23. Januar 2024
Rubrik Konzert
©Peter Adamik
Wie bereits seit vielen Jahren hält das Berliner Konzertjahr gleich im Januar für all jene, die Fans des Kunstlieds sind, ein besonderes Highlight bereit:
Die Schubert Woche, die dieser Musikgattung mit Liederabenden, öffentlichen Workshops von Hampsons Meisterklasse der Liedakademie des Heidelberger Frühling und dem Abschlusskonzert der Meisterschüler:innen im Pierre Boulez Saal eine herrliche Bühne gibt.
Von Heike Franke
Allein schon der Pierre Boulez Saal ist ein „Must see“ in der Berliner Kulturlandschaft. Mit seiner speziellen Architektur bietet der Saal für jede:n Erstbesucher:in ein „Oho“ Erlebnis:
Ovalförmig angeordnet umschmeicheln die Ränge das liebevoll genannte „Rund“, das keine Bühne im klassischen Sinne ist.
Man sitzt ausgesprochen bequem den Musizierenden so nah, dass jedes Konzert wie eine Soiree im Wohnzimmer guter Freunde anmutet.
©Peter Adamik
Doch nicht nur mit der einzigartigen Intimität besticht der Pierre Boulez Saal. Nein, vor allem diese Akustik! Besser kann Musik in einem Kammermusiksaal wohl kaum klingen.
Doch zurück zum eigentlichen, dem Liederabend von Thomas Hampson.
Das Programm besteht vollständig aus Liedern von Hugo Wolf, der nur wenige Straßenzüge von Franz Schuberts Geburtshaus entfernt 1903 verstorben ist. Ein biografischer Zufall, denn die beiden wohl bedeutendsten Liedkomponisten des 19. Jahrhundert verbindet mehr.
Beide haben mit ihren Kompositionen den Gedichten so berühmter Lyriker wie Mörike, Eichendorff und Goethe einen musikalischen Ausdruck verliehen, indem sie eine besondere Verbindung von Wort und Ton, eine Verschmelzung von Klang und Poesie erschaffen haben.
Thomas Hamspon, begleitet vom begnadeten Pianisten Wolfram Rieger, der auf der Klaviatur zu zaubern scheint, beginnt den Abend mit den Mörike Liedern. Und gleich zu Anfang fällt auf, dass der Sänger in Topform ist – gesanglich wie auch sonst.
Eindrücklich präsent scheint er die Noten mehr als „Versicherung“ schräg neben sich zu stehen haben. Sein Blick zumindest wandert selten dorthin, was sich durch den gesamten Abend zieht.
©Peter Adamik
Ausgesprochen empfindsam und kontrastreich begleitet von Wolfram Rieger, spielt Thomas Hampson scheinbar mühelos mit den Farben seines reifen Baritons, artikuliert dabei jedes Wort ausgesprochen deutlich, intoniert mal kraftvoll und mit großer Wucht, dann wieder ausgesprochen zart, und berührt vor allem in den fast schon gehauchten Höhen ein Publikum, das gebannt an seinen Lippen hängt.
Dabei blitzt immer wieder schauspielerisches Talent durch, unterstreicht der Sänger mit Gestik und Mimik die Aussage, die Atmosphäre des Lieds.
Besonders charmant komm dies in den heiteren Zugaben zum Tragen, in denen Hampson komödiantisches Geschick auspackt und den Saal zum Lachen bringt.
©Peter Adamik
Viel zu schnell ist dieses außerordentlich schöne Konzert vorbei, in dem Thomas Hampson einmal mehr bewiesen hat, dass er wohl einer der größten Liedinterpreten dieser Zeit ist.
Er hat an diesem Abend verdeutlicht, was er in den Meisterklassen seine Schüler:innen immer wieder lehrt: Man konnte ihn denken hören, in jedem Atemzug, in jedem Ton.
Zu Recht werden Thomas Hampson und der fabelhafte Wolfram Rieger mit tosendem Applaus und Bravo Rufen gefeiert. Als Fazit bleibt: Wer an diesem Abend nicht im Publikum saß, hat immens viel versäumt.
Thomas Hampson
Baritone
Wolfram Rieger
Piano
PROGRAMM
Hugo Wolf
Der Genesene an die Hoffnung (Mörike Songs No. 1)
Hugo Wolf
In der Frühe (Mörike Songs No. 24)
Hugo Wolf
Fußreise (Mörike Songs No. 10)
Hugo Wolf
Auf einer Wanderung (Mörike Songs No. 15)
Hugo Wolf
Im Frühling (Mörike Songs No. 13)
Hugo Wolf
Jägerlied (Mörike Songs No. 4)
Hugo Wolf
Begegnung (Mörike Songs No. 8)
Hugo Wolf
Nimmersatte Liebe (Mörike Songs No. 9)
Hugo Wolf
Der Tambour (Mörike Songs No. 5)
Hugo Wolf
Der Feuerreiter (Mörike Songs No. 44)
Hugo Wolf
Harfenspieler I-III (Goethe Songs Nos. 1-3)
Hugo Wolf
Der Musikant (Eichendorff Songs No. 2)
Hugo Wolf
Verschwiegene Liebe (Eichendorff Songs No. 3)
Hugo Wolf
Der Scholar (Eichendorff Songs No. 13)
Hugo Wolf
Unfall (Eichendorff Songs No. 15)
Hugo Wolf
Die Nacht (Eichendorff Songs No. 19)
Hugo Wolf
Nachtzauber (Eichendorff Songs No. 8)
Nur wenige Straßen von Franz Schuberts Geburtshaus - im Wiener Alsergrund - starb Hugo Wolf am 22. Februar 1903. Doch diese beiden bedeutendsten Liedkomponisten des 19. Jahrhunderts verbindet weit mehr als ein biografischer Zufall.
Das von Thomas Hampson kuratierte Programm der Schubert-Woche 2024 im Pierre Boulez Saal beleuchtet Parallelen und Kontraste beider Werke und untersucht die Musik von Schubert und Wolf in einem größeren historischen Kontext, auch unter Einbeziehung anderer Komponisten.
Wie in den vergangenen Spielzeiten werden gefeierte Liedinterpreten und aufstrebende junge Künstler in Konzerten und Workshops zu hören sein.
In Kooperation mit der Liedakademie des Heidelberger Frühlings, dem Liedzentrum & der Hampsong Foundation.