Im Gespräch mit Piotr Beczala:"Ich genieße jeden Abend auf der Bühne und bin erfüllt mit Dankbarkeit und Glück."

21. März 2023

Rubrik Interviews

©Jean Baptiste Millot

Piotr Beczala zählt zu den weltbesten Tenören unserer Zeit. Mit seiner eleganten und jugendlich strahlenden Stimme, die mit einem zartschmelzenden Timbre versehen ist, beglückt der polnische Tenor die größten Opernhäuser der Welt. So auch die Metropolitan Opera in New York, an der er schon seit 18 Jahren große Erfolge feiert und bereits zum 14. Mal Teil der Met: Live in HD Kinoübertragungen ist - dieser Tage mit einer atmosphärischen Neuinszenierung von Wagners Lohengrin.

 

Operaversum: Herr Beczala, Sie singen derzeit an der Metropolitan Opera in New York den Lohengrin, der weltweit live in die Kinos übertragen wird.  

 

Was für ein Gefühl löst das in Ihnen aus, auf der großen Bühne der Met zu stehen und zu wissen, dass Ihnen nicht nur das Publikum im Saal, sondern auch die Kinowelt dabei zuschaut? 

 

Piotr Beczala: Zuerst einmal muss ich sagen, dass die Kino-Live-Übertragungen der Metropolitan Opera eine wirklich großartige Idee sind, bei denen ich seit nunmehr 14 Jahren mit von der Partie bin. Meine erste Vorstellung, die weltweit in die Kinos kam, war 2009 in Donizettis “Lucia di Lammermoor”. Zu wissen, dass mich nicht nur 4000 Operngänger im Auditorium sehen und hören können, sondern so viel mehr Menschen auf der ganzen Welt, ist immer etwas ganz Besonderes.  

 

Und natürlich ist es auch ein sehr schönes Gefühl, zumal diese Übertragungen in die entlegensten Ecken und Winkel der Welt, wie beispielsweise Neuseeland, Südafrika oder Island ausgestrahlt werden. Sehr oft erhalte ich dann auch nach so einer Vorstellung viele Dankschreiben per E-Mail von Fans und Opernenthusiasten, die sich unglaublich darüber gefreut haben, mich im Kino erlebt haben zu dürfen.

 

Und diese Möglichkeit, auch aus der Ferne einer Opernvorstellung beiwohnen zu können, ist besonders toll für die Menschen, die niemals die Chance haben werden, nach New York an die Met zu reisen.  

 

In meiner Heimatstadt in Polen beispielsweise gibt es seit 10 Jahren ein Stadtkino, das seinerzeit keine Mühen gescheut hat, dort die technischen Apparaturen zu installieren, um seinen Besuchern das HD-Live-Erlebnis der Met zu ermöglichen. Die Vorstellungen sind seitdem immer alle restlos ausverkauft.

 

Und zwar nicht nur die Vorstellungen, in denen ich mitwirke, sondern auch alle anderen. Es ist wirklich ein festlicher Abend, bei dem es immer ein Glas Wein gibt und für das sich seine Besucher auch entsprechend in Schale werfen. In so einer kleinen Stadt ist das ein wahrhaft kulturelles Ereignis. 

 

Operaversum: Das ist sehr schön zu hören und klingt nach einem wirklichen Erfolg. Ich genieße diese Kinoübertragungen auch jedes Mal sehr, denn ich muss gestehen, dass ich es bisher auch noch nicht an die Met geschafft habe? 

 

Piotr Beczala: Ich kann es Ihnen wirklich nur empfehlen, einmal vor Ort einer Live-Darbietung beizuwohnen, denn so ein Opernerlebnis an der Metropolitan Opera ist wirklich eine Reise wert und absolut einmalig. 

 

Operaversum: Stichpunkt Einmaligkeit: Was macht denn tatsächlich das Alleinstellungsmerkmal oder sagen wir besser das Faszinosum der Met aus?  

 

Piotr Beczala: Nun, wenn man sich ein bisschen mit der Geschichte des Hauses auskennt und auf das Ende des 19. Jahrhunderts zurückblickt, dann weiß man, dass große Tenöre wie Jan Reszke - besser bekannt als Jean de Reszke - und sein Bruder Éduard noch vor Caruso an der Met aufgetreten sind.

