Belcanto superlativ: Benjamin Bernheim und seine neue CD "Boulevard des Italiens"

01. Juni 2022

Rubrik Künstler

©Edouard Brane

Als ich ihn zum ersten Mal hörte, war es wie Magie! So einen Tenor mit einem hellen, kristallenklaren Timbre hatte ich seit ich mich in den letzten Jahren gesanglich nur noch mit Jonas Kaufmann befasste, nicht mehr gehört.

 

Irgendwie waren mir die Herren der tenoralen Schöpfung alle viel zu hell, um nicht zu sagen grell, schrill und metallisch unorthodox klingend, sodass ich einfach keine Chance hatte, mir den lirico spinto, den baritonal eingefärbten, schokoladensatten, vollmundigen Kaufmann vokal aus dem Kopf zu schlagen. Leider gab es für mich keine gangbaren Alternativen, die sich hätten besser hören lassen können.

 

Rudolf Schock den hörte ich mir als einzigen legitimen Vertreter eines echten, hellen und ästhetisch klingenden Tenors immer mal wieder an und verstand dennoch nicht, warum keiner der derzeit amtierenden Könige des hohen C meinen Geschmack so treffsicher verfehlen konnten.

 

Doch dann, ganz plötzlich erschien er mir wie eine Fata Morgana, zu gut um wahr zu sein, auf der Bildfläche der Opernbühne, so völlig unvorbereitet und überraschend, dass ich kaum glauben konnte, wem und was für einer Stimme ich da lauschte.

 

Benjamin Bernheim sang an jenem Abend vor wenigen Wochen den Edgardo aus Donizettis "Lucia di Lammermoor" und verzauberte mich vom Fleck weg so spontan wie sonst kein anderer Tenor zuvor.

 

©Edouard Brane

©Edouard Brane

Der Franzose mit dem butterweichen Stimmmaterial, das sich einem so samten und schmeichelnd an den Gehörgang legt, hat erst kürzlich seine zweite CD-Einspielung veröffentlicht.

 

"Boulevard des Italiens" heißt das Schmachtwerk, mit dem er sicherlich nicht nur Frauenherzen höherschlagen lässt. So sicher wie todsicher liegen ihm mittlerweile nämlich auch seine Gesangspartnerinnen der Reihe nach devot zu Füßen. Selbstverständlich nur auf der Bühne.

 

Woran das liegen mag?

 

Fleiß, Disziplin, Ausdauer und Unbeirrbarkeit vermengt nur noch mit einer Prise Durchhaltevermögen, machen aus dem charmanten Chanteur des belcantistischen Schöngesangs die große Hoffnung unter den derzeit existierenden und amtierenden Tenören.

 

Und so wird Bernheim wohl in den nächsten Jahren langsam aber sicher, wenn nicht sogar schneller, als man denkt, in den erlauchten Sängerolymp aufsteigen und von dessen Thron aus eine siegessingende Regentschaft führen.

 

©Edouard Brane

©Edouard Brane

Dass Benjamin Bernheim bereits jetzt schon mit einem breit gefächerten Repertoire sicher und versiert auf den internationalen Brettern der Welt steht und besteht, zeigt die Arienvielfalt, inmitten derer er wie ein quietschfideler Fisch im Wasser schwimmt.

 

Leicht, duftig und unangestrengt fließt seine Stimme wendig und geschmeidig in die exponiertesten und schillernsten aller tenoralen Höhen.

 

Ob Puccini, Donizetti, Verdi oder gar Mascagni. Bernheim kann Verismo, Belcanto, Lyrisches und Dramatisches so gekonnt gesungen und darstellerisch perfekt in Szene gesetzt, dass der Schöngesang per Definition mit seiner eleganten Vokalbrillanz eine schier neue Bedeutung erlangt.

 

Lediglich etwas eigentümlich, vielleicht sogar ein bisschen exotisch muten die für die CD-Einspielung auf Französisch gesungenen Arien an, die doch allesamt von Italienern geschrieben wurden - allerdings für den französischen Markt und die Pariser Oper.

 

Denn die Pariser Oper galt gegen Ende des 18. Jahrhunderts als meistbesuchtes Opernhaus Europas und gehörte damit zum musikalischen Epizentrum schlechthin.

 

Wollten renommierte italienische Komponisten, wie Verdi oder Puccini, dort ihre Musik unter die Leute bringen, galt es, jedes Opernwerk auf die französische Sprache umzumünzen.

 

©Edouard Brane

©Edouard Brane

So entstanden oftmals zwei Versionen einer einzigen Oper. Und so manches Mal hatten die französischen Versionen der italienischen Originalfassungen sogar eine deutlich längere Laufzeit oder punkteten mit einem weiteren Akt wie bei Verdis Don Carlos der Fall.

 

Aus Liebe zur Muttersprache und zur Geschichte der italienischen Oper in Frankreich, widmet Bernheim nun ein ganzes Album einer exklusiven Auswahl italienischer Opernarien in französischer Sprache.

 

Zusammen mit dem Zentrum für Musik der französischen Romantik in Venedig förderte Bernheim sogar musikalische Raritäten an die Oberfläche, von denen man selten etwas auf Tonträger, geschweige denn auf der Bühne je zu hören oder zu sehen bekommen hat.

 

Elegant und edel klingt das italienische Repertoire in französischer Sprache, zumindest wenn Benjamin Bernheim es auf seine höchst eigene Art so gesanglich formvollendet interpretiert.

 

©Manon Léprevost

Mit viel Sensibilität, poetischer Musikalität und einer leichtfüßigen Biegsamkeit in der Stimme entführt Benjamin Bernheim seine Zuhörer virtuos in eine prosperierende Zeit, in der die klassische Musik in der Stadt der Liebe lange Zeit eine veritable Heimat fand.

 


©Deutsche Grammophon / Video über youtube zur Verfügung gestellt

Che gelida manina aus Puccinis "La Bohème" ist eine so süffig satte Arie, die durch ausufernde Legati besticht und von zutiefst beseelter Leidenschaft durchdrungen ist, dass man sie nicht jedem Tenor anvertrauen möchte. Doch Benjamin Bernheim schafft es sogar, diesen ariosen Kassenschlager intim, nur mit Klavierbegleitung so darzubieten, dass Gänsehautmomente dabei glatt vorprogrammiert sind.

 

©Deutsche Grammophon / Video über youtube zur Verfügung gestellt

Wer kann der französischen Arie widerstehen, vor allem, wenn Benjamin Bernheim sich einem italienischen Repertoire in französischer Sprache annimmt. Raritäten stehen dabei genauso auf dem gesanglichen Spielplan wie allbekannte Opernklassiker.

 


©Sandra Ludewig / Sony Classical

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©Gregor Hohenberg

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©Julian Hargreaves / Sony Classical

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