ein stream geht um die welt...und noch einer!

25. MÄRZ 2020

UNAUFGEFORDERTE WERBUNG

©Wilfried Hösl / Bayerische Staatsoper

Während ich mir noch Gedanken darüber mache, wie sich die Konzert- und Opernhäuser dieser Welt wohl in den nächsten Wochen und Monaten aufstellen werden, so ganz ohne Publikum vor leeren Stühlen, geht, bevor ich mich recht versehe, bereits der erste Live-Stream der Bayerischen Staatsoper viral.


Neben dem einflussreichsten und renommiertesten Opernhaus Europas, ziehen unter anderem auch die Met in New York sowie das Teatro Real in Madrid, die Wiener Staatsoper und die Opera National de Paris mit ihren breit gefächerten Video-on-Demand Angeboten nach. Ein jedes Haus kramt nun die Aufführungen der letzten Jahre aus seinem musikalischen Juwelenkästchen hervor, um dem derzeit lahmgelegten Opernbetrieb zumindest digital erneutes Leben einzuhauchen.

 

Und dieser Coup gelingt. Auf Twitter, Instagram und Co. sind Angebote dieser Art seit geraumer Zeit hochaktuell und gefragt wie kein anderes Medium. Vlogs, Live-Streams und dergleichen erleben eine absolute Hochkonjunktur unter der Social Media Anhängerschaft. Warum also sollten die Opern- und Konzerthäuser dieser Welt nicht auch auf diesen brandaktuellen Zug aufspringen.


Die Zeit ist dafür jedenfalls reif, reif genug, um der Corona-Krise ein Schnippchen zu schlagen und bewusst oder unbewusst eine Trendwende zu erwirken, mit der zukünftig einem breiteren Publikum klassischer Musikgenuss zugänglich gemacht werden kann. So gewinnt man hoffentlich, neben der klassikaffinen Zuhörerschaft, auch die Opernneulinge, die ansonsten weder teure Opernkarten erwerben noch die Zeit dafür opfern, auf kostenintensive Konzertreisen zu gehen.

 

©Wilfried Hösl / Bayerische Staatsoper

Im Umkehrschluss wären ausverkaufte Vorstellungen so kein Dilemma mehr, denn wirklich jeder hätte mit einem umfangreichen Video-on-Demand Programm die Chance, verpasste Opernvorstellungen nachträglich zu erleben und käme, zwar ohne den Live&unplugged Faktor, zu einem vergleichbar qualitativ hochwertigen Musikerlebnis.

 

Aktuell bieten die Opernhäuser ihre Streaming-Dienste kostenfrei an und nicht nur das!

 

Die Bayerische Staatsoper hat sogar seit dem 23. März ein Live-Streaming in petto, das jeden Montag ein individuelles Programm, bestehend aus Liedgesang sowie kammermusikalischen und tänzerischen Darbietungen, offeriert.


Unter den mitwirkenden Künstlern lesen sich die große Namen, wie die Crème de la Crème des musikalischen "à la Carte" Menüs, das von Weltstars wie dem Tenor Jonas Kaufmann, der Sopranistin Hanna-Elisabeth Müller und dem Pianist Gerold Huber abgerundet wird.


Insgesamt 14 Tage sind die jeweiligen Liveübertragungen auf der Seite der Bayerischen Staatsoper unter:


www.staatsoper.de/stream abrufbar.


Welch große Wellen die Initiative der bedeutsamen, einflussreichen Konzerthäuser Europas schlägt, zeigen auch die eindeutigen Besucherzahlen, die sich diese Streaming-Dienste zunutze machen. Knapp 160.000 Zuschauer verfolgten gespannt die Aufführung der Carmen an der Berliner Staatsoper Unter den Linden in der zweiten Märzwoche dieses Jahres.

 

©Nicole Hacke / Live-Streaming Angebot der Bayerische Staatsoper

Vor leeren Stühlen brachte das gesamte Ensemble mit seiner Titelheldin Carmen alias Anita Rachvelishvili eine zauberhafte Inszenierung auf die Bühne und zeigte mit dieser großen Geste, dass in einer Krise wohl alles auf Sparflamme geköchelt werden muss, nur eben die Musik weiterhin große Flammen schlagen kann und darf.


Das solch ein selbstloses Unterfangen auch im kleinen Rahmen gelingt, zeigt der Pianist Igor Levit, der seit mehr als zwei Wochen jeden Abend um 19:00 Uhr Abendkonzerte veranstaltet, ohne technisch aufwendige Mittel, dafür aber mit Herz, mit Seele und mit einer übergroßen Portion Talent und Leidenschaft ausgestattet - und das aus seinen eigene vier Wänden heraus.


Live und tatsächlich ungeschminkt erlebt man den Künstler beim Tête-à-Tête mit seinem Klavier und Twitter, der digitalisierten Welt sei Dank.

 

Sollte der zuweilen negative Beigeschmack der Digitalisierung auf der Zunge des einen oder anderen leicht bitter nachschmecken, so wird sich dieser zukünftig auf das Angenehmste neutralisieren. Denn in Zeiten von absoluter Entsagung von allen sozialkulturellen Bedürfnissen, haben wir nur noch die Möglichkeit, uns über die sozialen Medien auszutauschen, zu verknüpfen und kulturelle Ereignisse im kleinen Stil zu pflegen und erlebbar zu machen.
Gäbe es die Streaming-Dienste nicht, blieben die Musik und ihre Künstler tatsächlich stumm, verstummt und isoliert für eine unabsehbar lange Zeit. Was für eine Durststrecke müssten wir dann noch überwinden?

 

©Wilfried Hösl / Bayerische Staatsoper

Ganz sicher möchten wir unter normalen Umständen auch in Zukunft nicht auf die Live-Auftritte unserer Lieblingsinterpreten verzichten, zu erhebend ist der direkte Zugang zur Musik.

 

Wir brauchen die Gewissheit, Konzerte besuchen zu können und dabei sozialen Interaktionen zu frönen, uns mitzuteilen, Teil eines großen, wunderbaren Ganzen zu sein und das Erlebnis Musik in der Gemeinschaft und in unmittelbarer Resonanz mit den Künstlern zu erleben. So und nur so fühlt es sich gut und richtig an.


Dennoch braucht es die Digitalisierung als unabdingbare unterstützende Komponente, um den Radius der Zuhörerschaft weiter auszuhöhlen und die klassische Musik noch transparenter, noch nahbarer zu machen, auch und gerade für diejenigen unter uns, die noch nie oder bislang nur eingeschränkt klassischen Musikgenuss erfahren haben.

 


Wie empfindest Du den aktuellen Wandel, der sich derzeit in der kulturellen Landschaft vollzieht? Profitierst Du von den umfangreichen Live-Streaming-Angeboten oder kannst Du damit gar nichts anfangen? Bist Du der Meinung, die Digitalisierung hat nichts mit der Welt der Oper zu tun oder siehst Du die Chance, die sich dadurch eröffnet, einem breiten Publikum klassische Musik näher zu bringen. Ich glaube, jeder Wandel hat zwei Seiten. Wendet man sich von der Kehrseite ab und zieht sich alle positiven Aspekte heran, dann wird die Revolutionierung der klassischen Musik im digitalen Sinn ein absoluter Hit!

 


Weiterführende Informationen zum Video-on-Demand Angebot und zu den Live-Streams können über folgende Webpräsenz der Bayerischen Staatsoper abgerufen werden:

 

www.staatsoper.de/streams

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