Fatma Saids kaleidoskopisch geniale CD-Einspielung

09. September 2022

Rubrik Künstler

©Nicole Hacke / Operaversum

Als Kind spielte ich manchmal stundenlang mit einem Kaleidoskop, das mir meine Eltern irgendwann einmal zum Geburtstag geschenkt hatten. Wie besessen war ich von den vielen bunten Farben und den unterschiedlich symmetrischen Mustergebilden, die mit jeder meiner Drehbewegungen das Kaleidoskop zu einem magischen Ort machten, von dem ich mich nur schwer lösen konnte.

 

Dass Kaleidoskope auch in der Musik eine Bedeutung haben können, zeigt die ägyptische Opernsängerin Fatma Said mit ihrer aktuellen CD-Einspielung "Kaleidoscope", auf der sich mit viel Herzblut eine ausgeklügelte Kompilation tanzbarer Kompositionen des klassischen und zeitgenössischen Genres vereinen.

 

Ob dabei viel dem Zufall überlassen wurde, lässt sich bestreiten, denn obgleich das kunterbunte Potpourri haltlos durcheinandergewürfelt wirkt und so gar keinen musikalisch roten Faden greifbar zu machen scheint, so eint doch jedes einzelne der liebevoll ausgewählten Musikstücke die Liebe zum Tanz.

 

"In dieser Auswahl von Stücken wird Ihnen eine kaleidoskopartige Wiedergabe meiner Stimme geboten, die sich dreht und verändert, um diese verschiedenen Charaktere und Situationen mit wechselnden Farben und vielfältigen, vom Tanz inspirierten Themen zu erfüllen", charakterisiert Fatma Said ihr Album.

 

©Warner Classics /Fatma Said

©Nicole Hacke / Operaversum

Dass der Tanz dabei nur eine andere Ausdrucksform der Musik darstellt, wird damit deutlich herausgearbeitet. So ist die rhythmische Bewegung auf zwei Beinen eine ebenso große Leidenschaft für die junge Sängerinterpretin wie der Gesang selbst.

 

Vielleicht sind beide sogar untrennbar voneinander zu betrachten, denn wie bei einem Kaleidoskop vereinen sich verschiedenste Muster zu einem großen ganzen Bild, bei dem das Leitmotiv, nämlich die Musik, die übergeordnete Konstante darstellt und sich dennoch immer wieder in neuer Form in eine Vielschichtigkeit aus abgewandelten Teilen zerlegt, die wiederum in der Summe ein farbenreiches Bild ergeben. Und so bilden auch Gesang und Tanz eine symbiotisch anziehende Einheit.

 

Fatma Said denkt dabei sogar noch ein Stück weiter: Drei Dimensionen erlebt der Zuhörer, wenn er sich denn genauestens mit dem CD-Repertoire auseinandersetzt. Lieder und Arien aus Oper, Operette, Tango, Jazz und zeitgenössische Klassiker wirbeln die Menagerie dieses genreübergreifenden Musikprojektes gehörig auf. Lieblingsstücke, die sich eben nicht nur einer musikalischen Gattung widmen, bereichern den Gehörgenuss ebenso wie das hoffentlich wachsende Verständnis dafür, dass alle Musikgattungen ihre uneingeschränkte Daseinsberechtigung behalten, wenn sie nur gut genug interpretiert werden.

 

Und genau dieser Drahtseilakt, musikalische Grenzen zu überwinden, gelingt Fatma Said mit ausgesprochener Glaubwürdigkeit - die zweite Dimension - in der alles nur eine Frage der Adaption ist - nämlich der Art und Weise, wie man gesangstechnisch und emotional in den so grundverschiedenen Stücken interpretatorisch und stilistisch überzeugen kann.

