20. Oktober 2024
Rubrik Konzert
©Daniel Dittus / Elbphilharmonie
Pauline Viardot-García wäre stolz auf so ein überaus erfrischendes Damen-Duo gewesen, hätte sie den gestrigen Abend im Kleinen Saal der Elbphilharmonie mit Sopranistin Katharina Konradi und Mezzosopranistin Catriona Morison live und unplugged miterleben können.
Mit einer berauschend hypnotisierenden Liedauswahl im Gepäck, die sich im ersten Programmteil von Schumann über Brahms erstreckt und sich just nach der Pause in melancholischen Chansons und spanisch temperamentvollen Canciones aufbricht, vermögen die beiden grandiosen Liedinterpretinnen einen aufregenden, anregenden und spannenden musikalischen Rundumflug durch die kunterbunte Welt des Kunstliedes zu zelebrieren.
Von Nicole Hacke
Und das gleich von der ersten Sekunde an. Wie zwitschernd das klingt. Wie harmonisch sich beide Stimmen zu einer gesanglich ästhetischen Einheit vermengen.
Es ist wahrhaft berauschend, opiatisch nahezu, in dieses Klangerlebnis einzutauchen und im Rausch des nachtigallengleichen Gesangs unterzugehen.
Allen voran Katharina Konradi, die mit ihrer tirilierenden Stimme, brillantscharfe Höhen mit Leichtigkeit und einer Duftigkeit nimmt, so schwerelos dahinschwebt und elegant vor sich hingleitet, dass man glaubt, die Englein singen zu hören, ist allein schon ein traumhaftes Erlebnis sondergleichen.
Keck schauspielert sich die aus Kirgisistan stammende Sopranistin mit formgebender Erzählkunst ebenso schnell in die Herzen ihres Publikum wie sie mit ihrem verführerischen Augenaufschlag fröhliche Blitze in das Publikum absetzt.
Erfrischend, lebendig und so überaus vital strahlt die zierliche Persönlichkeit aus allen künstlerischen Poren und trifft dabei nicht nur jeden Ton formidabel, sondern ganz direkt auch in die Herzen der Zuhörer.
©Daniel Dittus / Elbphilharmonie
©Daniel Dittus / Elbphilharmonie
Ganz viel Freude schwappt an diesem Abend ins Auditorium, auch dann, wenn die schottische Mezzosopranistin Catriona Morison mit ihrer sonoren bernsteinfarbenen Stimme zu eleganten Liedinterpretationen ansetzt.
Samtweich, anschmiegsam und mit ebenso betörender Leichtigkeit in den exponierten Höhen, schafft es die Künstlerin, sich gegen die stimmliche Wucht einer sehr präsenten Katharina Konradi erfolgreich zu behaupten.
Herrlich multifacettiert, bildschön im Ausdruck, mit klarer Diktion und einer edlen Ausstrahlung, hört und schaut man der begnadeten Sängerin gebannt beim Gestalten, Erzählen und gesanglichem Kreieren zu.
Liegt es wohl an dem außerordentlich raffiniertem Programm, das die süffigsten Lieder in allen multikulturellen Schattierungen vereint und somit Lust und Laune auf immer mehr Steigerungsmomente macht?
Die Bandbreite der länderübergreifenden Liedausrichtungen ist faszinierend. So klingt Schumann immerzu romantisch-melancholisiert, während das französische Chanson wie ein Stück zuckrige Tristesse daherkommt, um am Ende von rassig-feuriger Glut eines fröhlich spanischen Temperaments abgelöst zu werden.
In allem steckt an diesem Abend viel musikalische Liebe drin. Dass die beiden Sängerinnen sich gut verstehen, ist offensichtlich.
Mal necken Sie sich, schauen einander bei den wechselseitigen Solis zu, hören genau hin, was die andere macht und provozieren so das Publikum auf animierende Weise mitzugehen und immerzu dicht an den beiden Interpretinnen dran zu bleiben.
©Daniel Dittus / Elbphilharmonie
©Daniel Dittus / Elbphilharmonie
Und auch der Dritte im Bunde, Liedbegleiter Ammiel Bushakevitz, begeistert mit seiner ausgesprochenen Spielfreude an der Klaviatur. Als Teil des Trios ist er nicht nur Begleiter par excellence, sondern Erzähler und Animateur in Personalunion.
So hebt er den Gesang auf ein Podest, verleiht ihm Flügel und lässt beide Damen im Glanz seiner klaviertuosen Zauberkraft erstrahlen.
Es blüht an allen Enden und Ecken, üppig, üppiger am üppigsten. Das Kunstlied kann so schön sein wenn Drei es schaffen mit Freude, überbordender Leidenschaft und musikalischer Virtuosität eine Strahlkraft zu entwickeln, die imaginäre Bäume in den Himmel wachsen lässt.
Wahnsinn. Dieser Abend wird immer intensiver und steigert sich im zweiten Programmteil mit den spanischen Canciones in eruptive Zustände.
Dass Katharina Konradi dem spanischen Fach gewachsen ist, wird unzweifelhaft gleich mit Obradors "Las Coplas del curro dulce" klar, einer Liedgattung, die sich als Copla in den 30er-Jahren aus der Canción andaluza entwickelt hat.
In unorthodoxe Höhen, schier unerreichbar für den Laiengesang, schraubt sich das Vokalinstrument in intensiven Registerwechseln mal hoch, mal runter, um in der Sekunde auf dem Punkt genau zum Salto mortale anzusetzen. Wow! Da sitzt einfach jeder Ton und mit ihm bahnt sich die sprudelnd überschäumende Leidenschaft ihren Weg ins Publikum.
©Daniel Dittus / Elbphilharmonie
©Daniel Dittus / Elbphilharmonie
Nach Pauline Viardot-Garcías "Habanera" gibt es noch drei französische Lieder, die Katharina Konradi und Catriona Morison zusammen darbieten. Und so klingt es wiederholt himmlisch, wenn beide Stimmen im Einklang miteinander verschmelzen.
Das Publikum ist glücklich, überglücklich! Mit viel frenetischem Applaus überschüttet, der sich durch wenig Verständnis für das Ende des Abends in ungebrochenen Beifallsbekundungen auszeichnet, müssen noch drei Zugaben her, die prompt gegeben werden.
Nur eine vierte Zugabe, die gibt es nicht. Das signalisiert Katharina Konradi, indem sich sich, bevor sie endgültig von der Bühne abtritt, ihrem Publikum flugs zum Abschied einmal zuwinkt. Herrlich! Diese Frau hat Esprit, ist erfrischend und so natürlich.
Bitte mehr von diesen Liederabenden, die wie Zuckerln auf der Zunge zergehen.
Weitere Termine von Katharina Konradi auf www.operabase.com