filmreifer sprint zum covent garden

...DENN DIE OPER WARTET NICHT!

01. APRIL 2020

©Nicole Hacke / Covent Garden um 08:00 Uhr morgens

wer nicht plant, der nicht gewinnt!

 

Gute Planung ist alles! Dachte ich mir auch, als ich mir in meinem Londoner Hotel an der Rezeption ein Ticket für die Ballett Aufführung Jewels am Convent Garden organisierte. Gut vorbereitet und mit genügend zeitlichem Vorlauf machte ich mich noch am gleichen Abend auf den Weg zur Vorstellung.
Die Wegstrecke war lang, für Londoner Verhältnisse vielleicht sogar eher kurz. Ich rechnete grob mit 40 Minuten Fahrzeit, kalkulierte noch eine gute halbe Stunde Puffer ein und "le voilà", das sollte auf jeden Fall reichen, um entspannt in der Oper noch ein Gläschen Sekt zu trinken, bevor das tänzerische Spektakel losgehen würde.


Doch es kam anders als gedacht! Als ich mich zur Tube aufmachte und in die Piccadilly Line einstieg, lief auf der Fahrt bis nach den ersten drei Haltestops noch alles wie am Schnürchen. Aber dann ging plötzlich gar nichts mehr. Von jetzt auf gleich stand die Tube still und bewegte sich geschlagene 10 Minuten nicht mehr vom Fleck.

 

was war geschehen?

 

Es dauerte nicht lange, bis ein eher gelangweilter Zugführer „matter of fact“ verkündete, dass eine Signalstörung vorliege und die Weiterfahrt auf ungewissen Zeit verzögert sei. So, nun hatte ich den Salat. Ich merkte, wie mir die Zeit davon lief. Noch knappe 50 Minuten bis zum Vorstellungsbeginn, und ich saß in einer schmalen Flunder fest, eingezwängt wie eine Sardine mit schweißgebadeten Passanten, die schnellstmöglich aus dem engen Gedränge dieser U-Bahn Büchse raus wollten. Acht Stationen lagen noch vor mir und die Tube bewegte sich nicht einen Millimeter vorwärts.
Nach einer gefühlten Ewigkeit fuhr sie endlich weiter. Ich atmete erleichtert auf und hoffte auf das Beste. Doch auch an der nächsten Station blieb sie wieder 10 Minuten stehen. Es ging einfach nicht vorwärts. Im Schneckentempo arbeitete sich die altersschwache blaue Linie, die ansonsten scheppernd und ruckelnd durch die engen Schächte des Londoner Untergrunds raste, gemach voran.

 

©Nicole Hacke / Blumenschmuck am Covent Garden

Mir blieben jetzt nur noch 20 Minuten. Ich hatte keine Chance, noch pünktlich zum ersten Akt der Aufführung zu erscheinen. Resigniert ließ ich alle Hoffnungen auf einen Besuch des Londonder Opernhauses fallen. Es sollte wohl nicht sein. Schade. Meinen ersten Opernbesuch nach 20 Jahren hätte ich mir einfach anders vorgestellt. Doch wie hieß es so schön: Der Mensch denkt und Gott lenkt!
Als ich diesen Gedanken noch kaum zu Ende gedacht hatte, schallte es auch schon aus den Lautsprechern der Durchsage. Der Zugführer verkündete ohne Umschweife, dass es wohl nicht mehr weiterginge und er allen Passanten dringend empföhle, auf andere Verkehrsmittel umzusteigen.

 

Raus aus der Tube und in Windeseile zur Oper

 

Mir musste man dies nicht zweimal sagen. Schnell wie der Blitz schnellte ich aus meinen Sitz empor und rannte, wie vom Teufel geritten, mit meinen hochhackigen Pumps die steilen Treppen zum Piccadilly Circus hinauf, stolperte etliche Male über mein langes Rockteil, verhedderte mich mit meinen Absätzen im Saum des flatternden Stoffes und konnte nur von Glück reden, dass es mich nicht der Länge nach auf die harten Stufen schlug.


