Elbphilharmonie: Sabine Devieilhe betört mit einer Stimme wie gesponnenes Gold und Liedern, die den Abend nachtblau malen

20. November 2024

Rubrik Konzert

©Sophie Wolter

Welch Esprit, welch lyrischer Feinsinn. Was für eine Stimme, die glänzt wie gesponnenes Gold! Sabine Devieilhe verzaubert an diesem poetischen Liederabend mit einem traumhaft schönen Programm, das nicht nur die Frauen der Musikgeschichte ehrt, sondern auch der Nacht ein himmlisches Baldachin beschert.

 

Ob Liedwerke von Liszt, Schubert, Strauss, Grieg oder gar Boulanger und Chaminade, ob deutscher oder französischer Lokalkolorit, die liebreizende Französin mit ihrer duftig leichten Stimmkultur versteht es ihren Interpretationen Flügel zu verleihen.

 

Von Nicole Hacke

 

Herrlich schwingt sie sich just im ersten Programmteil mit ihrem biegsamen Vokalinstrument in die lauen Lüfte einer erquickenden Sommernacht auf. Vergessen sind die winterlichen Anmaßungen, die sich draußen vor der Elbphilharmonie dreist ihren Raum erobert haben.

 

Mit Sabine Devieilhe hingegen riecht man den Wald, die bunten Blumenwiesen, erspürt das leicht abdimmende Vogelgezwitscher: In "Nacht und Träume" von Franz Schubert verliert sich ihre brillantklare Stimme in hauchzarten Pianissimi, die von so leichter Textur sind, dass sie noch Sekunden nach ihrem Abklingen tonal in der Luft nachzuwirken scheinen.

 

Entspannt sinkt man auf seinem Stuhl zurück, inhaliert jeden Ton, jede Note, jede vokale Regung dieser äußerst begnadeten Sopranistin, die mit ganz viel Herz und beseelter Magie Liedgestaltung par excellence vollbringt.

 

©Sophie Wolter

©Sophie Wolter

In der Ruhe, die so balsamisch überquillt, liegt Devieilhes vokale Kraft. Immer wieder perlt es warm in der Mittellage, die sich weich und saturiert mit Eleganz über ausufernde Legati in laserscharfe Obertöne schraubt.

 

Wenn es nicht schon die PPP-Kultur gäbe, mit der die höchsten Gefühle der leisen Tone bereits erreicht wären, so müsste man der Künstlerin an diesem Abend noch ein viertes P zugestehen, so kondensiert abgedimmt schwimmen die dynamisch ausfransenden Töne immer noch satt auf einem Hauch von einer flimmernden Luftwelle.

 

Nein, es ist kein Zauber und auch keine Magie, denn es ist technische Raffinesse und höchste Konzentration, mit der dieses Wunderwerk an Stimmbeherrschung so verzaubernd gelingen kann.

 

Das Publikum ist hin und weg und ausgenommen verzückt, als sich die traurige Katze in "Le petit chat triste" ihrem Frust miauend Luft macht.

 

Stimmbegabung hat viele Facetten, so auch die von Sabine Devieilhe und ihrem Liedbegleiter Mathieu Pordoy, der ganz souverän in das "Miauen" der traurigen Katze einstimmt.

 

Schließlich miaut es sich zu zweit viel besser. Der Welt entrückt, so ganz bei sich fühlt man die Nacht Einzug halten, als die Lichter im Saal plötzlich ganz langsam gedimmt werden, während noch die letzten klaviertuosen Takte aus Liszts "Nocturne für Klavier" verklingen.

 

©Sophie Wolter

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Nach der Pause wird es blumig, mädchenhaft und besonders romantisch, wenn Richard Strauss´ Korn- und Mohnblumen sich zu einem herrlichen Bouquet miteinander vereinen und vom Lili Boulangers französischer Tonpoesie verklärt werden.

 

Dieser Liederabend lädt zum Träumen und Schwelgen ein. Und dann erst diese reine, makellose Stimme, die Sabine Devieilhe zu so formvollendeter Erzählkunst animiert.

 

Gebannt hängt man an ihren Lippen und hört ganz bewusst jedes gesungene Wort in sich nachklingen. Das Programm ist aber auch einfach wunderschön gestrickt.

 

Doch der Höhepunkt des Abends ist Édith Piafs "Hymne à l´amour", die Sabine Devieilhe mit einer Innigkeit in das Auditorium absetzt. Zart, fast zerbrechlich wirkt jeder Ton, dem die Künstlerin eine eigene Bedeutung zumisst. Es ist ein Spiel mit den tonalen Facetten, derer da plötzlich ganz viele zutage treten.

 

Wie schön, wie anmutig, wie wahrhaft ein Chanson aus dem Munde einer klassischen Liedinterpretin klingen kann, wenn es ehrlich gemeint und emotional interpretiert wird.

 

Am Ende bleibt man ganz stumm, gerührt und mit einer Träne im Auge zurück, so hinreißend, mitreißend und herzzerreißend brennt sich dieses tonmalerische Erlebnis in Herz und Seele ein.

 

©Sophie Wolter

©Sophie Wolter

©Sophie Wolter

Ein dankbares Publikum lässt brandungsintensiven Applaus aufpeitschen. Noch drei Zugaben müssen her. Und eine davon ist sehr erheiternd.

 

Ein Stück aus einer französischen Operette, die sich "Nacht im Hühnerstall" nennt, wird zum Amüsement für das Publikum, schnattert und gackert es immer mal wieder, wenn Sabine Devieilhe das Gegacker der Hühner und Mathieu Pordoy das Geschnatter der Enten nachahmen.

 

Ein flottes Gespann fürwahr! Dieser Liederabend bleibt unvergesslich, lässt er das Lied so lebendig und leidenschaftlich aufflammen.

 

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