27. August 2024
Rubrik CD Tipp
©Julia Wesely
Selten hört man sie, diese betörend fein geschliffenen französischen Melodien. Seltener noch hört man sie aus dem Munde eines Tenors, der noch dazu Muttersprachler ist und eine besonders charmante Brücke zwischen dem klassischen Liedgenre und den populären Chansons schlägt.
Gewagt hat es jedenfalls noch keiner. Aber einer aus dem Opernfach, der eine musikalische Brücke baut, so gut, dass sie hält und noch dazu ganz nonchalant die U- und E-Musik miteinander verbindet, heißt Benjamin Bernheim und ist aktuell einer der gefragtesten Tenöre der Gegenwart.
Von Nicole Hacke
Erst kürzlich bei der Abschlussfeier der Olympischen Spiele als würdiger Vertretung der Gattung Oper, zeigte Bernheim mit einer eigens für den Anlass komponierten Hymne, dass die klassische Musik nicht nur massentauglich ist, sondern durchaus auch im modernen Kompositionsstil daherkommen kann.
Bernheims Auftritt jedenfalls hat nachhaltig für Wirbel und in Folge für Bekanntheit gesorgt. Doch darum geht es dem charismatischen Tenor gar nicht so sehr.
Vielmehr, so betont der Künstler, möchte er die Wertigkeit eines jeden Musikgenre manifestieren, egal ob es sich dabei um das Chanson, eine Arie oder ein populäres Lied handelt.
©Julia Wesely
Und immer bleibt der lyrische Tenor dabei seinen gesanglichen Wurzeln treu. Die drei Chansons, für die er auf seinem neuen Album "Douce France" verantwortlich zeichnet und hinter denen er felsenfest steht, porträtieren einen neuen Typ Opernsänger, der sich der Moderne öffnet, der mit der Zeit geht und der mit Sicherheit sehr erfolgreich auf dieser Gratwanderung zwischen den musikalischen Welten unterwegs sein wird.
Absoluten Seltenheitswert hat Benjamin Bernheims neue CD-Einspielung in jedem Fall, zeigt sie sich doch äußerst facettenreich und das mit ganz viel französischer Raffinesse.
So muten beispielsweise die sechs klassischen Lieder von Hector Berlioz naturverbunden und dem Leben romantisch zugewandt an.
Mal sprechen die musikalischen Kurzgeschichten von einer unbekannten Insel, mal von einem Friedhof, der im Mondschein morbide Romantik versprüht.
Tonal komplex und mit bezaubernd irisierenden Klangfarben versehen leuchtet auch der helle Tenor stentoral und von lupenreiner Brillanz ummantelt.
©Julia Wesely
Benjamin Bernheim ist ein überzeugend feiner und ausgewogener Liedinterpret, der atmosphärische Feinabstufungen stimmlich zu hundert Prozent aufgreift.
Dabei kommen die emotionalen Temperaturen ebenfalls nie zu kurz.
Vom Meer und der Liebe erzählt Bernheim ausdrucksstark und mit leidenschaftlicher Verve in den drei Liedern von Ernest Chausson.
Abgerundet wird der klassische Teil der ausgewählten Lied-Kompilation von Henri Duparcs "L´invitation au voyage" - eine Einladung zu einer Reise, musikalisch verführerisch, subtil-sinnlich und von erotisierender Weichheit.
Doch ganz ehrlich: Die Chansons aus dem Munde eines Tenors sind wie das Sahnehäubchen auf dem Kuchen der klassischen Musik. Sie strahlen und werden erhöht durch einen eleganten kristallinen Gesang, der nicht, wie es bei einem Chansonnier üblich ist, tendenziell dreckig und wie von der Straße aufgelesen daherkommt.
Nein, hört man sich länger in Bernheims Chanson-Interpretation hinein, dann fühlt man sich eher in ein elegantes Straßencafé versetzt, bei einem buttrigen Croissant und einem Café au Lait, in Tagträumen versunken oder im Stillschweigen das Flanieren der Menschen auf den Straßen beobachtend, denn genau so darf das Chanson eben auch klingen.
TRACKLIST
Les nuits d'été, Op. 7, H. 81
Transcr. Matheson for Tenor and Piano
01
I. Villanelle
02
II. Le spectre de la rose
Benjamin Bernheim, Carrie-Ann Matheson
03
III. Sur les lagunes
Benjamin Bernheim, Carrie-Ann Matheson
04
IV. Absence
Benjamin Bernheim, Carrie-Ann Matheson
05
V. Au cimetière (Clair de lune)
Benjamin Bernheim, Carrie-Ann Matheson
06
VI. L'île inconnue
Benjamin Bernheim, Carrie-Ann Matheson
Ernest Chausson
Poème de l'amour et de la mer
Transcr. Matheson for Tenor and Piano
Benjamin Bernheim, Carrie-Ann Matheson
07
I. La fleur des eaux
08
II. Interlude
09
III. La mort de l'amour
10
L'invitation au voyage
Benjamin Bernheim, Carrie-Ann Matheson
11
Extase
Benjamin Bernheim, Carrie-Ann Matheson
12
Phidylé
Benjamin Bernheim, Carrie-Ann Matheson
13
La vie antérieure
Benjamin Bernheim, Carrie-Ann Matheson
14
Les feuilles mortes (Arr. Leuenberger for Tenor and Piano)
Benjamin Bernheim, Carrie-Ann Matheson
15
Douce France (Arr. Leuenberger for Tenor and Piano)
Benjamin Bernheim, Carrie-Ann Matheson
16
Quand on n'a que l'amour (Arr. Leuenberger for Tenor and Piano)
Benjamin Bernheim, Carrie-Ann Matheson