 

Das erfüllt mich mit Stolz, denn es beschreibt eine Zeit, in der polnische Sänger dort große Erfolge gefeiert haben. Und selbstverständlich fühle ich mich privilegiert und auch sehr geehrt, ein Nachfolger dieser großen Sängerpersönlichkeiten sein zu dürfen. 

 

Darüber hinaus ist die Met natürlich auch ein wirklich besonderes und sehr professionell geführtes Haus, an dem ich mich als Sänger, zumal ich hier seit 18 Jahren regelmäßig auftrete, schon fast wie zuhause fühle. Selbstverständlich gibt es auch andere Häuser, die mir dieses Gefühl vermitteln, beispielsweise die Wiener Staatsoper, die sehr traditionelle Wurzeln hat. Doch die Met ist natürlich im europäischen Vergleich ein gigantisches Haus, das sage und schreibe 4000 Sitzplätze fasst. Und das ist schon eine Hausnummer. 

 

©Johannes Ifkovits

Operaversum: Da sagen Sie was: Ist es denn aber für einen Sänger keine größere Herausforderung an diesem Haus als Künstler zu bestehen? 

 

Piotr Beczala: Schauen Sie, ich stehe seit nunmehr 30 Jahren auf der Bühne und habe schon an fast allen Häusern gesungen. Hätte ich mich entsprechend an jedem Haus gesanglich verbiegen müssen, wäre das meiner Stimme beziehungsweise meiner Gesangstechnik nicht wirklich zuträglich gewesen. Es hätte vielmehr den gegenteiligen Effekt gehabt und alles durcheinandergebracht. 

 

Daher versuche ich meine Stimme unabhängig davon, wo ich gerade auftrete, technisch immer auf dieselbe erprobte Art zu stützen. Die stimmlichen Herausforderungen liegen im jeweiligen Rollenfach und sind nicht “hausabhängig”.  

 

Natürlich sollte man als Sänger wissen, wie man seine Stimme in den jeweiligen Häusern bestmöglich projiziert, damit sie auch gut ins Auditorium trägt. Denn die akustischen Verhältnisse unterscheiden sich von Haus zu Haus. In manchen Häusern ist es beispielsweise schlecht, wenn man seine Stimme zu tief projiziert, sprich in Richtung Parkett singt. Besser klingt es, wenn man sich am 1. Balkon orientiert. Da muss man dann eben manchmal ein bisschen umdenken. Die Met ist auf jeden Fall sehr singbar. 

 

Operaversum: Kürzlich habe ich Sie in einem “Verhörinterview” des Bayerischen Rundfunks erlebt, in dem Sie sich selbst als Spätzünder bezeichnet haben. In dem Zusammenhang erwähnten Sie, dass Sie den Lohengrin erst mit 50 debütiert haben.  

 

Was war der Grund, dass Sie das Debüt erst so spät angegangen sind? 

 

Piotr Beczala: Das ist tatsächlich eine etwas längere Geschichte! Mit Christian Thielemann hat eigentlich alles seinen Anfang genommen, um genau zu sein bei einem Silvesterkonzert in Dresden, wo ich mit Operettenmelodien von Lehár und Kálmán aufgetreten bin. Schon zu dem Zeitpunkt war Christian Thielemann der Auffassung, dass Lohengrin für mich eine gute Partie sein könnte, was ich wiederum nicht ernst nehmen wollte, weil ich damals ziemlich viel italienisches und französisches Opernrepertoire gesungen habe. 

 

Und da passte Lohengrin irgendwie nicht ins Konzept. Doch Christian Thielemann konnte die Idee nicht aufgeben, hat mich daraufhin weiterbearbeitet und so viel Druck auf mich ausgeübt, dass wir uns zu guter Letzt in ein ernsthaftes Gespräch vertieft haben und ich ihm danach versprechen musste, für Arbeitsproben vier bis fünf Tage nach Bayreuth zu kommen. Wir haben dort angefangen, die Partie einmal ganz durchzusingen, was sich für meine Stimme sehr gut angefühlt hat. 

