Lise Davidsens individuelle CD-Einspielung mit Grieg Liedern

18. Januar 2022

Rubrik Künstler

©Morten Krogvold

An einem nordischen Ort unweit des Polarkreises, in einem Land, in denen einst Trolle, Berggeister und Waldfeen lebten, taten sich vor einiger Zeit zwei außergewöhnlich musikalische Menschen zusammen und belebten das Liedrepertoire ihres Heimatkomponisten Edvard Grieg.

 

Entstanden ist dabei eine ungewöhnliche CD-Kompilation ausgewählter Lieder, welche die Sopranistin Lise Davidsen und der Pianist Leif Ove Andsnes zum ersten Mal gemeinsam in kongenial klaviertuoser Gesanglichkeit interpretieren.

 

Dass beiden Solisten das norwegische Repertoire besonders gut liegt, kann man hören und auch spüren, denn die Muttersprachler, die scheinbar tief mit ihrer Heimat verwurzelt scheinen, erwecken auf ihre eigene, höchst individuelle Art das zum Teil etwas befremdlich klingende Liedgut zu erfrischend neuem Leben.

 

In einer gut selektierten Auswahl, die Griegs einzigen Liedzyklus Haugtussa sowie die bekannteren 6. Liebeslieder in deutscher Sprache beinhaltet, finden sich ebenfalls die 5. Lieder Op. 69 auf dem Album wieder.

 

©Lise Davidsen / über youtube zur Verfügung gestellt

Von nordischer Kühle umfangen, dringt gleich mit den Liebesliedern des jungen Hirtenmädchens Haugtussa die kraftvolle Stimme Lise Davidsens aus gefühlt unnahbarer Ferne an mein Ohr.

 

Die norwegische Sprache schmiegt sich dabei ungewöhnlich sanft und weich an mein Gehör und hinterlässt ein wohlig warmes Gefühl von Heimatverbundenheit. 

 

Obgleich die Tonsprache Griegs romantisch, zum Teil verklärt und von irisierend impressionistischen Einfärbungen durchdrungen ist, modern und interkontinental wirkt, so folkloristisch geprägt ist doch ihr minimal rauer Liedcharakter.

 

Denn genau das macht die Besonderheit dieser einzigartigen, unverwechselbaren Liedkompositionen aus, die eine musikalische Identität beschreiben, die in ganz Norwegen immer noch von zentraler Bedeutung ist.

 

Und so zieht sich diese auf den ersten Hörversuch recht eigensinnige und unangepasste Musik Griegs sowohl durch den Liedzyklus als auch durch die 5. Lieder Op. 69.

 

Letztere trumpfen aber trotz ihrer volkstümlichen Anklänge mit einer besonders lyrischen Duftigkeit auf.

 

©Lise Davidsen / über youtube zur Verfügung gestellt

Melodisch eingängiger und deutlich romantischer wird es zu guter Letzt in den 6. Liebesliedern, die nach Versen von Heinrich Heine, Johann Wolfgang von Goethe und Walther von der Vogelweide in deutscher Sprache erklingen.

 

Das Edvard Grieg sehr verliebt gewesen sein musste, als er diese Kompositionen schrieb, liegt ganz offensichtlich auf der Hand.

 

Eigens für seine Frau Nina Hagerup, die eine ausgezeichnete Opernsängerin war, widmete er all seine Lieder, die tatsächlich von schnörkelloser Eleganz eine tonal spätromantische Schlichtheit beschreiben, die durch die Klavierbegleitung umso stärker betont wird.

 

Dabei gibt Leif Ove Andsnes sein Bestes, um der Sopranistin Lise Davidsen nicht die Show zu stehlen. Als begnadeter Meister und Solist am Klavier muss Andsnes auf dieser CD-Einspielung dezent im Hintergrund als instrumental ausschmückendes Beiwerk fungieren.

 

Das gelingt ihm ausgesprochen gut und trägt zu einer wohl austarierten Symbiose zwischen Gesang und Instrument bei.

 

©Morten Krogvold

Lise Davidsen wagt sich bei allem mit ausgesprochener Sensibilität an das Erbe Griegs heran.

 

Ihr gelingt mit kraftvoller Vokalität eine gesangliche Erzählkunst, die sich vom liebestrunkenen Hirtenmädchen Hartgussa bis zu den im Ansatz stürmischeren Klängen der 5. Liebeslieder einen irisierend schönen Klangfaden nach dem anderen spinnt.

 

Ganz besonders anmutig gestaltet sich der feingeistige Gesang letztendlich in den 6. Liebesliedern Op. 48.

 

So erlebt man die verschwiegene Nachtigall trällernd, zwitschernd und mit stimmlicher Leichtigkeit alsbald in himmlische Sphären entgleiten.

 

Lise Davidsen beherrscht sowohl die stimmlich zartbesaiteten als auch die dramatisch wuchtigeren Töne. Ihr Ambitus scheint ausufernd groß, ihr langer Atem ein Segen für die Spannkraft, mit der sie jedem ihrer Lieder Dynamik einhaucht.

 

©Lise Davidsen / über youtube zur Verfügung gestellt

Es bleibt "Der Traum" - ein beseeltes Stück entrückter Klangpoesie - in dem auch die Sängerin verzückt in ihre eigene Seelenwelt abdriftet.

 

Eine musikalische Reise in das geheimnisvolle Norwegen geht zu Ende und ich warte nur noch auf das Anbrechen des nächsten Morgens, damit ich voller Zauber den balsamischen Klängen aus Peer Gynts Morgenstimmung lauschen kann.


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