01. Oktober 2023
Rubrik Künstler
©Ben Wolf
"Die Schönheit liegt nicht auf der Straße, sondern im Auditorium eines Opernhauses. Dort, wo die Musik Menschen erreicht und sie emotional berühren kann, passiert die Magie des Augenblicks!"
Als ich diesen Worten aus dem Munde des neuen Shooting-Stars der tenoralen Szene, Jonathan Tetelman, lausche, bin ich gerührt und fühle mich durch sie auch irgendwie berührt. Es ist Freitagabend und der stattliche Mann sitzt mir wenige Meter im schicken Anzug schräg auf einer kleinen Bühne gegenüber.
Entspannt und lässig erzählt er seinem Interviewpartner der Deutschen Grammophon, wie es zu der Arien-Auswahl kam und warum Puccini eine große Rolle in seinem musikalischen Leben spielt.
Dass der Mann dieses Repertoire virtuos rauf und runter singen kann, beweist er zuvor mit drei Darbietungen am Flügel: pur, unverfälscht und unplugged. Ein Mikrofon wäre bei dieser Stimmwucht sowieso absolut überbewertet, denn die stentorale Kraft, die sich ganz besonders in der Tessitura zeigt, ist so enorm, dass das kleine Café im Kulturhaus Dussmann beinahe schon vibrationsstark erbebt.
Was für eine geballte Power in dieser Stimme liegt. Und noch dazu mit einer Strahlkraft, die sich insbesondere in der exponierten Höhe zu Buche schlägt.
Jonathan Tetelman ist wahrhaft ein hoher Tenor, nicht lyrisch, sondern vielmehr dramatisch, leidenschaftlich und mit explosionsartigem Temperament gesegnet.
©Ben Wolf
Dass Puccini im liegt, steht daher außer Frage. Verdi steht ihm wahrscheinlich sogar noch besser. Auf jeden Fall ist die CD-Vorstellung ein absolutes Amuse-Gueule, ein besonderer Genusshappen, der den musikalischen Appetit auf das charmanteste anregt. Denn auch charmant, nahbar und humorvoll kann der US-amerikanische Tenor mit chilenischen Wurzeln sein.
Doch zuvor wird erst einmal kräftig gesungen. Drei Arien, darunter "Donna non vidi mai" aus Manon Lescaut, "Addio fiorito asil" aus Madame Butterfly und "Recondita Armonia" aus Tosca verabreicht uns die große Zukunft der Tenorzunft souverän und mit einem klanglichen Schmelz, der Herzen butterweich werden lässt.
Mal Piano, mal aufbrausend Forte und so manches Mal Fortissimo. Tetelmans Stimme trägt wirklich weit durch die Mauern des Kulturhauses hinaus. Beeindruckend hingegen ist seine kristallklare Höhe. Frisch, strahlend und laserscharf in den Raum abgesetzt, wünscht man sich insgeheim, ein inbrünstig geschmettertes "Nessun Domra" würde als vierte Darbietung noch erklingen.
Aber leider ist dann doch nach der dritten Arie Schluss.
Wunderbar zuhören kann man dem sympathischen Tenor allerdings auch, wenn er von seinem Werdegang erzählt, der ihn vom Chorjungen und DJ bis direkt an die Met gebracht hat. Auch wenn das abenteuerlich und nicht gerade nach einem geradlinigen Weg klingt, so zieht sich der rote Faden durch das musikalische Schaffen stringent hindurch.
©Ben Wolf
Nach unterhaltsamen Ausflügen in die gelebte Praxis des Opernbetriebs und unvergesslichen Bühnenerlebnissen, die seine Leidenschaft für Puccini geprägt haben, gibt es nach ca. einer halben Stunde aufschlussreichen "Interviewverhörs" die Chance, dem Tenor bei einem Meet & Greet ganz persönlich gegenüberzutreten.
Nahbarer könnte der Abend wirklich nicht sein. Mit meiner CD bewaffnet gliedere ich mich in die Schlange ein, die sich prompt bildet, als der Puccini-Interpret seinen Autogramstift zückt und sich am Signiertisch positioniert.
Eine großzügige halbe Stunde lässt sich Jonathan Tetelman Zeit, um Fragen ausführlich zu beantworten und CD-Covers geduldig zu signieren. Und das selbstverständlich mit Widmung.
Dieser Abend bleibt eine unvergesslich beeindruckende Begegnung mit einem aufstrebenden Künstler, der bestimmt noch ganz, ganz viel vor sich hat.
Der Erfolg gibt ihm ja jetzt schon recht.
Und was seine Arienauswahl anbelangt, so kann man sich auf absolute musikalische Ergüsse freuen, ganz besonders auch auf die Einspielungen aus den Opern "Le Villi", Il Tabarro" und "La Rondine", die man oftmals kaum von Tenören auf Tonträger dargeboten bekommt, zumindest nicht in letzter Zeit.
©Yan Bleney
Und Jonathan Tetelman? Den sollte man besser nicht mit anderen Tenören in einen Topf werfen. Dieser Mann hat einfach ein umwerfendes Temperament, das sich im stimmlichen Ausdruck niederschlägt, mal ganz zu schweigen von seiner orbitalen Tessitura, die strömt und strömt und strömt. Einen Großmeister des unendlichen Atems haben wir zwar schon. Doch mit Jonathan Tetelman haben wir jetzt auch einen zweiten ebenbürtigen Vertreter ausufernder Legati im Programm.
Und... ist das nicht etwa herrlich?
©Ben Wolf
Eine großartige CD-Auswahl schmückt den musikalisch gehaltvollen Inhalt. Besonders bezaubernde Einspielungen sind folgende Arien: "Torna ai felici Dì" aus der Oper "Le Villi", "Parigi" aus der Oper "Lan Rondine" und "o Luigi"Luigi" aus Puccinis "Il Tabarro".
Nicole vom Operaversum Magazin (Mittwoch, 04 Oktober 2023)
Liebe Jutta,
vielen Dank für Ihren Kommentar. Dem gibt es nun nichts mehr hinzuzufügen. Schließlich stimmen Sie mir zu 100 Prozent zu. Trotzdem freue ich mich sehr über von Ihnen zu lesen. Es war wirklich eine sehr schöne CD-Präsentation und auch unsere Begegnung (was für ein Zufall) hat mich sehr gefreut. Bleiben Sie weiterhin so enthusiastisch und Klassik begeistert.
Herzliche Grüße
Nicole
Jutta (Mittwoch, 04 Oktober 2023 09:00)
Vielen Dank für die anschaulichen Ausführungen zu o.g. erinnerungswürdigen Abend mit dem sehr sympathischen und hoch talentierten jungen Tenor J. Tetelman bei seiner CD-Promotion im Dussmann-Kulturkaufhaus Berlin. Ich stimme dem Dargelegten 100% zu, denn ich war auch dabei - mit sehr ähnlichen Empfindungen!