 

Damit fiel dann auch für mich die Entscheidung, die Rolle erstmals in Dresden und danach an weiteren Häusern zu singen. Für mich war das ein sehr schöner Einstieg in das Repertoire, zumal es sich bei der Aufführung in Dresden um eine ganz klassische Inszenierung mit Schwan und Rüstung gehandelt hat.

 

Das hat es mir als Sänger leicht gemacht, schnell in die Rolle hineinzufinden und mich nicht gleich in eine moderne, vielleicht sogar komplizierte Inszenierung hineindenken zu müssen. Meine Aufgabe war einfach: Lohengrin, Schwan, Rüstung und Schwert!  

 

©Johannes Ifkovits

Operaversum: Nun zu einem ganz anderen Thema, das mir persönlich sehr am Herzen liegt, nämlich die Operette. Mit der Operette habe ich Sie als Opernsänger schätzen gelernt. 

 

Leider ist die Operette ein stiefmütterlich vernachlässigtes Genre, zumindest im innerdeutschen Raum, weil scheinbar die wenigsten noch etwas damit anfangen können. 

 

Was macht denn für Sie der Charme der Operette aus? Warum singen Sie das Genre so gerne? 

 

Piotr Beczala: Vorweg sei gesagt, dass es sich bei der Operette um eine sehr wertvolle Musik handelt. Und das muss man immer wieder und oft genug betonen. Schließlich ist es nicht die leichte Muse, wie sie oftmals tituliert wird. Nimmt man beispielsweise die Operetten-Klassiker von Kálmán oder Lehár, dann weiß man allein von der kompositorischen Struktur, dass die Musik alles andere als einfach ist. Ich selbst habe so viel Operettenrepertoire zwar nicht gesungen und auf der Bühne tatsächlich nur in der Fledermaus, in der Lustigen Witwe und im Land des Lächelns die entsprechenden Protagonisten (Alfred/Camille de Roussillon/Sou Chong) interpretiert. Aber spätestens in der Rolle als Sou Chong am Opernhaus Zürich habe ich feststellen müssen, dass die Musik wie die eines Puccinis ist, nur auf Deutsch! Und sie ist auch dem Wagnerschen Fach sehr nah.  

 

Aber was, wie Sie sagten, das Stiefmütterliche betrifft, so ist es doch wirklich sehr schade, dass die Operette für die Regisseure so uninteressant geworden ist, nur weil es sich in ihr hauptsächlich um Liebe und Sentimentalität dreht. Noch bedauerlicher ist es, dass in den 90er-Jahren Operetten-Wanderbühnen entstanden sind, die ausschließlich ein älteres Publikum angesprochen haben.  

 

In einer Sackgasse ist die Operette letzten Endes jedoch mit ihrer Fragmentierung gelandet, bei der man sich im schlimmsten Fall noch nicht einmal eines Orchesters bedient. Und das nimmt natürlich der Musik komplett die Bedeutung. Macht man es hingegen mit einem großen, schönen Orchester, ist die Operette unglaublich wertvoll und einzigartig, was sich auch von den 40er bis 70er-Jahren deutlich gezeigt hat. Da war das Genre so populär, dass auch alle großen Tenöre, von Nicolai Gedda über Rudolf Schock bis hin zu Fritz Wunderlich, die Operette singen wollten. Sogar weniger bekannte Tenöre haben sich damals sehr wohl im Operettenumfeld gefühlt.  

 

Ich für meinen Teil versuche von der Operette zu retten, was zu retten geht.  Und ich glaube mit der Züricher Inszenierung von “Land des Lächelns” ist mir das auch gelungen. Da konnte ich tatsächlich ziemlich viel Einfluss auf die Produktion nehmen, sodass man die Operette ernst genommen hat.  Gleichermaßen lag mir meine CD-Einspielung der größten Erfolge von Richard Tauber (Mein ganzes Herz ) für die Deutsche Grammophon sehr am Herzen. Dabei war es mir sehr wichtig, das Repertoire bestmöglich zu interpretieren.

