09. Dezember 2024
Rubrik Konzert
©Petr Dyrc
Filmmusik kann der Mann jetzt auch noch! Aber sicher! Jonas Kaufmann, der Tenor der Tenöre weiß schließlich um sein einzigartiges Potenzial, das sich in gesanglicher Versatilität ausdrückt und mit beeindruckender Wandelbarkeit auftrumpft.
Mit viel Liebe zum Sujet präsentiert der charismatische Opernsänger flotte, romantische und heroische Allzeit-Klassiker aus epischen Meisterwerken der Filmindustrie.
Von Nicole Hacke
Ob "Singing in the Rain", "Ich küsse ihre Hand, Madame" oder "Wonderful World"; mit Kaufmanns erotisierend, samtsatten Timbre gelingt dem Tausendsassa ein besonderer Abend im architektonischen Juwel des Smetana Saales in Prag, dort wo der Film ursprünglich seinen Lauf nahm.
Für den Kultursender ARTE moderiert der eloquente Sängerdarsteller dieses einzigartige Konzert an, das im Februar 2024 live vor Publikum dargeboten wurde.
In einem kurzen Vorspann und in weiteren eingeschobenen Sequenzen, erzählt der Künstler von seiner großen Leidenschaft für das Kino, den Film und all die wunderbar süffigen Hits, die der Filmenthusiast ganz nonchalant an jenem Konzertabend dem Prager Publikum tonal zu kredenzen wusste.
Das dieses Genre kein allzu großer Brückenschlag zum Opern- und Operettengenre ist, beweisen die aufwendig durchkomponierten Stücke, allen voran "Nelle tue Mani" von Hans Zimmer aus dem Film Gladiator.
Aber dazu später mehr, denn wie zu Beginn eines jeden guten Hollywood-Filmes erklingt der obligatorische Superman March von John Williams, der die elektrisierende Spannung auf den bevorstehenden Film glorreich ins Unermessliche steigert.
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Unmittelbar nach diesem triumphalen Einstieg geht es dann auch schon mit einem der traurigsten Welthits der Filmgeschichte los. Mit "Where do I begin" offenbart Jonas Kaufmann seine sanfte und in sich gekehrte Seite.
Melancholie durchzieht jede gesungene Note des Tenors. Warm, samtweich und von tiefdunklen Klangfarben ummantelt schimmert das Vokalinstrument des Ausnahmekünstlers nachtblau in das Auditorium. Kaufmanns Piano-Kultur ist umwerfend, schafft es der Opernsänger mit scheinbarer Leichtigkeit, undurchlässige Zartheit in vokal irisierenden Pastelltönen zu kreieren.
Herrlich temperamentvoll und gleichermaßen Bonvivant erklingt danach der rassige argentinische Tango "Por una Cabeza" von Carlos Gardel.
Mit einer lässigen Portion Esprit schmeichelt sich Jonas Kaufmann elegant in die weiche Melodik der argentinischen Sprache und biegt sie gaumenrund gegen den forschen Rhythmus des Akkordeons.
So wird plötzlich aus dem gediegenen Opernsänger ein feurig-leidenschaftlicher Argentinier, dem man das Temperament in jeder Hinsicht abnimmt.
Von einem Charakter zum nächsten, immer in einer anderen Rolle die entsprechende Filmfigur verkörpernd, gibt es für den Tenor an jenem Abend der gefühlsintensiven Wechselbäder viele.
Ob bei den verklärt-romantischen Liebesbekundungen an Maria aus West Side Story oder aber bei "Strangers in the Night": Entweder swingt es singend aus der Hüfte des Tenors oder aber es strahlt saturiert und vollmundig aus der goldenen, "Watte-weichen" Mittellage.
Bezeichnend ist ganz sicher bei dieser Programmauswahl, dass Jonas Kaufmann auf Stücke setzt, die seine stimmliche Schokoladenseite im allerbesten Licht präsentieren.
Und das ist mittlerweile die bildschöne, üppig fließende und dunkelsamtige Mittellage, der weder Mann noch Frau widerstehen können.
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Und so mäandert die agil und sehr viril klingende Stimme von Stück zu Stück, begeistert bei "Singing in the Rain" genauso wie bei "Ich küsse ihre Hand, Madame".
Auch die wenigen Spitzentöne, die weich und rund im Orbit des Saales hauchzart und perlend fein zu schweben beginnen, schüttelt Jonas Kaufmann nahezu entspannt aus dem Ärmel.
Wenn ein Tenor sein Publikum verführen kann, dann ist es nun Mal Jonas Kaufmann. Erst bei "Nelle tue Mani" wagt sich der Sängerdarsteller an eine Nummer, die leicht ins Gehör geht, aber technisch extrem kräftezehrend ist, zumal auch das obere Register stark beansprucht wird.
Ein langer Atem, exorbitante Höhen und eine Stamina müssen dabei gleichermaßen bemüht werden, um diesen registerintensiven Marathon heroisch stentoral zu meistern. Und das ist wahrlich keine leichte Übung.
Doch der Tenor weiß um die Bündelung seiner Kräfte und seines Ambitus und verzichtet bei der Wiederholung des letzten Refrains auf die Ganztonverschiebung nach oben, indem er den Refrain stattdessen um einen Ganzton nach unten verschiebt.
Das klingt zuerst leicht befremdlich, erwartet man doch diesen bewusst gesetzten Steigerungsmoment, bei der die Stimme sich schmetternd und leuchtend nochmal in die exponierten Obertöne vorwagt.
©Petr Dyrc
Nun, das passiert in diesem Fall, Enttäuschung hin oder her, nicht und nimmt dem Stück ein wenig den heroischen Zauber.
Doch eine Nummer kann diesem intelligent gestrickten Programm nichts anhaben und verwässert auch nicht die Makellosigkeit, mit der Jonas Kaufmann diese wundervollen Filmperlen gestaltet.
Als einzige Zugabe erklingt nach einem "filmreichen" Abend "You´ll never walk alone"; satt, rund, weich, verführerisch, samtig und einfach so warmgolden, wie man es bei Jonas Kaufmann einfach liebt.