur so strotzt. Mäandernd fließen die Klangperlen wie geschmeidig saturierter Honig in langen Bögen dahin, immer auf Spannung vom ersten bis zum letzten Ton. Ihr Timbre, ein schmeichelnd warmes und hellschimmerndes Lichtermeer, in das man glatt eintauchen möchte.

 

Und wie das erst klingt: umwerfend, brillant und betörend schön!

 

©Steven Harris

Noch dazu kommt an Lisette Oropesa Stimmbeherrschung kein Spannungsbogen vorbei, denn die charismatische Künstlerin hat ihren perfekt kontrollierten Atemfluss fest im Griff und schafft es so, ihr Vokalinstrument mit duftiger Noblesse in die schillerndsten Höhen äußerst flexibel hinauf zu katapultieren.

 

Und das erscheint einem so unangestrengt und lässig, dass man beim bloßen Zuhören nicht glauben mag, dass sich dahinter eine absolut wasserdichte Technik verbirgt. Noch weniger kommt einem in den Sinn, dass auch nur irgendein Ton die Künstlerin aus der Bahn werfen oder gar anstrengen könnte.

 

Schließlich hüpft Lisette Oropesa zwischen den einzelnen Darbietungen tänzelnd ganz frohgemut und voller Elan auf die Bühne zurück, um ihr Publikum sodann mit einem strahlenden und sehr vereinnahmenden Lächeln zu beglücken. Immer wieder formt sie mit ihren Händen ein Herzchen und wirft es aus hell leuchtenden Augen ins Auditorium hinein. 

 

Das ist "so nice", dass, wenn man die Interpretin zuvor noch nie live erlebt hat, sich augenblicklich in diese Lichtgestalt verlieben muss - rein künstlerisch natürlich. Denn das geballte Doppelpack aus Künstlerin und Persönlichkeit befeuert die Faszination, die an diesem Abend einem Ausnahmetalent gilt.

  

Ja, diese Frau hat nicht nur Stimme, sie hat auch eine magnetisierende und gleichermaßen elektrisierende Ausstrahlung, der man sich nicht entziehen kann, von Wollen will man doch gar nicht erst reden.

 

©Steven Harris

Magnetisch angezogen fühlt man sich gleichermaßen auch vom Liedbegleiter des Abends, der Lisette Oropesa eine klaviertuos klangfarbenreiche Bühne bereitet.

 

Alessandro Praticò ist ein Typ, den man so schnell nicht vergisst, denn er versteht es, das Publikum nicht nur tonal auf eine berauschende Reise zu entführen, sondern auch mit Erzählkunst seine Soloeinlagen spannend anzumoderieren, vielleicht ein wenig unkonventionell. Doch genau das trifft beim Publikum begeisterungsintensiv so mitten ins Herz.

 

Ein Volltreffer ist vor allem sein Klavier Solo im zweiten Programmteil, das einen packt, fesselt und einfach nicht los lässt. Mit leidenschaftlicher Verve, getoppt nur durch ausnahmslose Explosivität, flammen die Finger des Pianisten in einem Moment der musikalischen Impulsivität nur so über der Klaviatur auf, um sich just im nächsten Moment mit geballter Kraft hingebungsvoll in ihr zu versenken.

 

Ausdrucksstark, kraftvoll und dann auch wieder ganz sanft, fast zärtlich entsteht so ein Wechselspiel der Gefühle, das sich mit aller Macht und großer Wirkung im Auditorium entlädt. Alle Facetten des Lebens, die uns durch Freude, Liebe, Zuversicht, Drama, Trauer und Verzweiflung zuteil werden, sind in diesem Stück, dass sich "Pace non trovo" nennt, enthalten.

 

Wenn Alessandro Praticò es interpretiert, scheint es aus zügelloser Leidenschaft geboren, gelebtes Leben auszuatmen. Einfach herrlich!

 

©Steven Harris

Gefangen in dieser Welt aus musikalischem Farbenreichtum und schillernd schöner Klangmagie, verzaubert Lisette Oropesa schließlich im 2. Programmteil mit bekannten Arien von Donizetti und Verdi. Dabei fällt einmal mehr auf, wie fein und konturiert ihre Legato-Linien ausgestaltet sind.

 

Gesangliche Perfektion und emotionale Tiefe gehen bei Lisette Oropesa einfach Hand in Hand. Und das bei einem Hammer-Repertoire, von dem ich persönlich Alpträume kriegen würde, so dermaßen schwer scheint mir doch diese Lied- und Arienauswahl zu sein.

 

Aber die liebreizende Interpretin, die weder aus der Ruhe, noch ins Schwitzen zu bringen ist, toppt nach Ende des 2. Programmteils den Abend mit einer ganz besonderen Zugabe, in der sich der Frühling Raum macht und alles, wirklich alles zu blühen beginnt, vor allem die lyrisch opulente Stimme des Ausnahmetalents. Schumann soll es sein, muss es sogar. Denn Lisette Oropesa liebt diesen Liedkomponisten über alles.

 

Und das sie das tut, hört man gleich beim ersten zum Dahinschmelzen intonierten Ton. Mit jeder Phrase, durch jedes Wort, in allem, was die Sängerin da auf der Bühne vollbringt, werden die großen, wahrhaften, stillen und intensiven Gefühle erweckt. 

 

Es ist eine Offenbarung, wenn Lisette Oropesa sich dem deutschen Lied widmet. Mit ihr atmet es den Duft von Frühling im bitterkalten Winter. Und das ist vielleicht nur eine Imagination, aber dennoch ist sie wunderschön.

 

Als letzte Zugabe erklingt "María La O", ein kubanisches Lied des Komponisten Ernesto Lecuona, dass nicht nur vor rhythmischer Leidenschaft lodert, sondern einen auch feurig-heiß in die Beine schießt. Jetzt möchte man doch gerne ein bisschen noch das Tanzbein schwingen. Mit tosendem Applaus, der frenetisch außer Rand und Band zu geraten droht, endet die wundervolle Kunst der Lisette Oropesa. Was für ein Glück, dass wir sie hier in Hamburg erstmals live erleben durften.

 

Noch mehr LUst auf Lisette Oropesa: hier geht es zum Interview!

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