 

©Warner Classics /Fatma Said

Ausgezeichnet gelingt auch das der Künstlerin. Ob Oper, Operette, Jazz oder Tango. In dieser Stimme liegt eine ganze Welt voller Möglichkeiten. Temperamentvoll wie in der ausgesprochen leidenschaftlichen Nummer "Yo soy María" changiert die Stimme zwischen gefühlsechten Ausbrüchen, stolzer Erhabenheit und einer beseelten Melancholie, die zwar nur tröpfchenweise aus dem übervollen Fass der lodernden Tangorhyhtmik herausbricht, aber dennoch eine klar konturierte Facette bildet.

 

Ganz anders klingt da das "Wiener Blut": Leicht, samtfein und mit einer stimmlichen Elastizität schwebt der Zuhörer mit Fatma Said leichtfüßig gleitend über das Tanzparkett, ebenso wie bei "I could have danced all night".

 

Überraschend anders wird es bei "Cheek to Cheek". Die Jazznummer, die man von Frank Sinatra nur allzu gut kennt, klingt aus dem Munde von Fatma Said fast noch viel authentischer. Zwar muss man zweimal hinhören, um zu glauben, dass es sich dabei um ein und dieselbe Stimme handelt. Doch sie ist es ohne Zweifel.

 

Viel Soul, eine Prise ungeschliffene Tonalerotik und voilà, der Jazz quilt wie schokoladensatte Textur aus der Künstlerinterpretin heraus. Und das macht den gesanglichen Kohl grenzensprengender Stilakrobatik tatsächlich fett. 

 

©Nicole Hacke / Operaversum

©Warner Classics /Fatma Said

©Nicole Hacke / Operaversum

Mit jeder weiteren "Tanznummer" entfernt sich der Zuhörer deutlich hörbar vom ernsteren Arienrepertoire, wenngleich auch das gar nicht so ernst anmutet, wie es auf den ersten Ton vielleicht erklingen mag.

 

Alles auf Fatma Saids kaleidoskopischer Weltreise durch die so vielzähligen Genres klingt beflügelt, beseelt und so spritzig, sprudelnd leicht, dass man nicht wirklich an schwere Opernkost erinnert wird.

 

Ein ganz besonderes Augenmerk gilt zu guter Letzt dem Whitney Houston Allzeit-Popklassiker " I Wanna Dance with Somebody".

 

Als ernste Ballade mit ozeanischem Tiefgang berührt die flotte Tanznummer. Aber mal ganz ehrlich: Wäre es nicht sogar wünschenswert gewesen, das Originalarrangement zu wählen und sich davon überzeugen zu lassen, was tatsächlich stimmlich alles in Fatma Said steckt?

 

Ganz bestimmt hätte sie mit ihrer stimmlichen Vokalbrillanz und ihrem modernen Interpretationsvermögen das musikalische Erbe der "Queen of Pop" mehr als hinreichend gewürdigt.

 

Und was die dritte Dimension auf diesem Album anbelangt: Fatma Said kann auch tanzen - und auch das ganz famos und ganz stilunabhängig. Emotionale Authentizität, stilistische Versatilität und rhyhtmische Leidenschaft, alles vereint auf Fatma Saids Kaleidoscope: Was für ein kaleidoskopisch geniales Album!

 


©Warner Classics / Video über youtube abrufbar

Entstehungsprozess, Aufnahmesession und eine Erzählerin, die uns Auskunft darüber gibt, warum ihre musikalische Reise einem Kaleidoskop gleicht und was es mit der tanzbaren Musik, ob Oper, Operette, Jazz oder Tango auf sich hat.

 

Fatma Said lässt uns abtauchen in ihre Welt, die keine musikalischen Grenzen kennt, sondern umso schöner wird, je vielfältiger sie sich gestaltet - ebenso wie die Multifacetten eines Kaleidoskops.

 

©Warner Classics / Video über youtube abrufbar

In "Yo soy María" zeigt Fatma Said, was nicht nur gesanglich, sondern auch tänzerisch in ihr steckt. Mit so viel Liebe zum Tanz ist hier ein ganz wundervolles Video gelungen, dass zwei Seiten einer fantastischen Sängerinterpretin zeigt.


©Sandra Ludewig / Sony Classical

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©Gregor Hohenberg

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