Irgendwie war ich wie besessen von dem Gedanken, das Erlebnis Oper auf gar keinen Fall zu verpassen, noch nicht mal für läppische 9 Pfund, die meine Eintrittskarte gekostet hatte. Ich war verrückt und vielleicht sogar ein wenig besessen, denn ich rannte wie von Sinnen in weniger als 10 Minuten (fußläufig etwa gemütliche 20- 30 Minuten Gehzeit) von Piccadilly Circus in Richtung Convent Garden. Wie vielen Menschen ich dabei an diesem Tag blaue Flecken mit meiner Ellbogenmentalität verpasst hatte, wollte ich ehrlicherweise nicht so genau wissen.

 

Triefnass, stark transpirierend, mit klebrigen Haaren und Schweißperlen auf der Stirn, kam ich völlig außer Atem am Eingang der Oper an, fünf Minuten bevor die Saaltüren endgültig geschlossen wurden. Orientierungslos und gehetzt suchte ich nach dem Aufgang zum dritten Rang, fand ihn und rannte die drei Etagen, der Erschöpfung nahe, schnappatmend hinauf.

 

©Nicole Hacke / Covent Garden

geschafft, kurz vor knapp - soviel Aktion für einen Stehplatz?

 

Ein emphatischer Blick der Türsteherin des 3. Rangs signalisierte mir sogleich, mich doch erst mal zu beruhigen, zu sammeln, meine Kleidung zu richten und erst dann und in aller Ruhe mein Ticket vorzuzeigen. Wie beeindruckend doch die britische Gelassenheit auf einen wirkt, ganz besonders in solchen Momenten, wenn man selbst aufgelöst und kopflos kaum noch einen klaren Gedanken fassen kann.


Froh, von dieser netten Dame an die Hand genommen zu werden, gierte ich danach, mich endlich ausruhen, hinsetzten und das Ballett genießen zu können. Doch Pustekuchen! Harsch wurde ich in die Schranken der Realität gewiesen, denn ich hatte gar keinen Sitzplatz für die Vorstellung gebucht. Mein Hauptgewinn an diesem Abend war eine Stehplatzkarte.
Wenn Dinge schief laufen, dann aber so richtig. Doch ich hatte Glück im Unglück. An diesem denkwürdigen Abend mussten wohl viele Opernbesucher in der blauen Linie stecken geblieben sein, wie wäre es ansonsten zu erklären gewesen, dass noch einige Plätze zum ersten Akt unbesetzt blieben.

 

Dank meiner liebenswürdigen Türsteherin durfte ich mich somit auf einen freien Platz setzen, und konnte mich zumindest für die Dauer des ersten Aktes von meinem „London Marathon“ erholen. Ich hatte es tatsächlich geschafft, trotz höherer Gewalt, pünktlich in der Oper zu sein. Das Unmögliche wurde möglich. 

 

Seit diesem ersten verkorksten Mal nach 20 Jahren gehe ich nun wieder regelmäßig in die Oper und in klassische Konzerte, meistens ohne größere Pleiten, Pech oder Pannen zu erleben.


Und dennoch denke ich immer wieder mit einem Schmunzeln an diese kleine Episode in der Londoner Tube zurück, wohlwissend, dass ich meinen Opern- und Konzertbesuchen mittlerweile immer einen zeitlich größeren Vorlauf einräume, um nicht noch mal kurz vor knapp, schweißdurchtränkt und hochgestresst, in die Vorstellung hereinzuplatzen.


Wollt Ihr mehr über einen gelungenen Opernbesuch wissen? Dann lest meinen Ratgeber, der Euch weitere wertvolle Tipps an die Hand gibt, wie Ihr Missgeschicke und ähnlich geartete Pannen vermeiden könnt.

 

#zum ersten Mal in der Oper!

 

Eure

 

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