  

Wir haben die Aufnahmen in London zusammen mit dem London Symphony Orchestra in einem wirklich üppigen Arrangement eingespielt. Daran hat mir sehr viel gelegen. Ich denke, nur in so einer Qualität kann man die Operette umsetzen. Anders wird es nicht funktionieren. 

 

Operaversum: Stichwort Qualität: Sie sind ja bereits auf dem Zenit Ihrer Karriere angekommen, haben eine grandiose Weltkarriere gemacht. 

 

Was würden Sie jungen Sängern empfehlen, die eine solide Karriere aufbauen wollen? Welche persönlichen Attribute braucht es da Ihrer Meinung nach? 

 

Piotr Beczala: Diese Frage ist gar nicht so einfach zu beantworten. Es wäre schön, man könnte eine mathematische Formel für die Sängerkarriere entwickeln. Das geht aber leider nicht, weil ziemlich viele Elemente, anders als bei der mathematischen Formel, variabel und nicht fix sind. 

 

Das fängt schon beim Arbeitspensum an, das im Vergleich zum Pianisten oder Geiger ein ganz anderes ist. Wenn ich beispielsweise 8 Stunden am Tag üben würde, hätte ich meine Stimme schon längst verloren. Das Arbeitspensum ist demnach keine feste Konstante für Erfolg. 

 

Doch was ich jedem Sänger raten kann, ist Geduld zu haben. Tatsächlich sollte man sich mit vielen Dingen Zeit lassen, denn der menschliche Körper, sprich die menschliche Stimme, die Perzeption und die Psyche müssen sich erst noch entwickeln können. 

 

Selbst wenn man meint, dass man sich den nächsten Schritt zutraut, bedeutet das noch lange nicht, auch schon für den nächsten Schritt so weit zu sein.  

 

Ich persönlich habe immer nur einen Schritt weitergedacht und mich nach meiner Zeit in Linz darauf gefreut, an vergleichbaren Häusern weiterführende Erfahrungen sammeln zu dürfen. Die Met oder die Wiener Staatsoper hatte ich zu dem Zeitpunkt noch gar nicht im Fokus. 

 

Und letztendlich denke ich, dass ein Sänger, der es geschafft hat, an der Met oder am Royal Opera House in London aufzutreten, nicht unbedingt glücklicher sein muss als ein Sänger, der an kleineren Opernhäusern singt. Ich habe sogar Top-Sänger erlebt, die nicht wussten, was sie mit ihren erreichten Zielen anfangen sollten und nach nur wenigen Jahren wieder von der Bildfläche verschwunden waren. Deshalb ist es ebenfalls wichtig, dass man sich als Sänger mit Menschen umgibt, die einen erden. Zum Glück habe ich eine Frau, die mich nicht nur auf meine Reisen begleitet, sondern mich in meinem Tun sowohl unterstützt als auch kritisiert. Das ist ebenfalls sehr wichtig. 

 

Und vielleicht sollte man sich als junger Sänger nicht zu sehr an den materiellen Errungenschaften der Opernstars von damals orientieren, die zum Großteil ein berauschendes Leben in Luxus geführt haben. Das sollte meiner Meinung nicht der Maßstab für eine erfolgreiche Sängerkarriere sein.

 

©Julia Wesely

Operaversum: Herr Beczala, bitte erzählen Sie mir von einem Ihrer schönsten Erlebnisse auf der Opernbühne. An welche Aufführung erinnern Sie sich immer wieder gerne zurück? 

 

Piotr Beczala: Wie Sie sich sicherlich denken können, sammelt man in 30 Jahren Bühnenerfahrung sehr viele schöne und tolle Erlebnisse. Gerne erinnere ich mich aber an die Zeit in Linz zurück. Und auch alle meine großen Rollendebüts waren besondere Ereignisse. Das herausragendste Erlebnis jedoch war, als ich bei den Salzburger Festspielen 1997 als Tamino in Mozarts Zauberflöte debütiert habe.

 

Ich war damals Einspringer und hatte nur zwei Tage Probenzeit. Am Tag der Vorstellung stand ich dann auf der Bühne und in der Sprechszene im ersten Akt hörte ich ganz plötzlich hinter mir eine Stimme, die mir sehr bekannt vorkam. Es war Hermann Prey, von dem ich nicht wusste, dass er den Sprecher singen würde. Wir waren uns vorab auf der Probe nicht begegnet. Ihn dann auf der Bühne zu sehen, hat mich fast überwältigt, denn ich war und werde immer ein großer Anhänger von Fritz Wunderlich und seinem kongenialen Partner Hermann Prey sein. 

 

Als Hermann Prey dann nach der Vorstellung auf mich wartete und seiner Frau zugewandt verlauten ließ: “So schön hat er gesungen wie der Fritz”, war das für mich bedeutender als jede Auszeichnung, die ich je erhalten habe.

  

Operaversum: Ich habe seit der Pandemie das Gefühl, die Opernwelt wird im positiven Sinne immer kleiner. Es gibt die sozialen Medien, über die Sie auch mit dem Publikum interagieren. Denken Sie, dass diese Entwicklung positiv für die Opernbranche sein kann? 

 

Piotr Beczala: Da ich oft in Wien bin, erlaube ich mir auf die Frage eine österreichische Antwort: Jein, wobei es natürlich in Krisenzeiten wie beispielsweise während der Pandemie sehr wichtig war, den Kontakt zum Publikum über die Live-Streams zu halten. Ich habe ebenfalls für die Kameras gesungen und war online in den sozialen Medien auch sehr aktiv.

 

Aber die sozialen Medien sind kein Ersatz für die eigentlichen Live-Vorstellungen. Sicherlich ist es eine großartige Sache, wenn Menschen, die nicht nach New York an die Met reisen können, die HD-Live-Übertragungen in Anspruch nehmen. Ich bin mir aber ebenso sicher, dass viele Menschen auch Sehnsucht verspüren, eine richtige Vorstellung zu erleben. Das Kino ist zwar eine schöne Anregung, kann aber eine Live-Vorstellung dennoch nicht ersetzen. 

 

Denn was zwischen Bühne und Auditorium passiert, ist ein Energieaustausch. Stellen Sie sich vor, welch unglaubliche Atmosphäre entstehen kann, wenn beispielsweise im Lohengrin in der Brautnacht-Szene an einer Pianissimo-Stelle nicht mal eine Mücke zu hören ist, weil 4000 Menschen im Auditorium der Met just in dem Moment den Atem anhalten. Das ist doch das Schönste und Einzigartigste, und kann durch keine elektronischen Tricks ersetzt werden. 

 

Operaversum: Absolut. In dem Punkt kann ich Ihnen nur zustimmen. Dann beschreiben Sie mir doch abschließend in wenigen Worten, was Ihnen die Oper persönlich bedeutet? Was macht sie in Ihren Augen zu etwas Besonderem?

 

Piotr Beczala: Das ist eine scheinbar einfache Frage, die allerdings eine komplexere Antwort nach sich zieht. Aber ich will sie Ihnen so beantworten: Die Oper ist mein Leben, weil ich logischerweise als Sänger in ihr lebe, obgleich ich selbstverständlich auch ein Leben außerhalb der Oper führe. 

 

Aber Sie macht mein Leben bedeutungsvoll, weil ich an diesem Ort meinen Körper, meine Seele und meine Stimme dazu nutzen kann, um Gefühle auszudrücken, sie ins Publikum zu transportieren und zu wissen, dass die über meine Stimme erzeugten Schwingungen mitsamt den Gefühlen einen Empfänger haben.

 

Das macht für mich das Faszinosum der Oper aus. Singen und Schauspielern ist daher nicht nur ein Beruf, sondern meine Berufung. Es ist kurz gesagt die Erfüllung meines Daseins. Und solange die Oper existiert und ich ein bedeutender Bestandteil davon sein kann, genieße ich jeden Abend auf der Bühne, erfüllt mit Dankbarkeit und Glück. 

 

Operaversum: Vielen Dank für dieses eindrückliche Gespräch, Herr Beczala. Ich wünsche Ihnen alles Gute und weiterhin toi, toi, toi für alle kommenden Aufführungen.

 

Das Interview mit Piotr Beczala fand am 16. März 2023 exklusiv für das Online Opernmagazin Operaversum statt.


©Julia Wesely

Piotr Beczala ist einer der herausragenden Tenöre unserer Zeit und regelmäßig an den bedeutendsten Opernhäusern der Welt zu Gast.  

 

Die Spielzeit 2021/22 begann er auf der Konzertbühne mit Beethovens 9. Symphonie unter Christian Thielemann an der Semperoper Dresden. Liederabende mit dem Pianisten Helmut Deutsch führten ihn ans Theater im Park in Wien, an die Philharmonie Luxembourg und in die Elbphilharmonie Hamburg. Er war mit der Pianistin Sarah Tysman am Gran Teatre del Liceu in Barcelona zu hören und trat in einem Arien- und Liedprogramm in São Paulo, in Rio de Janeiro und Buenos Aires auf. Weitere Konzerte und Liederabende führen ihn in den Musikverein Graz, an die Wiener Staatsoper, zu den Salzkammergut Festwochen nach Gmunden und im Rahmen der Great Voices Konzertreihe nach Linz.  

 

An der Oper Zürich gab Piotr Beczala im Oktober 2021 sein Rollendebüt als Manrico (Il trovatore); als Lenski (Eugen Onegin) und Herzog von Mantua (Rigoletto) war er an der Metropolitan Opera New York zu hören. Zudem sang er Cavaradossi (Tosca) an der Bayerischen Staatsoper München, wohin er im Juni 2022 als Riccardo (Un ballo in maschera) zurückkehrte. 

 

2006 debütierte Piotr Beczala als Herzog von Mantua an der Met, wo er seither regelmäßig zu Gast ist und Rollen wie u. a. Prinz (Rusalka), Edgardo (Lucia di Lammermoor), Rodolfo (La bohème), Vaudémont (Iolanta), Riccardo sowie Gounods Roméo und Faust sang. 2011 begleitete er die Met nach Japan und gab 2012 in New York sein Rollendebüt als Des Grieux (Manon).  

 

Auch an den Staatsopern in München und Wien sowie an der Mailänder Scala ist Piotr Beczala regelmäßig zu erleben. Engagements führten ihn außerdem ans Royal Opera House, Covent Garden, das Teatre del Liceu in Barcelona, die San Francisco Opera, die Niederländische Nationaloper in Amsterdam, das Théâtre de la Monnaie in Brüssel, die Deutsche Oper Berlin und die Berliner Staatsoper, das Grand Théâtre de Genève, die Nationaloper Warschau und das Mariinski-Theater in Sankt Petersburg. Bei den Salzburger Festspielen war er zuletzt u. a. als Rodolfo (La bohème) und Faust sowie als Vaudémont, Werther und 2019 als Rodolfo in einer konzertanten Aufführung von Verdis Luisa Miller zu hören. 2016 gab er an der Semperoper sein Rollendebüt als Lohengrin unter Christian Thielemann mit Anna Netrebko als Elsa. 

 

Als gefragter Konzert- und Liedsänger wirkte Piotr Beczala 2011 und 2012 in Silvesterkonzerten der Semperoper unter Thielemann mit. Weitere Konzertauftritte führten ihn u. a. nach Baden-Baden, Amsterdam, Madrid, Budapest, Wien, Mailand und in den Oman. 

 

Piotr Beczala wurde in Czechowice-Dziedzice in Südpolen geboren und studierte an der Musikakademie in Katowice, wo er von so berühmten Künstlerpersönlichkeiten wie Pavel Lisitsian und Sena Jurinac unterrichtet wurde.  

 

Er ist auf zahlreichen CDs und DVDs in einem breit gefächerten Repertoire zu erleben und legte bisher fünf Solo-Alben vor. Bei der Deutschen Grammophon veröffentlichte er 2013 sein erstes Album Mein ganzes Herz und 2015 The French Collection. Im Mai 2020 erschien sein Album Vincerò! beim niederländischen Label Pentatone. 2014 erhielt er den ECHO Klassik als „Sänger des Jahres“.  

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